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03/24

Darf’s auch eine Frau sein?

Darf’s auch eine Frau sein?

Die österreichische Sozialdemokratie hat eine neue Vorsitzende gewählt. Viele meinen, Pamela Rendi-Wagner habe den Posten nur bekommen, weil kein Mann den Job wollte. Na und?

Es ist so althergebracht wie wahr, dass Frauen in der Politik in Spitzenpositionen meist dann zum Zug kommen, wenn der Ehrgeiz von Männern erlahmt. Beispielsweise weil ein Job so unattraktiv geworden ist, dass ein Scheitern vorgezeichnet ist und daher die eigene Reputation und die Chancen auf Karriere in der Zukunft vermasselt sind. Disqualifiziert das nun Frauen als besonders naiv, weil sie nicht wissen, was sie sich antun? Sitzen sie einem Helfersyndrom auf? Oder soll man meinen, dass sie sich gerne überschätzen und aus purer Karriereversessenheit ins offene Messer der Niederlage laufen? Ich finde diese Einschätzungen befremdlich. Kommt jemand auch auf die Idee, dass eine Frau eine politische Aufgabe übernimmt, weil sie gestalten möchte?

Pamela Rendi-Wagner könnte zur Parteiführung Ja gesagt haben, weil sie meint, in Österreich sei ein Gegengewicht zur Regierungspolitik notwendig. Oder weil sie überzeugt ist, dass die Werte der Sozialdemokratie wichtig für das demokratische Gefüge seien. Mag sein, dass sie die Steine auf dem Weg zur Erneuerung kleiner einschätzt, als sie am Ende sein werden. Aber ist das ein Grund, gar nicht erst loszugehen? Die Frage, ob jemand eine Aufgabe schafft oder nicht, stellt sich für Mann und Frau. Gerade Rendi-Wagners Vorgänger ist glorios gescheitert. Scheiterte er, weil er ein Mann ist? Eine unsinnige Frage ohne Chance auf eine erhellende Antwort.

Also lassen wir das Geschlecht doch lieber weg, wenn wir über politische Aufgaben reden? So einfach ist es vermutlich auch wieder nicht. Denn natürlich spielt in der öffentlichen Wahrnehmung und der Bewertung das Geschlecht eine zumindest unterschwellige Rolle, zumal in Österreich, wo man nicht gewöhnt ist, Frauen in politischen Spitzenpositionen zu sehen. Zumindest sind wir schon einen Schritt weiter, denn Frau Rendi-Wagner wird nicht mehr gefragt, wie sie den neuen Job mit der Verantwortung für ihre Kinder vereinbaren könne.

Sie ist nicht die erste Parteichefin in Österreich. Die Grünen haben mit Freda Meissner-Blau in den 1980er-Jahren damit begonnen, Heide Schmidt hat ihr eigenes Liberales Forum geführt, Maria Stern tut das bei der Liste Pilz und die NEOS haben mit Beate Meinl-Reisinger seit Kurzem auch eine Chefin.

Bei Pamela Rendi-Wagner wird angeführt, dass sie zwar gescheit und ambitioniert, aber zu wenig in den Machtstrukturen ihrer eigenen Partei verhaftet sei. Diesen Nachteil haben viele Frauen in unterschiedlichen politischen Ebenen. Er ist geschichtlich bedingt und wird sich durch den Zeitlauf verkleinern.

Die wirklich große Frage ist, welche politische Kultur die Menschen an der Spitze von Parteien pflegen. Sie stehen immer in der Spannung, für die eigene Partei die Zustimmung der WählerInnen gewinnen zu müssen und gleichzeitig als gestaltende Kraft die Interessen des Landes und möglichst aller Menschen in den Vordergrund zu stellen. Wer gedanklich weniger in der Logik eines Parteiapparates gefangen ist, kann womöglich das große Ganze leichter für wichtig nehmen. Hat das etwas mit dem Geschlecht zu tun? Höchstens am Rande, wenn die Verpflichtungen gegenüber der Partei mangels markanter Seilschaften weniger ausgeprägt sind.

In vielen Ländern der Welt kommen Frauen zum Zug, wenn die Situation verfahren ist. Keiner der Verursacher wollte den Brexit umsetzen. Theresa May versucht es. Nach Helmut Kohl, der seine Partei mit einer Spendenaffäre kompromittiert hatte, nahm Angela Merkel die Zügel in die Hand. Deutschland hat es nicht geschadet. Als Island im Strudel der Finanzkrise unterzugehen drohte, haben Frauen die Lage gerettet. Das Ergebnis zählt. Wenn jene, die zum Wohle der Allgemeinheit mehr zusammenbringen als jene, die vor allem ihr eigenes Ego oder das ihrer Partei bedienen, Frauen sind, dann ist nichts dagegen einzuwenden.

Christine Haiden findet, dass nicht das Geschlecht der PolitikerInnen zählt, sondern das Ergebnis ihrer Tätigkeit für die Allgemeinheit.

Frauen in der österreichischen Politik

Auch wenn vor 100 Jahren Frauen der Zugang zu allen politischen Ämtern mit dem allgemeinen und gleichen Wahlrecht geöffnet wurde, dauerte es lange, bis sich das in Österreich auch praktisch auswirkte. Schon im Ständestaat der 1930er-Jahre wurden Frauen wieder zurückgedrängt. Die Zeit des Nationalsozialismus war desaströs für alle demokratischen Strukturen und prägte ein sehr traditionelles Frauenbild. In der Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschaftsaufschwungs blieben die Geschlechterrollen klassisch getrennt. Erst ab den 1970er-Jahren, im Zuge der Zweiten Frauenbewegung, öffneten sich politische Strukturen in Österreich. Waltraud Klasnic war 1996 die erste Landeshauptfrau Österreichs. Die Spitzenämter der Republik, BundeskanzlerIn und PräsidentIn, blieben den Frauen bisher verschlossen. Von den fünf derzeit im Parlament vertretenen Parteien werden drei von einer Frau geleitet, die SPÖ von Pamela Rendi-Wagner, NEOS von Beate Meinl-Reisinger und die Liste Pilz von Maria Stern.

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  • Veröffentlicht: 01.11.2018
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