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04-05/24

Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt

Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt

Dieser Satz zählt zu den am meisten zitierten Sätzen des Autors Thomas Bernhard. Er polarisierte, bei Preisverleihungen, mit seinen Aussagen, mit seinen Büchern. Der Residenzverlag veröffentlicht die fünf autobiografischen Romane Bernhards zu dessen 30. Todestag. Wer Absätze für den Lesefluss benötigt, kann sich hier neue Lesegewohnheiten antrainieren, wie ein Satz liest sich Roman für Roman und man weiß: Es zahlt sich aus.

„Wie oft, und zwar hunderte Male, bin ich durch die Stadt gegangen, nur an Selbstmord, nur an Auslöschung meiner Existenz denkend und wo und wie ich den Selbstmord (allein oder in Gemeinschaft) machen werde, aber diese durch alles in dieser Stadt hervorgerufenen Gedanken und Versuche haben immer wieder zurück in das Internat, in den Internatskerker geführt. (S. 18)“

Bernhard-LeserInnen haben die vier autobiografischen Romane – „Die Ursache“, „Der Keller“, „Der Atem,“, „Die Kälte“ und „Ein Kind“ bereits gelesen und in ihren Regalen stehen. Sie werden vermutlich allein wegen der Aquarelle Erwin Wurms diese besondere Ausgabe erwerben. Wer Interesse an Bernhards Romanen erst wecken muss, könnte mit dieser Edition auch einsteigen, da purzeln einem die Sätze entgegen, atemlos, gehässig, klar und wahr. Hier ein berühmter erster Satz, den alle Bernhard-LeserInnen sofort dem Roman „Ein Kind“ zuordnen können.

„Im Alter von acht Jahren trat ich auf dem alten Steyr-Waffenrad meines Vormunds, der zu diesem Zeitpunkt in Polen eingerückt und im Begriff war, mit der deutschen Armee in Rußland einzumarschieren, unter unserer Wohnung auf dem Taubenmarkt in Traunstein in der Menschenleere eines selbstbewußten Provinzmittags meine erste Runde. (S. 397)“

Der Autor:
Am 9. Februar 1931 geboren, am 12. Februar 1989 gestorben. Seit 1957 freier Schriftsteller, später verlässlicher Provokateur gewesen. Zwischen 1975 bis 1982 erschienen seine autobiografischen Schriften im Residenzverlag. „Ein Kind“ gilt als faszinierende Einstiegslektüre ins Oeuvre des Schriftstellers, Salzburg Spaziergänge führen an Orte der Handlungen.

Erwin Wurm:
Geboren 1954, Einzelausstellungen und Sammelausstellungen zumeist als Bildhauer, 2017 gestaltet er den Österreich-Pavillon auf der Biennale di Venezia. 2011, Salzburg Foundation: „Gurken“, ein aus fünf Einzelskulpturen bestehendes Kunstwerk im Furtwänglerpark.

Thomas Bernhard:
Autobiographische Schriften.
Mit Aquarellen von Erwin Wurm.
Residenz Verlag 2019.
496 Seiten.

Christina Repolust

wurde 1958 in Lienz/Osttirol geboren. Sie schloss das Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg ab. Seit 1992 ist sie Leiterin des Referats für Bibliotheken und Leseförderung der Erzdiözese Salzburg und unterrichtet nebenbei Deutsch als Fremdsprache. Zudem leitet sie Literaturkreise und Schreibwerkstätten für Groß und Klein. Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.“

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  • Veröffentlicht: 03.06.2019
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