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03/24

Das Salz zwischen zwei Finger nehmen

Das Salz zwischen zwei Finger nehmen

Das wäre ein wunderschöner Romantitel, das gäbe Stoff gleich für mehrere Romane, würde man die Spur des Salzes und die der „Salzmacher“ ernsthaft aufnehmen. Der vor mir liegende gewichtige Band erzählt vom Salzmachen in der globalisierten Welt: Ein Forschungsprojekt hebt hier die Traditionen, erzählt von Menschen und den von ihnen geformten Landschaften. Wer diesen Band durchblättert, wird, selbst in schwerster Verliebtheit, den Wert des Salzes, des handgemachten Salzes, nie mehr vergessen.

Mit hochwertigem traditionellem Salz lässt sich die eigene Küche, also nicht das Inventar, sondern das, was in unseren Töpfen ist, verfeinern. Traditionelle Salze halten viele Mineralien und keine Zusätze. Das Salz der Erde wird hier in stimmungsvollen Fotografien und salzverliebten Sachtexten gefunden, für uns als Betrachter- und LeserInnen gehoben: Noch nie las ich vom Dampf der simmernden Sole, selten sah ich schönere Fotografien.

Mikel Landa und Luke Duggleby ziehen ihr Projekt groß auf, indem sie auf kleine Salinen achten: Sie dokumentieren hier artisanale Produktionsweisen, zeigen Menschen, vor allem Frauen, bei der mühsamen und achtsamen Arbeit der Salzmachens. Ja, da arbeitet eine Indonesierin, die dreimal in der Woche mit gefalteten Palmblättern Meerwasser verteilt: Sie wird nur wenige Gramm nach einer Woche „sammeln“ können, doch anmutig, sich ihrer Mühe durchaus bewusst, arbeitet nicht allein diese beispielgebende Frau als Salzmacherin.

Ein weiteres großformatiges Salz-Mensch-Porträt erzählt von einem Salzwerker, der mit seinem dantaro, einem langen Rechen, die jungen Salzkristalle bewegt: Junge Salzkristalle, das möge bitte als Poesie gewertet werden, ist ein Zitat aus dem Bildtext und soll verdeutlichen, dass es den Herausgebern wirklich um die Sache geht – von Kostbarem lässt sich wohl in keiner besseren Form sprechen.

Wer Salz besaß, besitzt hat Macht und Reichtum; Handelswege und Dynastien begründeten sich im Salzbesitz, ebenso zahlreiche Kriege. Von der Massenproduktion des Salzes sind alle hier gezeigten Modelle und Methoden weit entfernt: Daher lesen wir zudem auch die Geschichte der traditionellen Salzherstellung.

Niemand der Bewohner von Bo Kluea weiß, wann das Salzsieden hier begonnen hat; es heißt, es seien viele hundert Jahre. Die Ältesten im Dorf wissen, dass das Salzkochen schon immer einem uralten buddhistischen Brauch zufolge in der Zeit exakt zwischen dem 27. Juli und dem 25. Oktober eines Jahres unterbrochen gewesen sei. Die Ruhephase entspricht in etwa der Regenzeit.

 

Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Buch nicht lesen: Gelassenheit, Wissen, Erkennen alter Salzgewinnungstechniken, Weltkulturerbe-Schauen, Menschen, die mit einfachen Vorrichtungen und großer Geduld als Salzmacher arbeiten.

 

Der baskische Architekt Mikel Landa und der britische Fotograf Luge Duggleby sind mehrere Jahre zusammen gereist, haben wohl die üblichen Reiserouten kaum gesehen, haben Salz und Menschen und Kultur gefunden, fotografiert und porträtiert. Sie haben uns klüger und mit jeder Seite des Buches achtsamer mit unserer Zeit, mit Rohstoffen und mit dem Leben an sich gemacht.

 

 

Mikel Landa, Luke Duggleby:

Salz der Erde.

Mare Verlag, Hamburg 2015.

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  • Veröffentlicht: 11.01.2016
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