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09/24

Die Frauenmuseums-Frauen

Die Frauenmuseums-Frauen

Hier zeigt sich, was weltweit Sache ist: Das Netzwerk 
der Frauenmuseen macht sichtbar, was Frauen für die Geschichte und Kultur ihrer Heimatländer immer schon getan haben.

Die Präsidentin kommt aus Norwegen, die Vizepräsidentin aus Kanada, der weitere Vorstand setzt sich zusammen aus Expertinnen aus den USA, aus Costa Rica, Korea, Italien und Deutschland. Man trifft sich zum regelmäßigen Austausch auf Konferenzen, alle paar Monate tagt man via Onlineschaltung. Es ist geballte Frauenpower aus allen Teilen der Welt, die sich für eine gemeinsame Sache zusammengetan hat: das internationale Netzwerk der Frauenmuseen „International Association of Women’s Museums“ (IAWM). 69 solcher Museen gibt es auf der ganzen Welt, eines davon auch in Österreich, im vorarlbergischen Hittisau.

FEMINISMUS VON GESTERN?
Astrid Schönweger zieht von Meran aus als Koordinatorin die Fäden. Die Aufgabe, der man sich gemeinsam stellt, sei, die Sichtbarkeit von Frauenkultur und Frauengeschichte zu fördern und ein Bewusstsein für Frauenfragen zu schärfen. All das geschieht mit Ausstellungen, Kulturvermittlung etwa auch für Kinder und Jugendliche und netzwerkübergreifenden Beiträgen. „Jedes einzelne Frauenmuseum leistet so einen Beitrag zu einer geschlechtergerechten Gesellschaft. Das Netzwerk ist dabei eine wirkliche Stütze, die Kraft gibt. Denn wir werden oft genug – auch von Frauen – mit dem Vorwurf konfrontiert, wir würden Feminismus von gestern betreiben. Dabei ist doch genau das Gegenteil der Fall“, bekräftigt Schönweger. Sie ist begeistert von der Idee der Frauenmuseen und war 2008 eine der Gründerinnen des Netzwerks in Meran. Sie koordiniert die gemeinsamen Projekte und berichtet unter anderem über die weltweiten Aktivitäten via Website und Newsletter. Weiterlesen in der Printausgabe…

„Da eröffnet sich eine reiche Welt“

Stefania Pitscheider-Soraperra ist Direktorin des einzigen österreichischen Frauenmuseums in Hittisau. Sie hat ein klares Ziel: das Bewusstsein von Frauen und Männern für die Geschichte und Gestaltbarkeit von Geschlechterrollen zu schärfen.

Ein Frauenmuseum – warum ist das wichtig?
Stefania Pitscheider-Soraperra: Unter anderem deshalb, weil die traditionelle Geschichtsschreibung fast durchgehend aus einem männlichen Blickwinkel heraus entstanden ist. Große Männer, große Schlachten, große Taten. Alltags- und Frauengeschichte hatten da kaum Platz. Wir widmen uns daher bewusst der Aufgabe, Kultur von Frauen und das Wirken von Frauen in der Geschichte aufzuarbeiten, zu sammeln, zu vermitteln. Es ist eine sehr reiche und aufregende Welt, die sich da eröffnet, denn es gab zu jeder Zeit Frauen, die gestaltet haben, die Teilhabe eingefordert haben, die die Gesellschaft entscheidend geprägt haben.

Was ist das Besondere an Ihrem Museum?
Unsere Kulturvermittlerinnen. Denn eine Frage, die uns ganz zentral beschäftigt, ist: Wer ist ermächtigt, im und für das Museum zu sprechen? Wir haben zwanzig Kulturvermittlerinnen, unsere jüngste ist 15, unsere älteste 87. Im Team gibt es zum Beispiel eine Altenpflegerin, zwei Schülerinnen, eine Kindergartenpädagogin, eine Künstlerin, eine Gender-Studies-Absolventin, eine Architektin, eine Bäuerin, eine Grafikerin aus Hittisau und eine, die aus Damaskus stammt. Einzige Voraussetzung für den „Job“ ist die intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten des Museums.

Aktuell zeigen Sie die Baukunst der Maasai-Frauen. Warum sollte man sich das unbedingt ansehen?
Bei den Maasai sind Frauen alleine für den Bau und den Erhalt der traditionellen Hütten, „Enkaji“ genannt, verantwortlich. Die Ausstellung präsentiert zehn Baumeisterinnen aus Ololosokwan, einem Dorf in Tansania. Sie erzählt deren Lebensgeschichten und zeigt die von ihnen erbauten Gebäude. Das Leben und Bauen der Maasai-Frauen ist ja wenig bekannt und wurde von Cornelia Faißt, selbst Baumeisterin und Architektin, über drei Jahre erforscht.

Stefania Pitscheider Soraperra

Die Kunst- und Architekturhistorikern Stefania Pitscheider-Soraperra leitet das Frauenmuseum Hittisau. Im Juni wurde das Museum mit dem Österreichischen Museumspreis 2017 ausgezeichnet.

Von Alice Springs bis Hittisau

Die Schauplätze der Frauenmuseen – ein kleiner Auszug

New York, USA:
Museum of Women’s Resistance – „Edith Savage Jennings Legacy Museum“
Schwerpunkt: Förderung transnationaler weiblicher sowie schwarzer feministischer Geschichten und Traditionen.
www.museumofwomensresistance.org

NY AFRICA Spots Around Eyes Face Paint

Mexiko-Stadt, Mexiko:
Museo de la Mujer
Schwerpunkt: die Aufarbeitung und das Sichtbarmachen des historischen Beitrags von Mexikos Frauen zum Aufbau der Nation bis in die Gegenwart. www.museodelamujer.org.mx

 

Mexico Exhibition View

Costa Rica:
Museo de las Mujeres
Schwerpunkt: virtuelles Museum für zeitgenössische Kunst von Frauen aus Lateinamerika. Beforscht werden auch weibliche Positionen aus Geschichte und Kultur.
http://museodelasmujeres.co.cr

Meran, Italien:
Museo delle Donne
Schwerpunkt: Sensibilisierung für Frauengeschichte und die Diskussion von aktuellen Themen sowie der Chancengleichheit.
www.museia.it

Frauenmuseum Meran

Tokio, Japan:
Women’s Active Museum on War and Peace
Schwerpunkt: Aufarbeiten und Bewusstmachen der Gewalt und Sexsklaverei an japanischen Frauen während des Zweiten Weltkriegs.
http://wam-peace.org

Japan Exhibition

Hittisau, Österreich:
Frauenmuseum Hittisau
Schwerpunkt: frauenrelevante internationale Themen aus den Bereichen Sozial- und Kulturgeschichte, Kunst, Architektur und Geschichte.
www.frauenmuseum.at

Frauenmuseum Außenansicht HITTISAU

Alice Springs, Australien:
National Pioneer Women’s Hall of Fame Inc.
Schwerpunkt: die Geschichte australischer Pionierinnen und ihr maßgeblicher Beitrag zur Entwicklung des Landes.
www.pioneerwomen.com.au

Australia Exhibition

Senegal, Dakar:
Musée de la Femme senegalaise „Henriette Bathily“
Schwerpunkt: die Rolle der senegalesischen Frauen in der Gemeinschaft, das Bewahren und Fördern von Ritualen und Volkskunst.
http://mufem.org

Senegal Entrance

Weltweit gibt es 69 Frauenmuseen, davon fünf in Afrika, zwölf in Asien, vier in Australien, 20 in Europa, 26 in Nordamerika und Kanada und zwei in Südamerika.

Erschienen in „Welt der Frau“ 0708/17

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  • Veröffentlicht: 14.08.2017
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