Klicken, posten, liken: Die meisten von uns hinterlassen täglich unzählige Daten im Internet. Doch was passiert nach unserem Ableben mit all den Profilen, Accounts und Abos? Lena Mileder, Trauerrednerin und Expertin für digitales Erbe, klärt auf.
„Mit dem Internet ist der Tod um eine Facette reicher geworden“, sagt Lena Mileder. Seit zwei Jahren arbeitet sie als selbstständige Trauerrednerin, zuvor war sie 15 Jahre lang als Marketing- und Eventmanagerin tätig. „Mir fehlte die Empathie und Wertschätzung im Business. Was man heute erreicht, zählt morgen nicht mehr.“ Auf der Suche nach einer neuen Aufgabe stieß sie auf die Ausbildung zur „beruflichen Trauerrednerin“. „In der Beschreibung stand, man müsse empathisch sein, viel Erfahrung im Schreiben und Sprechen mitbringen. Das war genau meins.“
In ihrem jetzigen Job fühlt sich die Grazerin angekommen. Mileder gestaltet gemeinsam mit Hinterbliebenen würdevolle Abschiede, schreibt Charakterreden über Verstorbene – und berät beim digitalen Nachlass. „Die meisten haben in einem klassischen Testament ihr Erbe geregelt. Die wenigsten bedenken, dass wir auch im Netz und digital sehr viel von uns hinterlassen“, erklärt die Expertin, „Wenn die Angehörigen keinen Zugang zu Fotos, Apps und Social Media haben, fühlen sie sich schnell ohnmächtig.“
Alle Passwörter sammeln
Meist gibt es von uns mehr Daten im Internet, auf Laptops, PCs, Smartphones, Tablets und Cloudspeichern, als wir glauben: E-Mails, digitale Adressbücher, Social Media, Streamingdienste, E-Books, Abos, Smartwatches, Smarthomes … Die Liste ist oft ziemlich lang. Daher Mileders Rat: eine Bestandsaufnahme machen. „Am besten schreibt man im Alltag mit, auf welchen Plattformen man überall registriert ist – um dann auszusortieren, welche Konten davon wirklich relevant sind.“
„Ohne Zugangsdaten sind einem hier meist die Hände gebunden.“
Vor allem bei Kryptowährungen seien Hinterbliebene schon oft um große Mengen Geld gekommen, so die Expertin. Denn auch hier sind immer öfter nennenswerte Vermögenswerte vorhanden. „Ohne Zugangsdaten sind einem hier meist die Hände gebunden“, weiß Mileder. Auch bei vielen anderen Plattformen kann man wegen der Datenschutzbestimmungen ohne Kennwort nur eingeschränkt oder gar nicht tätig werden. Was viele nicht wissen: „Beispielsweise kann Apple aufgrund der Verschlüsselung der eigenen Geräte keine Daten herausgeben. Sollte das Tablet oder Smartphone gesperrt sein, kann auch der weltweit tätige Konzern nicht ohne Weiteres den Zugriff ermöglichen“, erklärt Mileder und weist außerdem darauf hin, nicht auf den Zugang zum Handy zu vergessen – auch wegen der immer stärker verbreiteten Zwei-Faktor-Authentifizierung. „Also, Achtung bei einer voreiligen Kündigung des Vertrags beim Mobilfunkanbieter und unbedingt an die Hinterlegung des Entsperrcodes denken!“
Daten bei NotarInnen hinterlegen
Im nächsten Schritt empfiehlt es sich, einen Passwort-Safe anzulegen. Wichtig: Er sollte auf allen Geräten – Laptop sowie auch Handy – funktionieren. Für die Kennwortverwaltung gibt es eigene Programme, wie etwa Keepass. „Das Masterpasswort, mit dem man auf alle anderen Kennwörter zugreifen kann, sollte man in einem Dokument beim Notar hinterlegen. Am besten auch mit Infos, was mit den jeweiligen Konten nach meinem Ableben passieren soll“, so Mileder. Dringender Nachsatz der Expertin: „Bitte hinterlegen Sie keine Daten bei Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin, ganz gleich, wie groß die Liebe auch sein mag.“
Ein weiterer Tipp: „Bereits bestehende Nachlassverwaltungsoptionen der Onlinedienste aktiv nutzen. Jeder Anbieter jedes einzelnen Onlinedienstes ist unterschiedlich fortschrittlich bei der Nachlassverwaltung des digitalen Erbes und deren Möglichkeiten für ihre Nutzer. Google ermöglicht mit dem ‚Kontoinaktivität-Manager‘ bereits eine recht umfangreiche Möglichkeit, das Konto und die Daten selbstbestimmt bis über den Tod hinaus zu verwalten. Facebook ist hier ebenfalls etwas weiter als andere Anbieter. Durch die bereits seit Jahren bestehende Möglichkeit, einen Nachlasskontakt zu hinterlegen, ermögliche ich es meinen Angehörigen, im Falle meines Ablebens das Konto in den Gedenkzustand zu versetzen. Eine Anmeldung bei diesem Konto ist dann nicht mehr möglich und somit vor Missbrauch geschützt. Der Nachlasskontakt kann das Konto jedoch noch eingeschränkt verwalten.“
Das bisschen Facebook …
„Dann gibt’s halt ein paar Fotos von mir auf Social Media, wenn ich tot bin“, hört man in Debatten um den digitalen Nachlass immer wieder. Auch Mileder findet: „Wer tatsächlich nur ein bisschen auf Facebook oder Instagram unterwegs ist, muss sich tatsächlich keine allzu großen Gedanken machen. Das muss man keinesfalls künstlich aufbauschen.“ Aber: Die emotionale Wirkung, die so ein Profil mit sich bringt, wird oft unterschätzt. „Wenn zum Geburtstag des Verstorbenen etwa plötzlich Leute Glückwünsche posten, macht das häufig was mit den Hinterbliebenen.“ Auch wenn Bilder in Cloudspeichern verloren gehen, schmerzt das die nächsten Angehörigen. „Und wenn ich schon so vorausschauend bin und ein Testament mache, kann ich mir die Frage stellen: Wieso nicht auch meinen digitalen Nachlass regeln?“
Heikles für sich behalten
Manchmal will man nicht, dass alle Daten für Hinterbliebene zugänglich sein sollen. „Dann ist es umso wichtiger, den letzten digitalen Willen rechtzeitig zu verfassen“, sagt Mileder. „Hier sollte man sich die Frage stellen: Welche Daten sollen ungesehen vernichtet werden, und welche Daten könnten die Privatsphäre anderer verletzen?“
Im Nachhinein schwieriger
Und was kann man tun, wenn der/die Verstorbene den digitalen Nachlass vor dem Ableben nicht geregelt hat? „Einiges lässt sich natürlich auch im Nachhinein klären“, weiß Mileder aus Erfahrung, „es ist allerdings mit sehr viel Zeit, Energie, Nerven und Diskussionen verbunden. Vielfach ist man einfach auch auf das Verständnis der Plattformbetreiber angewiesen. Bei den meisten ist es eine riesige Herausforderung, überhaupt mal jemanden zu erreichen.“ Häufig geht es dabei aber nicht darum, Zugang zu den Profilen zu bekommen, sondern oft ist das Löschen die einzige Möglichkeit.
Manchmal weiß man sich jedoch auch gar nicht zu helfen – etwa beim bereits erwähnten Zugriff auf Krypto-Konten. Daher auch Mileders Motivation: „Ich möchte möglichst viel an Aufklärungsarbeit leisten, damit Hinterbliebene sich um das kümmern können, was wirklich zählt: ihre Gefühle und Erinnerungen.“