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09/24

Das Leben ist keine Powerpoint-Präsentation

Das Leben ist keine Powerpoint-Präsentation

Die drei Heldinnen, die sich im Cafe Sette Fontane treffen, verfügen über besondere Fähigkeiten. Ja, sie sind meistens auch hungrig, grantig auch, aber das sind nicht die Fähigkeiten, die hier gemeint sind. Gefühlsmäßig schielen sie vorerst nach der bürgerlichen Mittelschicht, während sie sich gerade so über Wasser halten, aber gutes Deutsch sprechen. Die drei wahren die Contenance, mehr oder weniger zumindestens. Doch zurück zu den Fähigkeiten: Ja, da können ein Säufer-Mann und ein Säufer-Sohn einer braven Schirmmacherin schon so nebenbei beseitigt werden, besondere Fähigkeiten halt, wie das so bei Superheldinnen Standard ist. Weiter geht es zu den so genannten Freunden und Freundinnen aus der Kulturszene, die immer grauer werden, da ja auch die Nächte immer kürzer und die Gespräche immer öder zu sein scheinen. Drei Frauen also: Mascha, sattelfest im Sozialbereich und in Magie; die Ich-Erzählerin, Maschas erste Partnerin, „enttäuscht vom Leben, mit einem dehnbaren Gewissen“, zuletzt kam die Direktorka zur Gruppe. Mist, Misstrauen und Taubenscheiße verfolgt die Heldinnen in Wien, Berlin, Belgrad und Sarjevo, wo sie der Unbarmherzigkeit der Welt zu trotzen gewillt waren und sind. Im Sette Fontane trinken sie Kaffee, der Kellner bringt immer auch drei Gläser mit Wasser für sie: Wir essen zu Hause, so die Devise des Trios. An einem Abend richten sie ihre Gedanken auf Alfred, der nach 20 Jahren mit 54 seine Arbeit verloren hat. Zu dritt verfassen sie die Kolumne im Astroblick, eigentlich sind sie im Schnitt 33 Jahre alt, kennen bessere Tage als die im Sette Fontane.

Berlin dann, die Sätze werden Kürzer, ein Aufenthalt in 59 Punkten aufgeschrieben, man nehme eine Gitarre und singe diese Gedanken. Oder doch nicht? Auch sonst spielt die Autorin mit Verfremdung, mit frechem Brechen, nein nicht Erbrechen, das hatten wir ja schon vorher bei der Taube! Was ist ein Whopper, warum Europreise mitten im Text? Doch beim zweiten Mal Lesen geht es gut, die Stimmung am Alexanderplatz, die zwei Burschen, die ihre Lieblingshamburger kauen, in Angriff nehmen sozusagen. Doch dann kommt der Casino-Gewinn, der die vererbte Last aus den Geburtsstädten abfallen lässt: Man geht shoppen, Masha hat die Haare getönt, das Ziegenmilchjoghurt kommt auch in das Einkaufswagerl. Kleider, Cremes und Käse schleppen die Heldinnen, aber eine von ihnen riecht ein ganz klein wenig nach Schweiß. Die Ich-Erzählerin bemerkt es und hofft, dass sie es nicht ist.

Das heimische Proletariat hatte naturgemäß nur Verachtung für uns übrig. Es war klar, dass diejenigen, die wenig hatten, Angst vor jenen hatten, die wenig zu verlieren hatten. Auf mein nachdrückliches Drängen halfen wir damals der Regenschirmverkäuferin Hannelore Ochs in der Arbeitergasse, obwohl sie uns einige Monate zuvor ausgenützt und reingelegt hatte.

Es wäre fast billig, jetzt vom frechen Erzählton zu faseln. Denn frech ist zu wenig, lakonisch trifft es besser, da passt auch das rotzige Kind, das so manche Entscheidung trifft, besser dazu. Verzweiflung, Langeweile, Rückblicke – etwa in Richtung Rabija, die nach einem Sturz in einen Kanalschacht stark verändert lange Spaziergänge macht, die alle mit den ersten zwanzig Schritten begannen.

 

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Roman nicht lesen: ein schmieriges Cafe namens Sette Fontane, innere Monologe, die man so schnell nicht vergisst, vielleicht, weil sie so atemlos Alltag beschreiben, Mistkübel, die reden, Einkaufswagerl, die auch reden, Schweinsbraten ohne Knochen und sogar auch noch backrohrfertig, drei Heldinnen, keine Vorstadtweiber, die aus Hauptstädten ärmerer benachbarter Länder nach Wien gezogen sind, irre Dialoge, wahnsinnig machende Monologe, aber das schrieb ich ja schon in der zweiten Zeile.

 

Barbi Markovic, 1980 in Belgrad geboren, studierte Germanistik in ihrer Heimatstadt sowie in Wien, wo sie seit 2006 lebt. 2011/2012 war Markovic Stadtschreiberin in Graz; sie schreibt Kurzgeschichten, Hörspiele und Theaterstücke; den vorliegenden Roman hat sie teilweise auf Deutsch und Serbisch verfasst.

 

 

Barbi Markovic:

Superheldinnen.

Roman.

Mit Übersetzungen von Mascha Dabic.

Wien u. a.: Residenz Verlag 2016.

 

 

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  • Veröffentlicht: 20.04.2016
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