Eine Veranstaltung im Rahmen der Kampagne „16 Tage gegen Gewalt“ macht deutlich, wie weit das Thema Gewalt gegen Frauen greift. Es beginnt vor unseren Augen und verbindet uns auf grausame Weise mit dem Schicksal der Frauen im Iran.
Der Kontrast könnte größer nicht sein. Die bunten, lachenden Menschen, die sich um die vorweihnachtlichen Glühwein- und Zuckermandel-Stände tummeln, lachen, zur Musik schunkeln. Und das Thema, um das es hier und heute geht: Gewalt gegen Frauen. Mittendrin in der fröhlichen Menschenmenge im Wiener Prater findet an diesem Abend eine Pressekonferenz der Soroptimist International Österreich statt, eine Auftaktveranstaltung zu der Kampagne „16 Tage gegen Gewalt“. Zwischen 25. November und 10. Dezember werden, angestoßen von UN Women, auf der ganzen Welt Gebäude in oranges Licht getaucht – aufgrund der Klima- und Energiekrise sind es heuer nur einige wenige. Darunter das Wiener Riesenrad, das am 1. Dezember orangefarben beleuchtet wird.
Ein sichtbares Zeichen für ein unsichtbares Problem. Denn der Kontrast zwischen den feiernden Menschen und dem ernsten Thema Gewalt ist nur ein scheinbarer. Gewalt gegen Frauen geschieht überall, jederzeit – und wird doch häufig nicht wahrgenommen. Bewusstseinsbildung, Awareness, ist deshalb das wichtigste Schlagwort, wenn es darum geht, Gewalt gegen Frauen endlich Einhalt zu gebieten.
„Wir werden weitermachen und daran arbeiten, dem Thema die nötige Sichtbarkeit zu verleihen und es ins Bewusstsein der Menschen zu bringen. Nicht wegschauen, sondern handeln – das ist eine ganz wichtige Botschaft.“
„Erst wenn wir wissen, dass Opfer von Gewalt sich nicht schämen müssen, sondern darüber sprechen und dafür Anerkennung bekommen – nur dann haben wir eine Chance, die Gewalt gegen Frauen endlich zu besiegen.“
„Es kann nicht erst bei einem Femizid darüber geredet und Maßnahmen ergriffen werden. Wir müssen früher ansetzten, damit wir die Gewaltspirale durchbrechen.“
Es geht uns alle an
Justizministerin Alma Zadić unterstützt die Veranstaltung und betont die Wichtigkeit von Kampagnen wie „16 Tage gegen Gewalt“, um Sichtbarkeit zu erzeugen. „Gewalt gegen Frauen geht uns alle etwas an“, sagt sie, „sie betrifft alle Bevölkerungsschichten, unabhängig von sozialer oder nationaler Herkunft.“ Gewalt habe mit der Stellung der Frau in der Gesellschaft zu tun und echte Gleichberechtigung sei daher die wichtigste Präventionsmaßnahme. Es gibt aber auch, berichtet die Justizministerin, konkrete Schritte, die von der Justiz gesetzt werden, um Gewalt gegen Frauen einzudämmen. So wurde in die psychosoziale und juristische Prozessbegleitung investiert. „Frauen werden unterstützt, zur Anzeige und zum Gericht begleitet“, so Zadić. „Es ist wichtig, dass man in dieser Situation nicht alleine ist und juristische Prozessbegleitung bekommt.“ Wenn Gewalt zur Anzeige gebracht wird, so Zadić, brauche es psychosoziale und anwaltliche Unterstützung, um sich zur Wehr zu setzen.
Sie betont aber auch die Wichtigkeit der Täterarbeit. „Seit letztem Jahr gibt es die Verpflichtung, sich schon bei der Verhängung einer Wegweisung oder einstweiligen Verfügung, einer sechsstündigen Gewaltberatung zu unterziehen“, informiert Zadić. Das klinge vielleicht wenig, sei aber sehr wertvoll. „Viele der gewalttätigen Männer hatten ja selbst schon Gewalterfahrung, waren vielleicht selbst Opfer und haben ihr Leben lang noch nicht darüber gesprochen.“ Sie haben damit die Möglichkeit, mit einer Sozialarbeiterin/einem Sozialarbeiter darüber zu sprechen, was es bedeutet, gewalttätig zu sein, wie sie mit ihrer Aggression umgehen können – und wie sie diese in den Griff bekommen und Verantwortung für ihr Handeln übernehmen können. „Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Schritt in Richtung Prävention sein kann“, so Zadić.
Die Situation im Iran
Von Maßnahmen wie diesen sei man im Iran weit entfernt. Menschenrechtsexperte Homayoun Alizadeh beschreibt eindringlich die aktuelle Situation der iranischen Frauen – die kaum vergleichbar mit jener in Österreich ist. Und doch besteht eine Verbindung in der Grausamkeit und Unsichtbarkeit von Gewalt gegen Frauen. „Wir haben Berichte darüber, dass junge Frauen nach ihrer Verhaftung an unbekannte Orte verschleppt, dort vergewaltigt und freigelassen werden“, berichtet Alizadeh. „Aufgrund der herrschenden Stigmatisierung trauen sich diese Frauen nicht einmal mit ihren eigenen Verwandten darüber zu sprechen.“ Vorgänge wie diese seien nur Teil einer langen, schrecklichen Liste. „Bis gestern wurden über 448 junge Menschen im Iran umgebracht, darunter 40 Minderjährige. Das ist derzeit die traurige Realität im Iran.“
Für Alizadeh, der unter anderem als Funktionär des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte tätig war, ein Anlass, aktiv zu werden. Er gründete ein Personenkomitee, um die iranische Bewegung „Mahsa Jina Amini“ zu unterstützen. Bisher beigetreten sind unter anderem Elfriede Jelinek, Terezija Stoisits, Monika Helfer und Helmut Brandstätter. „Die Aufgabe des Komitees ist es, die Öffentlichkeit über die Entwicklungen im Iran zu informieren“, so Alizadeh, aber auch, Unternehmen in der EU, die die „Revolutionswächter“ durch technisches Know-how unterstützen, zur Verantwortung zu ziehen. Denn es sind europäische Unternehmen, die es durch spezielle Ausrüstung möglich machen, das landesweite Internet abzuschalten und so die Kommunikation der Demonstrierenden zu verhindern.
Weitermachen, handeln
„Wir wollen dem Einfluss und den Aktivitäten des Islamischen Staats im Iran Einhalt gebieten“, sagt Alizadeh. „Neben der Aufklärungsarbeit ist das unser wichtigstes Ziel.“ Und Judith Mühlhauser, Präsidentin des Soroptimist International Club Wien Ringstraße und Organisatorin des Abends, versichert: „Wir werden weitermachen. Wir wollen nicht wegschauen, sondern handeln.“ Eine Botschaft, die durch das orange leuchtende Riesenrad unterstrichen wird. Und auf die gemeinsame Aufgabe hinweist, die Österreich und den Iran verbindet: die Gewalt gegen Frauen, die endlich besiegt werden muss.