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03/24

Haarausfall nach Chemotherapie – was tun?

Haarausfall nach Chemotherapie – was tun?

„Werden mir jetzt alle Haare ausfallen?“ ist meist die Frage, die KrebspatientInnen nach einer Diagnose stellen. Der Perücken-Spezialist und Friseurmeister Peter Fuchs weiß viel über den richtigen Umgang mit diesem sensiblen Thema.

Haarausfall nach Chemotherapie – mehr als ein kosmetisches Problem

Krebserkrankungen und deren Behandlungen hinterlassen harte Spuren, unter anderem können  Chemo-, Strahlentherapie und zielgerichtete Medikamente zu Haarausfall führen.

Was bei der Diagnose Krebs im ersten Moment fast wie ein Luxusproblem anmuten mag, ist ein tiefgreifender Einschnitt. Es ist ein sichtbarer Verlust, der ständig an die Krankheit erinnert, die im Körper wütet. Haarausfall stigmatisiert. Betroffene, speziell Frauen, berichten von vermindertem Selbstvertrauen. Sie fühlen sich unweiblich, weniger attraktiv, verletzlich und entblößt.

„Bekomme ich jetzt eine Glatze?“

„Wird die Krebsdiagnose gestellt, ist die erste Frage Betroffener zu 99 Prozent jene, ob die Haare ausfallen werden“, sagt Friseurmeister Peter Fuchs. ÄrztInnen hätten aber schlicht nicht die Ressourcen, Erkrankte ausreichend über das Thema und die weitere Vorgehensweise aufzuklären. Genau da setzt der Linzer mit seiner Arbeit an. Peter Fuchs, gemeinsam mit seiner Ehefrau Silvia Inhaber des größten Fachinstituts für Zweithaar in Österreich, kennt das Problem aus eigener Anschauung.

Als seine Mutter in jungen Jahren an Krebs erkrankte und auch viele seiner KundInnen „extreme Schwierigkeiten hatten, eine halbwegs gute Perücke zu bekommen“, sah der Coiffeur es als seine Aufgabe, ein neues Konzept zu erarbeiten.

Haarausfall nach Chemotherapie: Glatze

Perücken – ein sensibles Thema

Mit der Zeit entstand aus einer Herzensangelegenheit ein ganzheitliches Projekt. Peter Fuchs und sein Team verkaufen mehr als einfache Perücken. Der Friseurmeister hat mit HEADDRESS einen geschützten Raum geschaffen.

So arbeiten im Institut Frauen, die selbst haarlos sind oder diplomierte Gesundheits- und KrankenpflegerInnen, die zusätzlich zur Arbeit bei HEADDRESS halbtags auf der onkologischen Station im Krankenhaus tätig sind. Das gesamte Personal ist medizinisch und psychologisch geschult. Es weiß genau um die aktuelle Lebensrealität ihrer Kundschaft. Das verringert die Distanz und nimmt die Angst.

Die Perücke als Kopfschmuck

Es sind starke Momente, von denen der Coiffeur erzählt. Zum Beispiel wenn Beraterin Natalie Lang bei Kundengesprächen ihre eigene Perücke mit einem Lächeln abnimmt und so das Eis bricht. Fuchs: „Wir haben uns ganz bewusst für den Namen ‚Headdress‘, zu deutsch ‚Kopfschmuck‘ entschieden – wir betrachten den Haarersatz hier als Accessoire.“ Und das spürt man.

Überhaupt endet das Thema Haarverlust für den Spezialisten nicht beim Kopfhaar. Gekümmert wird sich im Institut auch um Augenbrauen und Wimpern, man gibt Schmink-Tipps und versucht, den Betroffenen so viel von der überfordernden Last zu nehmen, wie irgend möglich: „Wenn Krebskranke mit einer frischen Diagnose zu uns kommen, stehen sie irgendwo zwischen panischer Angst und Fassungslosigkeit, sie können noch gar nicht wirklich registrieren, was da gerade passiert“.

„Mehr Selbstbewusstsein stärkt die Lebensfreude. Und das ist überaus heilsam!“

Der Friseurmeister und sein Team sehen sich als kleine Ruheinsel, auf der die PatientInnen mit einem Schutzschild im Kampf gegen den Krebs ausgestattet werden – auch dann noch, wenn die Perücke selbst längst angepasst ist: „Wir sind bei Fragen jederzeit erreichbar. Selbst wenn es um Probleme mit den Fingernägeln geht, die bei einer Chemotherapie ebenfalls leiden können.“

So schließt das Team von HEADDRESS eine Lücke zwischen Medizin und psychischem Wohlbefinden: „Mehr Selbstbewusstsein stärkt die Lebensfreude“, ist sich Peter Fuchs sicher. „Und das ist überaus heilsam.“

Peter Fuchs mit einer seiner Kundinnen

Peter Fuchs ist erfahrener Friseurmeister und seit 1999 mit seinen Salons SCHNITTZONE Haarkunst by Peter Fuchs selbstständig. In jungen Jahren wirkte er bei vielen Frisuren-Shows und internationalen Modeschauen erfolgreich mit. Zu seinen Kunden zählten neben vielen prominenten SchauspielerInnen und SportlerInnen auch Politiker.

Als seine Mutter sehr jung an Krebs erkrankte, sah er es als seine Aufgabe, an dem Konzept HEADDRESS zu arbeiten.

Foto: beigestellt

Zweithaar – Tipps & Tricks zum Kauf einer Perücke

Wann bekommt man eine Perücke auf Rezept? Wie viel kostet eine Perücke aus Echthaar? Und wie befestige ich mein Zweithaar? Friseurmeister und Haar–Spezialist Peter Fuchs beantwortet die häufigsten Fragen zum Thema.

1. Wann sollte ich mich bei Krebsdiagnose um eine Perücke kümmern?

Je früher, desto besser. So können die Zweithaar-SpezialistInnen bestmöglich beraten und eine Perücke finden, die zum jeweiligen Typ passt. Grundsätzlich ist es nicht notwendig, die Haare schon vor der Chemotherapie abzuschneiden. Bei Peter Fuchs entscheiden die KundInnen selbst, ob sie ihre Haare lieber gleich abrasieren oder haarerhaltend vorgehen möchten, das heißt so lange wie möglich ihr eigenes Haar behalten wollen.

2. Wie pflege ich die Kopfhaut bei Bestrahlung oder Chemotherapie?

Es ist wichtig, sich auch während und nach einer Chemo um die Kopfhaut zu kümmern und sie ausreichend zu pflegen, damit die Haarfollikel wieder aktiv werden können. Der Experte empfiehlt, weiter das gewohnte Shampoo zu verwenden. Duschgel verstopft beispielsweise die Poren und trocknet die Kopfhaut aus.

3. Und wie reinige und pflege ich die Perücke selbst?

Für die Perücken gibt es spezielle Pflegeprodukte. Sie lassen sich ansonsten einfach im Waschbecken waschen und danach lufttrocknen. Ein regelmäßiger Servicetermin beim Fachgeschäft wird zwar empfohlen, Echt- und Mischhaarperücken können aber grundsätzlich wie die eigenen Haare gestylt und frisiert werden. Flecht- oder Hochsteckfrisuren sind ebenfalls problemlos möglich. Die meisten Perücken lassen sich jederzeit abnehmen, manche sind vollverklebt und werden dauerhaft getragen – das ist allerdings recht selten, weil kostspielig.

4. Echthaar oder Kunsthaar – wie lasse ich eine Perücke echt aussehen?

Essenziell ist laut dem Experten vor allen Dingen, die richtige Perücke für den jeweiligen Typ zu finden. Wie gestaltet sich der Lebensalltag? Wie viel Zeit will ich investieren? Welche Frisur will ich tragen? Preis und Machart sind dabei nicht in erster Linie ausschlaggebend. Viel wichtiger ist es, die Perücke vom Profi individuell in Schnitt und Form anpassen zu lassen – so merken oft nicht einmal FreundInnen oder Familie, dass man Zweithaare trägt.

5. Wie viel zahlt die Krankenkasse? Und was kostet eine gute Perücke?

Das ist in Österreich von Versicherung, dem jeweiligen Tarif und dem Bundesland abhängig. In Oberösterreich zahlt die Krankenkasse mit Verordnungsschein beispielsweise 330 Euro, in Salzburg sind es 1.450 Euro. Mittlerweile gibt es wertige Perücken aus synthetischen Fasern, die anteilig oder komplett von den Krankenkassen übernommen werden. Bei feineren handgeknüpften Modellen aus Echthaar ist die Preisskala fast bis oben hin offen.

Die eigenen Haare für eine Perücke spendenSie möchten Ihre Haare spenden?

Wenn Sie gesunde, naturbelassene Haare haben, die zwischen und 30 und 40 Zentimeter lang sind, eignen Sie sich als HaarspenderIn. HEADDRESS versteigert die Zöpfe bei Auktionen für PerückenmacherInnen. Der Erlös wird an die österreichische Krebshilfe gespendet.

Foto: Unsplash

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  • Veröffentlicht: 11.10.2021
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