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03/24

Heiraten für alle?

Heiraten für alle?

Fast alle europäischen Länder haben inzwischen die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt. 
Österreichs Parlamentarier konnten sich darüber noch nicht verständigen. Wird das halten?

Ja, mit Gottes Hilfe“, antworten die beiden Bräute, die sich an einem heißen Sommertag das Jawort geben. Alles ist wie bei einer anderen Hochzeit auch: Die Vorbereitungen haben lange gedauert, die beiden Frauen laden zur Trauung, die eine erscheint im prächtigen Brautkleid, die andere in einem schicken cremefarbenen Anzug. Die beiden waren auch schon auf dem Standesamt, und die eine hat den Familiennamen der anderen angenommen. Rechtlich gesehen sind sie allerdings nur verpartnert – ein hässliches Wort –, und die evangelische Pastorin hat sie nur gesegnet, nicht getraut. Nun ist es Religionsgemeinschaften unbenommen, entlang ihres religiösen und lehramtlichen Verständnisses die Ehe zu definieren. Vor allem die katholische Kirche besteht darauf, dass Ehe als Ausgangspunkt für Familie ausschließlich Mann und Frau vorbehalten sei. Die berechtigte Frage ist aber: Muss der Staat es auch so sehen?

Die Anerkennung gleichgeschlechtlich liebender Menschen ist ein junges Phänomen. Über viele Jahrhunderte galten sie entweder als bedauerliche Unfälle der Natur oder Kranke, in deren Willen es stünde, eine Gesundung anzustreben. Heute ist das Gott sei Dank anders. Durch viele, auch schrille Aktionen haben Menschen mit homosexueller Orientierung Raum und Rechte in unserer Gesellschaft bekommen. Während in Deutschland ein Außenminister mit Partner kein Problem war, sind in Österreich Menschen in Führungspositionen noch immer sehr zurückhaltend, sexuelle Neigungen, die von der offiziellen Norm abweichen, offen zu zeigen. Das prägt das Klima, in dem man noch immer mit einem leichten Unwohlsein reagiert, wenn Schwule und Lesben dieselben Rechte möchten wie alle anderen. Ehe ist ein solches Recht. Man argumentiert mit naturrechtlichen Gründen, dass die Ehe sozusagen von Natur aus nur Männern und Frauen vorbehalten sein solle, weil sie zur Zeugung von Kindern diene und Gleichgeschlechtliche miteinander eben keine Kinder zeugen könnten. Daran schließt sich das Argument, Kinder und ihr Wohl schützen zu wollen, weil sie Vater und Mutter bräuchten. Oder man schwenkt auf die kulturgeschichtliche Ebene, dass in unseren Breiten sich die Ehe von Mann und Frau durch lange Zeit als die besonders schützenswerte Institution entwickelt habe. Das alles stimmt und ist gleichzeitig Beharren auf einem früheren Zustand.

Die Lebensformen von Menschen haben sich vielfältig weiterentwickelt, und längst leben Kinder nicht nur in Mutter-Vater-Kind-Konstellationen. Es gibt auch Kinder, die in gleichgeschlechtliche Beziehungen mitgenommen werden, von einem der Partner adoptiert werden oder durch Samenspende von einer Partnerin ausgetragen werden. Auch diese Menschen leben Familie. Warum sollten diese nicht dieselben Rechte und Pflichten haben wie alle?

Ein säkularer Staat zeichnet sich dadurch aus, nicht die freiwillig gelebten Beziehungen von Menschen zu bewerten. Man zieht nur Grenzen, wo das Wohl eines Menschen gefährdet sein könnte. Beispielsweise bleiben Ehen zwischen Geschwistern oder Erwachsenen und Kindern verboten. Aber ansonsten ist auf die Intention der Menschen abzustellen. Wenn zwei Frauen oder zwei Männer gewillt sind, in wechselseitiger Fürsorge und auf Dauer das Leben miteinander zu teilen und dafür einen rechtlichen Rahmen in Anspruch zu nehmen, nennt man das Ehewillen. Warum sollte man ihn weniger ernst nehmen als den von heterosexuellen Menschen?

Wer hofft, die Ehe sozusagen vor gleichgeschlechtlichen Paaren schützen zu können, sitzt vermutlich in einem Zug, der in die andere Richtung fährt als der Rest der europäischen Gesellschaft. In fast allen Ländern Europas ist inzwischen die Eheschließung für alle erlaubt. Viel interessanter als die Frage, ob auch Gleichgeschlechtliche heiraten dürfen, ist, warum überhaupt auch in modernen Zeiten so viele Menschen den Wunsch haben, als Paar auch offiziell und von der Gemeinschaft anerkannt zu leben. Darin zeigt sich vermutlich ein tiefer Wunsch nach Beständigkeit, Treue, Verbindlichkeit, Bedingungslosigkeit. Dass vor allem die katholische Kirche diese Sehnsüchte nicht anerkennt und würdigt, widerspricht ihrer eigenen Rede von der bedingungslosen Liebe Gottes. Statt die pastoralen Möglichkeiten zu sehen und den Kontakt zu Menschen zu nützen, die sich in einer besonders sensiblen Situation befinden, lässt man die Türe zu. Schade. Wieder eine Chance verpasst, zu zeigen, warum mit ChristInnen mehr Liebe in die Welt kommen könnte.

Christine Haiden meint, dass allen, die Ehewillen haben, Ehe auch möglich sein soll, gleich welchen Geschlechts.

Ehe für alle

  • Der Deutsche Bundestag hat im Sommer 2017 die Eheschließung auch für gleich­geschlechtliche Paare möglich gemacht. Der Österreichische Nationalrat hat fast zeitgleich einen entsprechenden Gesetzes­antrag mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ abgelehnt.
  • In Deutschland hatte Kanzlerin Merkel die Abstimmung für Mandatare ihrer Fraktion freigegeben. 
Ein Viertel stimmte dann für die Ehe für Homosexuelle.
  • Das Bundesgericht in Karls­ruhe hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Gesetzes­bestimmungen aufgehoben, die gleichgeschlechtliche Paare im Erbrecht, beim Ehegatten­splitting oder im Adoptionsrecht schlechter gestellt hatten. Das Recht folgt in dieser Auffassung den gelebten kultu­rellen Vorstellungen der BürgerInnen, auch in Sachen Ehe.

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Erschienen in „Welt der Frau“ 010/17

Illustration: www.margit-krammer.at

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  • Veröffentlicht: 28.10.2017
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