Mit welchen Vorurteilen sieht sich der Frauenfußball in Österreich nach wie vor konfrontiert? Welche Rolle spielt Frauenfußball und wo gibt es noch Verbesserungsbedarf? Darüber sprach Isabell Hochstöger, Teammanagerin des österreichischen Damennationalteams, mit „Welt der Frauen“ im Rahmen des Ladies Talk in Linz.
Fußballerinnen wurden und werden oft mit Vorurteilen konfrontiert. Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrer Karriere gemacht?
Ich habe selbst bei den Burschen gespielt und hatte in meiner aktiven Zeit viele männliche Spieler um mich herum. Meine Erfahrungen waren positiv, wenn auch nicht ausschließlich. Natürlich gab es Vorurteile, vor allem in der Zeit, als Frauenfußball noch nicht salonfähig war. Aber ich denke, dass sie heute weniger werden.
Welche Vorurteile waren besonders gängig?
„Was macht eine Frau auf dem Fußballplatz? Die gehört doch hinter den Herd!“ Und wenn Mädchen in gemischten Mannschaften gespielt haben, hieß es: „Das geht doch nicht, wo sollen die sich umziehen, wir haben keine Toiletten für sie.“ Heute gibt es das aber großteils nicht mehr. Mir hat es Spaß gemacht, mit den Burschen zu spielen, und es hat mir vieles leichter gemacht. Natürlich gab es, zum Beispiel bei Vorbereitungsspielen gegen Männermannschaften, den einen oder anderen Zuschauer, der sich über die Situation lustig gemacht hat oder sich mehr auf die Oberweite der Frauen beim Laufen konzentriert hat. Ich dachte mir dabei immer: Wer sich so verhält, trägt generell wenig Respekt in sich.
Gibt es Zahlen, wie viele Frauen und Mädchen derzeit im Fußball aktiv sind?
Wir sind dabei, das zu erfassen. Das Schwierige daran ist, dass wir das Zahlenwerk gerade neu aufgebaut haben. Die Anzahl der SpielerInnen erhebt man über Systeme, diese waren in den vergangenen Jahren oft lückenhaft. Ich schätze, dass wir etwas mehr als 13.000 aktive Mädchen und Frauen im Fußball haben. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist das eine geringe Zahl, wir liegen im unteren Drittel. Darauf sind wir nicht stolz und wir versuchen, uns zu verbessern.
„Um Mädchen und Frauen für Fußball zu begeistern, brauchen wir Idole.“
Woran hapert es?
Ich glaube nicht, dass es nur diesen einen Grund gibt. Um Mädchen und Frauen für Fußball zu begeistern, brauchen wir Idole. Für mich war es klar, mit Fußball zu beginnen. Meine ganze Familie engagierte sich im Verein. Im Fernsehen hat es aber keinen Frauenfußball gegeben. Auch die brasilianische Weltfußballerin Marta betonte nach der WM bei einem Interview, dass das heute anders ist: Jetzt haben die jungen Frauen Idole, die sie auch im Fernsehen sehen können.
Die Aufmerksamkeit, die die Herrenmannschaften bekommen, ist immer noch nicht gegeben. Nach dem ersten großen Aufschwung der österreichischen Nationalmannschaft wurden die Spiele plötzlich auch im Fernsehen übertragen. Hat sich seitdem etwas geändert? Was braucht es noch?
Es hat sich auf jeden Fall vieles verbessert. Ein prägender Moment war das Länderspiel der Frauen – St. Pölten gegen Dänemark – im Jahr 2012, das übertragen wurde. Ich bin damals mit gemischten Gefühlen hingefahren, Dänemark war uns völlig überlegen. Wir hatten einen dezimierten Kader, unsere Torfrau fiel aus. Da ist man nicht pessimistisch, sondern ein Stück weit realistisch. Trotzdem gewannen wir das Spiel mit 3:1, ein großartiger Moment. Du kannst im Vorfeld hinter dem Schreibtisch alles nach bestem Wissen und Gewissen tun, doch nichts katapultiert dich so ins Rampenlicht wie sportlicher Erfolg. Das war ein kleiner Türöffner, auch wenn es im Playoff nicht für die EM in Schweden gereicht hat. Die Initialzündung fiel dann mit Sicherheit im Jahr 2017. Erneut traten wir auf rein sportliche Weise in Erscheinung.
„Auch damals waren die Spielerinnen schon nett und konnten gut reden. Es waren die gleichen Personen, die gleichen Attribute, einzig der Erfolg kam erst später.“
Ärgert es Sie, dass es immer erst Erfolge braucht, um Aufmerksamkeit zu erhalten?
Es hatte damals zumindest einen faden Beigeschmack. Plötzlich hieß es: „Das sind tolle Mädchen, die können sich so gut artikulieren.“ Doch die gleiche Gruppe hatte zuvor im Februar bei einem Freundschaftsturnier in Zypern gespielt und den achten Platz ergattert. Auch damals waren die Spielerinnen schon nett und konnten gut reden. Es waren die gleichen Personen, die gleichen Attribute, einzig der Erfolg kam erst später.
Wie sieht die Situation auf Ebene der österreichischen Ligen aus?
Wir sind auf einem guten Weg. Wir machen kleine Schritte, das bevorzuge ich persönlich aber auch. Nicht, weil ich Angst oder zu großen Respekt vor „den Großen“ habe. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Relation eine sehr junge Geschichte haben. Ich halte es daher für sinnvoll, sich auf einem gesunden Fundament weiterzuentwickeln, anstatt zu vorschnell zu agieren und Schiffbruch zu erleiden. Nach wie vor müssen wir an der Sichtbarkeit, die sich die Spielerinnen und Vereine auch verdient haben, arbeiten. Was wir erreicht haben, ist, dass die Spiele sowohl auf ORF Sport+ als auch auf ÖFB-TV übertragen werden.
„Mit dem Weltmeistertitel ist ihnen etwas Unglaubliches gelungen. Ich finde es schade, dass das von diesem Vorfall überschattet wurde.“
Nach der Weltmeisterschaft stand der Frauenfußball in den Medien sehr negativ im Rampenlicht. Grund dafür war der Kuss-Skandal, in den der spanische Verbandschef und eine Spielerin der spanischen Nationalmannschaft verwickelt waren. Wie ist das für Sie, wenn man an der Förderung des Frauenfußballs arbeitet und dann solche Vorfälle passieren?
Mir haben die Spielerinnen leidgetan. Das spanische Team hat in den vergangenen Jahren Beachtliches erreicht. Auch mit all ihren Nachwuchsnationalteams waren sie stets in Endrunden vertreten. Mit dem Weltmeistertitel ist ihnen etwas Unglaubliches gelungen. Ich finde es schade, dass das von diesem Vorfall überschattet wurde. Wie dann damit umgegangen wurde, hat sich niemand, weder der Fußball noch die involvierten Personen, verdient. Das ist nicht in Ordnung, das ist schmutzig und hat hier nichts verloren. Für uns gab es hier keine zwei Meinungen.
Zum Abschluss: Was wünschen Sie sich für den österreichischen Frauenfußball?
Ich würde mir wünschen, dass man am Tag X von Fußball und nicht von Frauenfußball spricht. Auch wenn ich selbst diesen Begriff oft verwende. Aber niemand sagt: „Ich schaue Damentennis“. Man spricht einfach von Tennis. Wünschen würde ich mir aber auch mehr Bereitschaft, Offenheit und keine Angst vor Hürden. Es sollte eine Selbstverständlichkeit werden, dass Mädchen Fußball spielen. Frauen im Sport sind wertvoll, ob als Spielerin, Funktionärin oder Schiedsrichterin. Aber nicht nur sie, sondern auch Männer, die uns unterstützen und fördern. Es wäre schön, wenn es hier ein Miteinander gäbe. Abschließend wünsche ich mir, dass uns die Attribute der Bodenständigkeit und Leidenschaft erhalten bleiben. Fußball wird leider immer mehr zum Geschäft, vor allem bei den Männern, aber auch bei uns. Umso mehr müssen wir daran arbeiten, dass uns diese Eigenschaften noch lange erhalten bleiben.
Weitere Informationen
Das Ziel des LADIES TALK, zu dem der OÖ. Fußballverband vor Kurzem erstmals in die Raiffeisen Arena Linz einlud, war es, Frauen in ihrem Engagement im Fußball zu stärken beziehungsweise zum Einschlagen einer Funktionärstätigkeit zu motivieren. Gleichzeitig hatten die 37 Teilnehmerinnen die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen und mögliche Verbesserungen der Rahmenbedingungen zu erörtern.