Klug und witzig entlarvt die schwedische Zeichnerin und Feministin Liv Strömquist in ihren Comics das Konzept der romantischen Liebe als Humbug und scheut sich auch nicht, Aufklärerisches über Vulva, Vagina und Menstruation zu zeichnen. Ein Porträt.
Wenn man einmal angefangen hat, darauf zu achten, hört man nicht mehr auf, es zu bemerken. So wie Liv Strömquist. Wie kommt es, fragte sich die schwedische Comic-Zeichnerin, dass die berühmtesten und bestbezahlten Fernseh-Comedians – Männer wie Charlie Sheen aus „Two and a half men“ oder Tim Allen aus „Hör mal, wer da hämmert“ – Abermillionen damit verdienen, vor allem flaue Witze auf Kosten ihrer Mütter, Frauen oder Freundinnen zu machen? „Das zentrale Thema ihrer Fernsehserien ist nämlich, dass Frauen ihre Nähe suchen … und dass sie davon echt genervt sind“, so Strömquist. Oder nehmen wir eins der berühmtesten Paare der TV-Serien-Geschichte: Carrie und Mr. Big aus „Sex and the City“, deren Beziehungs-Hin-und-Her über viele Jahre und Staffeln davon lebte, dass der unnahbare Mr. Big sich nicht und nicht auf die von Carrie angestrebte feste Bindung einlassen wollte, umgekehrt Carrie aber stets aufs Neue anfütterte, wenn sie sich desillusioniert von ihm abwenden wollte.
Wie kann es sein, dass eine so offenkundig unausgewogene Beziehungsdynamik für die meisten Lacher, den größten Erfolg und das hingerissenste Publikum sorgt, unter Männern wie unter Frauen? Und vor allem: Warum fühlen sich Frauen überhaupt von Männern angezogen, die sie emotional dauerhaft auf Abstand halten?
Dass viele von uns solche äußerst seltsamen „Beziehungs-Gemengelagen“ als Mainstream begreifen, ist das Thema von Liv Strömquists neuem Comicbuch „Der Ursprung der Liebe“. Die 40-Jährige behandelt ihr Sujet klug, gut gelaunt, einfallsreich und extrem witzig. Sie entzündet ein wahres Ideen-Feuerwerk über und in den Köpfen ihrer LeserInnen. Nicht umsonst nannte eine schwedische Zeitung Liv Strömquist „Sexualaufklärerin, Ideenhistorikerin, Normkritikerin und Kulturvermittlerin“ in einer Person, die es vor allem darauf anlegt, bestehende Machtverhältnisse zu durchleuchten. Es ist, als ob die Strukturen von modernen Paar- und Liebesbeziehungen, in denen es zwischen den Geschlechtern durchaus nicht immer so auf Augenhöhe zugeht, wie wir alle gerne glauben möchten, von Liv Strömquists Schreib- und Zeichenfeder beschrieben, erst richtig gut sichtbar werden würden.
FRAUEN UND MÄNNER
Strömquist ist eine Frau mit deutlich sichtbarer politischer Haltung. Dem klassischen Konzept von Familie und Beziehung steht sie ziemlich skeptisch gegenüber, weil es – so die psychoanalytischen Theorien, auf die sie sich beruft – zur Aufspaltung in männliche und weibliche Realitäten führe und dabei zwei unterschiedliche Arten von Narzissmus hervorbringt, die einander auf ungesunde Weise zum Überleben bräuchten – noch dazu zu beiderseitigem Nachteil: Frauen kommen dabei oft zu kurz, während Männer sich nicht zu emotional reifen Erwachsenen entwickeln können. Wer Strömquists in Comicform gegossenen Miniaturgeschichten und Beobachtungen dazu folgt, erkennt darin mehr als einmal vertraute Muster. Zugleich geraten durch ihre ironische Comic-Bearbeitung etablierte Vorstellungen von Liebe, Beziehung, Männlichkeit und Weiblichkeit gehörig ins Wanken.
FEMINISTISCHE BRILLE
Es ist diese Perspektivenverschiebung, die Strömquists großen Show-Effekt ausmacht. Was die Schwedin selbst mit ihren Comics erreichen möchte, formuliert sie in ganz schlichten Worten: „Ich freue mich, wenn die Leute sie lesen, wenn sie dabei lachen und etwas fühlen, woran sie anknüpfen können“, sagt sie.
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Mit ihren Comics bringt Strömquist die etablierten Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit gehörig ins Wanken.
Die vergnügte Eiskunstläuferin mit Blutfleck auf der Unterhose ist eines der Motive in Liv Strömquists Buch „Der Ursprung der Welt“, das zum entspannten Umgang mit dem eigenen Körper ermutigt.
Liv Strömquist: Der Ursprung der Welt.
Avant-Verlag, 20,60 Euro.
Liv Strömquist: Der Ursprung der Liebe.
Avant-Verlag, 20,60 Euro.
Erschienen in „Welt der Frauen“ 12/18