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Hedy Lamarr: Erfinderin und „schönste Frau der Welt“

Hedy Lamarr: Erfinderin und „schönste Frau der Welt“

Die Wienerin Hedy Lamarr war ein gefeierter Hollywoodstar und die Erfinderin jener Technologie, auf der Bluetooth und Wlan basieren. Die Geschichte einer Frau mit vielen Facetten.

Als Hedwig Kiesler im Jahr 1938 in London einen Dampfer in Richtung Amerika besteigt, lässt sie auf dem alten Kontinent einiges zurück. Ihren tyrannischen Ehemann, den Waffenfabrikanten Fritz Mandl. Den Skandal, den sie mit ihrer Hauptrolle im Film „Ekstase“ ausgelöst hat. Ein Österreich, in dem die Nationalsozialisten die Macht übernehmen. Und nicht zuletzt ihre alte Identität: Als sie in den USA von Bord geht, hat sie einen Vertrag mit dem Filmstudio MGM in der Tasche – und einen neuen Namen. Als Hedy Lamarr, „die schönste Frau der Welt“, wird sie in Hollywood Furore machen.

Dass sie einmal ein gefeierter Star werden wird, vermutet am Beginn ihrer Schauspielkarriere niemand. Mit 18 Jahren erhält Hedy eine Hauptrolle im Film „Ekstase“. Darin badet sie in einer Szene nackt in einem See, in einer anderen wird ihr Gesicht während eines Orgasmus gezeigt. Es ist das erste Mal in der Filmgeschichte, dass so etwas auf der Leinwand zu sehen ist. „Ekstase“ löst einen Skandal aus: In Deutschland wird der Film als „jugendverderbend“ eingestuft und kann nur unter Protesten gezeigt werden.

Durch diese Rolle wird Hedy über Nacht berühmt-berüchtigt. Der reiche Waffenfabrikant Fritz Mandl verliebt sich in sie und macht ihr einen Antrag. Kaum verheiratet, verbietet er ihr die Schauspielerei und schließt sie im gemeinsamen Anwesen ein. Mandl führt lukrative Geschäfte mit Faschisten wie Mussolini und Hitler. Hedy, die deren Politik aus tiefstem Herzen ablehnt, muss als dekoratives Beiwerk an gemeinsamen Banketts teilnehmen.

Nach vier Jahren erträgt sie die Ehe nicht länger und setzt sich nach London ab. Dort trifft sie Louis B. Mayer, den Gründer des renommierten Filmstudios MGM. Kurzerhand kauft sie ein Ticket für das Schiff, mit dem er in die Staaten zurückkehrt, und nutzt die Überfahrt, um einen guten Vertrag auszuhandeln. Und es funktioniert: Ihr erster Hollywoodfilm, das Drama „Algiers“, wird ein Erfolg. Es folgen viele weitere Hits, darunter zwei Filme mit Clark Gable. Hedy wird für ihre legendäre Schönheit bekannt, doch sie muss stets dieselbe Rolle spielen. Als exotische, schweigsame Verführerin ist sie dekoratives Beiwerk – genau wie in ihrer Ehe mit Fritz Mandl.

Hedy entkommt der Langeweile, indem sie sich ihrem größten Hobby widmet: dem Erfinden. Auf Filmsets ist ihr Wohnwagen stets voll technischem Equipment. Als der Weltkrieg ausbricht, will sie ihren Erfindergeist in die Dienste der Amerikaner stellen. Ihr Ansuchen, dem „National Inventors Council“ beizutreten, wird jedoch abgelehnt: Anstatt ihre Intelligenz einzusetzen, soll sie Küsse an fremde Männer verteilen, die dafür Kriegsanleihen kaufen.

Doch Hedy gibt nicht auf: Als sie erfährt, dass funkgesteuerte Torpedos leicht vom Feind manipuliert werden können, macht sie sich auf die Suche nach einer Lösung. Sie nutzt das Wissen, das sie während der Banketts mit ihrem ehemaligen Ehemann gesammelt hat, und entwickelt mit ihrem Freund George Antheil das Frequenzsprungverfahren. Dabei handelt es sich um eine Art der Funkfernsteuerung, die automatisch so oft die Frequenz wechselt, dass sie vom Feind nicht angepeilt werden kann. Für ihre Erfindung nutzen die beiden Lochstreifen, wie sie zu der Zeit in Pianolas zu finden sind. Bei ihrem Verfahren verfügen Sender und Empfänger über identische Lochstreifen, die den gleichzeitigen Frequenzwechsel ermöglichen.

1942 reichen Hedy und Antheil ein Patent für ihr Verfahren ein. Doch das amerikanische Militär nützt die Erfindung nicht – jahrzehntelang gerät sie in Vergessenheit. Erst in den Sechzigern taucht darauf basierende Technologie auf den Schiffen der Navy auf. Später fließen Hedys Erkenntnisse in die Entwicklung von modernen Kommunikationssystemen wie Bluetooth und Wlan ein. Die Anerkennung dafür kommt spät: Im Jahr 2014 werden Hedy und Antheil posthum in die „Hall of Fame“ der amerikanischen Erfinder aufgenommen. In Österreich wird der „Tag der Erfinder“ an ihrem Geburtstag, dem 9. November, begangen. Zudem wird der „Hedy Lamarr-Preis“ an Frauen verliehen, die im Feld der Nachrichtentechnik Großes geleistet haben.

Für Hedy Lamarr kommt all das zu spät: Nach dem Krieg geht es mit ihrer Filmkarriere bergab, da ihr Typ nicht mehr gefragt ist. Verbittert darüber, dass ihre Leistungen nicht anerkannt werden, zieht sie sich aus der Öffentlichkeit zurück. Mit 85 Jahren verstirbt sie in Florida. Ein Teil ihrer Asche wird in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof bestattet. Die andere Hälfte verstreuen ihre Kinder im Wienerwald – im Naherholungsgebiet „Am Himmel“.

Ricarda OpisRicarda Opis

wurde 1996 in Graz geboren und studierte ebendort Journalismus und Public Relations (PR). Sie erzählt am liebsten die Geschichten von Frauen und Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Für diese Serie verbindet sie ihre beiden größten Leidenschaften, indem sie die Geschichten großer Frauen nicht nur erzählt, sondern auch bebildert. Wenn sie nicht gerade schreibt oder zeichnet, begeistert sie sich für alles, was sonst noch kreativ ist, und die Geschichte, Kulturen und Politik des Nahen Ostens.

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  • Veröffentlicht: 15.07.2019
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