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03/24

Das echte Leben ist kostbar

Das echte Leben ist kostbar

Eva Rossmann sagt und schreibt, was Sache ist. Der aktuelle Kriminalroman mit ihrer genialen Ermittlerin, der Journalistin Mira Valensky und deren Freundin Vesna Krajner, liest sich wie die Fortsetzung der aktuellen Meldungen aus den Tageszeitungen: Fake News, Anpatzen von integeren Menschen, Meinungsmache, smarte Weltretter in Slimfit-Anzügen in einer Welt, die nur eine Ethik kennt: Eine Hand wäscht die andere.

Wären da nicht die delikaten Gerichte, die Mira ihrem Liebsten Oskar und ihren handverlesenen Gästen kredenzt, man würde von heftiger Übelkeit befallen angesichts dieser sehr realen Zustände. Auch die Leitung im „Magazin“ macht jetzt auf gefällig, Mira überlegt etwa auf jeder zehnten Seite, diesen Job hinzuschmeißen und etwas ganz anderes zu machen. Wir sind mit Mira und Vesna ja ganz schön in die Jahre gekommen und wissen genau, wie sich unsere Heldin fühlt: wütend, erschöpft, dann wieder bereit, wie immer die Ärmel raufzukrempeln und sich nicht entmutigen zu lassen. Prost!

Ja, es ist wieder etwas passiert: Carlo Neuhaus, Importeur italienischer Spezialitäten unter dem Firmennamen Loco, ist ermordet worden. Na ja, anfangs tippen Schmuddelquellen im Internet ja sofort auf Selbstmord. Social-Media unterstellt ihm, mit seinen Importgeschäften einfach seine illegalen Schlepper-Aktionen von Geflüchteten getarnt zu haben. Und endlich, endlich fanden die Social-Media-Hetzer heraus, dass Carlos IT-Experte früher politisch aktiv, also fast ein Terrorist gewesen ist. Die Hetze nimmt Fahrt auf: „Drogenkarriere von Carlo Neuhaus, Schlepperkarriere, Fehden im Drogenmilieu!“

„Ich arbeite seit zwanzig Jahren fürs „Magazin“. Ich habe dem Blatt einige seiner besten Geschichten geliefert. Es gibt Leute, die kaufen es nur, weil ich da schreibe. Sagen sie zumindest. Trotzdem. Zillinger würde sich freuen, wenn ich geh. Eben. Er würde sich freuen. Ich sollte ihm die Freude nicht machen. (S. 19)“

Mira hat soeben ein wirklich inspirierendes Interview mit einer 90-jährigen Schauspielerin geführt, die hat Hirn und Herz am rechten – nein, nicht an diesem rechten – Fleck! Genau eine Woche vor Carlos Tod hat Mira ihn interviewt, keine Spur von Lebensüberdruss, egal, was seine Frau Carina da in den Medien zu plappern weiß. „Wir kaufen nicht bei Schleppern!“ – im Netz läuft noch immer die Hetze gegen Carlo und richtig, das ist ident mit „Wir kaufen nicht bei Juden!“ Und, richtig, die Initiatoren dieser Kampagne hatten wirklich keine Ahnung, dass ihr Post Nazi-Parolen wieder belebt. Ein Einzelfall sozusagen!

Dass dieser Fall zwischen Wien und dem Rest der Welt, ganz konkret auch in Italien, seiner Lösung entgegentreibt, ist klar: Vesna, Mira, der alte Redaktionskollege Droch und der noch aus den früheren Romanen vertraute Zuckerbrot, Leiter der Gruppe Leib und Leben, der Wiener Mordkommission ermitteln im Flüchtlingslager, scheuen keine Mühen und ignorieren alle Gefahren.

Spannung gemixt mit Tagespolitik, klare Standpunkte der handelnden Personen, viel Humor und sackweise Seitenhiebe auf handelnde Personen und beliebte Journale des echten Lebens: Ein Lesegenuss, eine Freude, mit diesen alten Bekannten wieder am Tisch zu sitzen und zu wissen, dass es die Guten schon noch gibt.

„Da ist eine neue Meldung. Von der Pressestelle des Zukunfts- und Heimatschutzministeriums. Man verlangt die Aufklärung von Cyberattacken. Gerüchten, dass eine neue radikal-islamistische Mafia die Gutgläubigkeit von Menschen in humanitären Organisationen und in Medien unterwandert hat, wird penibel nachgegangen. (S. 301)“

Wie im echten Leben.

 

Die Autorin ist Verfassungsjuristin, politische Journalistin, Kolumnistin – u. a. in den Salzburger Nachrichten – freie Autorin, ausgebildete Köchin und eine kräftige Stimme des Anstands und Widerstands gegen Korruption, Ausgrenzung und Nationalismus in Österreich.

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Roman nicht lesen: no na net, Spannung, Bestätigung aller Meldungen über „fake news“, Lust auf Essen, Ekel vor den Machenschaften der Verleumder, überhaupt Ekel vor den Anpatzereien, die Menschen Menschen zufügen, richtig Lust zu bekommen, für Gerechtigkeit zu sorgen, jetzt, sofort, nach der letzten Seite.

Eva Rossmann:
Im Netz.
Ein Mira-Valensky-Krimi.

Wien – Bozen: Folio Verlag 2018.
308 Seiten.

Christina Repolust

wurde 1958 in Lienz/Osttirol geboren. Sie schloss das Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg ab. Seit 1992 ist sie Leiterin des Referats für Bibliotheken und Leseförderung der Erzdiözese Salzburg und unterrichtet nebenbei Deutsch als Fremdsprache. Zudem leitet sie Literaturkreise und Schreibwerkstätten für Groß und Klein. Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.“

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  • Veröffentlicht: 29.08.2018
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