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Familie
11/12/24

Draußen ist so viel

Draußen ist so viel

Wer je auf einer Party stand und sich wie im falschen Film fühlte, hat den perfekten Hintergrund für die Lektüre dieses Romans. Man hat ja dann doch Gefühle in sich aufgestaut, egal, wie alt man ist, wie monogam man lebt oder eben auch nicht.

Nora, die Ich-Stimme, also die Ich-Erzählerin hier, kommt aus einem kleinen Ort, dort wird der Rasen gemäht, die Menschen gegrüßt, schnell fällt wer auf, der anders ist. Maja war anders, richtig anders, als beispielsweise die Schweigefamilie Noras, die ihr Missfallen in unterschiedlichen Schweigenuancen auszudrücken vermochte. Nora folgt Maja gutgläubig, voller Bewunderung, sogar Majas Mutter ist anders, trinkt Campari, säuft manchmal so richtig. Aber das liegt jetzt auch hinter Nora, die es geschafft hat, jetzt Moderatorin einer Fernsehsendung ist, bei der sie Menschen in ihren erbarmungswürdigen Wohnungen besucht und dort aufheitern soll. Jetzt leidet sie aber unter Panikattacken, sie geht zum Therapeuten. Doch der hat es wiederum eilig, mit seiner Familie – die kennt Nora von den Fotos in seiner Praxis – rechtzeitig in den wohl verdienten Urlaub zu kommen. Doch einen Tipp hinterlässt er der jungen Frau: Schreiben Sie auf, was Sie bedrückt. Und das ist ja so einiges. Etwa, dass Karl, sozusagen ihr Exfreund, jetzt mit Leonie zusammen ist, also die waren schon zusammen, als Nora noch meinte, Karls Freundin zu sein. Egal, alles zu konservativ: Nora verliebt sich in Jonas und gemeinsam trifft man sich jetzt, gammelt rum und diskutiert den Poststrukturalismus. Leonie fühlt sich ausgeschlossen, Jonas tröstet sie, Nora denkt an Maja und daran, dass eine wie Maja doch niemals stirbt.

Schließlich fahren alle vier und Leonies Kind auch noch dazu in das Haus am Meer, das Karls Eltern gehört. Karl hat sich gerade als Guru-Schreiber für Glücksratgeber neu erfunden, Leonie arbeitet ihre von elterlicher Gewalt geprägte Kindheit in eigenen Wutanfällen auf, nein, keine Unterschicht-, sondern pure Oberschichtgewalt. Karl und Nora kennen sich seit ihrer Jugend in diesem popeligen Ort, an dem die Leute immer tun, was man ihnen sagt, alle, bis auf Maja. Als Maja nach dem Tod eines Mitschülers, oder war es Mord?, plötzlich immer grauer wird, sogar Nora wegschickt, macht das der gesamten Clique Angst. Aber Maja, die muss noch leben, die ist doch unsterblich. Auf dieser Spurensuche verlieren sich alle, Jonas will mit Leonie und deren Kind leben, Karl alle von seinem Talent überzeugen, die vegane Journalistin auf der Party an diesem Haus am Meer endlich was richtiges erleben. Dazwischen small-talkt man und saugt an Strohhalmen, ja, man habe jetzt auch einen. „Was für einen?“ Ja, einen Flüchtling, man kümmere sich, er lerne fleißig, denn dort, von wo er komme, da sie der Bildungsstandard schon sehr niedrig. – Lifestyle mit allen Schikanen, vegan ist Muss, mindestens ein Therapeut Pflicht und der Auftrag, glücklich zu sein, ist omnipräsent. Nein, Maja, die kann doch nicht gestorben sein?

Ich vermisse Jonas. Ich vermisse Karl. Ich bin eifersüchtig auf Leonie. Ich bin eifersüchtig auf jeden Gegenstand mit einem weiblichen Artikel. Die Marmelade. Die Tür. Alles Schlampen. Meine Mutter sagt, was man liebt, muss man ziehen lassen. Also habe ich den Kontakt zu ihr abgebrochen.

 

Was Sie versäumen, wenn Sie den Roman nicht lesen: Witz, Humor, Szenen, die Sie aus dem Alltag kennen, Wut, Aufbäumen, das Sezieren von vordergründigen Behaglichkeiten, das Scheitern der Monogamie und der Polygamie, das Scheitern an sich, Reflexion über Mittel- und Unterschicht sowie übers Unterhaltungsfernsehen, eine wunderschöne Freundschaftsgeschichte, den Ausbruch aus der Provinz, lange Lieben und kurze Abenteuer.

 

Die Autorin, 1992 in Berlin geboren, lebt in Berlin und Grassau, sie ist seit 2015 Redakteurin im Feuilleton der Welt. – Mehr von ihr unter www.sudelheft.de

 

 

Ronja von Rönne:

Wir kommen.

Roman.

Berlin: Aufbau Verlag 2016.

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  • Veröffentlicht: 25.05.2016
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