Gehen für die weibliche Solidarität: Am 14. Oktober findet österreichweit der Frauenpilgertag der Katholischen Frauenbewegung statt. Initiatorin Michaela Leppen verrät, wie das Pilgern in der Gemeinschaft zur Verbundenheit einlädt und eine einzigartige Möglichkeit zur Innenschau bietet.
Sie sind Initiatorin des Frauenpilgertags, bei dem alle zwei Jahre gemeinsam gepilgert wird – im Jahr 2021 mit über 3.500 Frauen. Warum sollte man sich dieses spirituelle Erlebnis unter keinen Umständen entgehen lassen?
Dieser Pilgertag wird von Frauen für Frauen gestaltet. Man ist gemeinsam unterwegs, nimmt sich Zeit, in einer Frauengemeinschaft bewusst aus dem Alltag auszusteigen. Es gibt 92 Routen, verteilt auf alle Bundesländer, die vor Ort von den ehrenamtlich tätigen Frauen betreut werden. Für jede Kondition und Verfassung sind Wege dabei: kürzere Strecken bis 20 Kilometer, einfachere in der Ebene, andere mit mehr Höhenmetern. Manche davon sind auch kinderwagentauglich.
Der „alte Walserweg“ in Vorarlberg, der Smaragdwanderweg in Salzburg oder die „Knödelhütte“ in Niederösterreich – pro Bundesland gibt es bis zwischen zwei und 27 Pilgerstrecken. Welche finden Sie sehr speziell?
Heuer neu dabei: eine Etappe des Benediktwegs, der von zwei Seiten begehbar ist. Eine Gruppe geht von Oberösterreich weg, die andere aus der Steiermark über den Arlingsattel. Diese Pilgerinnen treffen sich dann, das ist ein netter Teil dieser Wanderung.
„Beim Pilgertag gehen wir auch immer ein Stück schweigend, um die Sinne zu öffnen und nach außen zu hören. Aber auch, um zu schauen: Was bewegt sich in mir?“
Was denken Sie, pilgern Frauen und Männer unterschiedlich?
Bei Männern scheint das sportliche Erlebnis im Vordergrund zu stehen, sie gehen häufiger alleine. Frauen sind eher bereit, sich auf den Prozess des Pilgerns einzulassen, auf das Unterwegssein in der Natur und in der Gemeinschaft. Beim Pilgertag gehen wir auch immer ein Stück schweigend, um die Sinne zu öffnen und nach außen zu hören. Aber auch, um zu schauen: Was bewegt sich in mir? Welche Gedanken kommen, wenn ich schweige?
Gutes Schuhwerk und eine durchdachte Ausrüstung gehören zur notwendigen Ausstattung, um Wind und Wetter zu trotzen. Wie kann man sich mental auf das Gehen über mehrere Stunden vorbereiten?
Wichtig ist, dass man sich Zeit dafür nimmt. Dass man nicht nur den Rucksack mit Notwendigem packt, sondern bewusst aus dem Alltag aussteigt. Das Pilgern folgt einer Struktur: aufbrechen, unterwegs sein, ankommen. Anfangs ist es wichtig, zu sagen: „Ich mache mich auf den Weg“, damit man sich auch innerlich darauf einstellen kann, mehrere Stunden unterwegs zu sein. Man muss dafür offen sein, was einem auf dem Weg entgegenkommt.
Rund um das Pilgern liegt häufig eine Aura der Spiritualität, manchmal sogar die Hoffnung auf eine große Erkenntnis – was darf man sich nun wirklich davon erwarten?
Eine Entschleunigung. Beim Schritttempo kommt die Seele am besten mit. Im Alltag sind wir durch die Mobilität schnell unterwegs, werden häufig vom Stress getrieben. Durch dieses Schritt-für-Schritt-Gehen darf man sich Ruhe erwarten, es geht darum, sich dem Tempo der Gruppe anzupassen. Man ist auch mit fremden Menschen unterwegs, die man zuvor noch nie gesehen hat, aber durch dieses Miteinander-Gehen entstehen Verbundenheit und Gespräche. Manche sind eher oberflächlich, manche in der Tiefe. Man teilt die Erfahrungen des Pilgerns, etwa Gewitter oder steile Wege. Dadurch gerät innerlich etwas in Bewegung und man wird sich bewusster, welche Themen einen gerade beschäftigen.
„Pilgern ist so gefragt, da es um den Nicht-Druck geht. “
In der heutigen Gesellschaft wird Bewegung oftmals als ein Mittel der Selbstoptimierung gesehen. In welchem Verhältnis steht das Pilgern dazu?
Das Pilgern ist eine Gegenbewegung, weil es auf ein Bedürfnis antwortet. Pilgern ist so gefragt, da es um den Nicht-Druck geht.
In Ihrem Folder schreiben Sie: „Gemeinsam pilgern wir in Gottes wunderbarer Schöpfung.“ Wie wird das Pilgern aus religiöser Sicht gesehen, und wie kann man es auf den eigenen Alltag umlegen?
Es geht darum, nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit Gott in Berührung zu kommen. Man sagt: „Gott ist in der Gegenwart.“ Beim Gehen geht es darum, nicht zu sehr in der Vergangenheit zu hängen oder an die Zukunft zu denken. Wenn ich dann in mein Inneres gehe, begegne ich Gott – genau wie in der Natur, der Schöpfung.
Was ist einer der schönsten Momente aus vergangenen Pilgertagen, der Sie noch immer begleitet?
Ich denke dabei zurück an den ersten Pilgertag im Mai 2019. Drei Wochen lang hat es davor geregnet, doch an diesem Datum war von der Früh weg strahlender Sonnenschein. Ich bin bei der Route in Sankt Magdalena in Linz mitgegangen, Treffpunkt war die dortige Kirche. Die Frauen sind mit so einem Strahlen im Gesicht gekommen, nach dem langen Regen haben sich alle über das Wetter gefreut.
So läuft der Frauenpilgertag ab
Anmeldung: bis zum 4. Oktober 2023 auf der Website des Frauenpilgertages
Pilgerstart: Treffpunkt um 8.30 Uhr, Start um 9 Uhr bei jeder Witterung
Die Botschaft: gemeinsames Pilgern im Zeichen der Frauensolidarität – sich gemeinsam „Zeit zu leben“ nehmen
Am Anfang des Weges: … gibt es für jede Route einen Treffpunkt, an dem man von den Wegbegleiterinnen ein Pilgerheft mit Texten und Liedern sowie ein Segensband, das man an den Rucksack bindet, bekommt.
Verbindende Elemente: Es wird ein Pilgerstab mit Kräutern oder Blumen geschmückt, welcher gesegnet wird, ehe man losgeht.
Am Weg: … werden regelmäßige Pausen mit Impulsen, Liedern oder Gedankenanstößen festgelegt. Ein Stück lang geht man gemeinsam schweigend
Am Ende: … stehen das bewusste Ankommen und das Finden eines gemeinsamen Abschlusses.