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03/24

Es will vieles werden

Es will vieles werden

Wir haben unsere Leserinnen eingeladen, ihre Erfahrungen, Erlebnisse oder Bilder unter dem Motto „Was ich gerade jetzt schätze“ mit uns zu teilen.

Was ich in diesen Zeiten besonders schätze

Seit gut einem Monat wohnt eine meiner Töchter aus Wien mit ihrer Jungfamilie bei mir.
Klassisch: „Flucht aufs Land!“
Alle Zimmer belegt, Waschmaschine und Geschirrspüler sind täglich mehrmals im Einsatz, putzen, einkaufen, kochen, basteln und „Pferd spielen“ mit dem dreijährigen Doppel-Duracell-Osterhaserl.
Ostern ist heuer geprägt von unermüdlichem Ausschau halten, ob der Osterhase im Garten und Wald etwas verloren hat. Beim Gestalten einer Osterkarte für die Urgroßeltern gibt es Überredungskünste, ob denn ein wackelig ausgeschnittener Eisbär wirklich passend ist zwischen den Ostereiern.
„Ja doch, Oma – das ist ein Osterhaseneisbär“.
Dieser Familieneinsatz verlangt mir viel ab, und ich bin abends zu müde, um den Supermond samt Sternenpracht zu bestaunen.
Ab ins Bett, Kräfte sammeln, denn es kommt ein nächster Tag!

Aber dann gibt es die „blaue Stunde“, mit der der Tag und mein Tag beginnt. Die Nacht dämmert sich aus, Konturen werden draußen sichtbar, Vögel beginnen mit ihrem Morgenkonzert – alles wunderbar still im Haus und in mir!
Jean Gebser besucht mich an meinem Schreibtisch mit einem Text:

Es will vieles werden

Wir gehen immer verloren,
wenn uns das Denken befällt,
und werden wiedergeboren,
wenn wir uns ahnend der Welt

anvertrauen und treiben
wie die Wolken im hellen Wind,
denn alle Grenzen, die bleiben,
sind ferner als Himmel sind.

Und es will vieles werden,
aber wir greifen es kaum.
Wie lange sind wir der Erden
Ängstliche noch im Traum.

Fragwürdige noch wie lange,
da alles sich schon besinnt,
da das, was einstens so bange,
schon klarer vorüberrinnt?

Dass uns ein Sanftes geschähe,
wenn uns der Himmel berührt,
wenn seine atmende Nähe
uns ganz zum Hiersein verführt.

***

Ich mache täglich „blau“ – das Denken überfällt mich kaum! Ich spüre, wie sich die ungebetenen, aufbegehrenden, grummelnden Gäste der Nacht auflösen, lasse mich sanft vom Himmel berühren und von meinen Pflichten zum Hiersein verführen!

„Oma, ich hab Hunger!“
Es geht los.
Ich werde zur morgendlichen Hochstaplerin … von Palatschinken für Lachstiger, Fellfreunde und den Rest der Familie.
Gut so!

Foto: Karl Trawöger (Ostersonntag-Morgen)

Über Ihre Empfehlung würden wir uns
in diesen herausfordernden Zeiten besonders freuen.

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  • Veröffentlicht: 12.04.2020
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