Unter dem Slogan #weare hat die österreichische Sängerin Virginia Ernst bereits vor fünf Jahren in Wien begonnen, starke Frauen und Stimmen anlässlich des Weltfrauentags auf der Bühne zu präsentieren. Für Oberösterreich organisieren nun die Poxrucker Sisters eine solche Veranstaltung, bei der endlich die sonst unterrepräsentierten Frauen alleine auf der Bühne stehen können. Bevor am 7. März starke Frauen und starke Stimmen im Brucknerhaus zu hören sind, traf „Welt der Frauen“ die Hauptorganisatorinnen zum Gespräch.
Wie kam es zu der Idee, ein Konzert mit einem reinen Frauen-Lineup zu veranstalten?
Virginia Ernst: Bei einem Promi-Eishockeyspiel 2022 in Linz, habe ich die Poxrucker Sisters eingeladen, dabei zu sein. Im Nachgang haben wir über unser Musikerinnen-Dasein und das Motto „we are“ (wir sind) gesprochen, und dass es wirklich cool wäre, einmal ein reines Frauenkonzert zu geben. Nur Musikerinnen auf der Bühne zu haben, war unser Ziel. Im Sommer begannen die Planungen und heute freuen wir uns schon auf den 7. März im Brucknerhaus Linz.
Woher kam der Antrieb, ein reines Frauenkonzert zu organisieren?
Stefanie Poxrucker: Für uns war es ein lang gehegter Wunsch. Es hat uns immer öfter gestört, dass sowohl Konzerte und Festivals als auch kleine Kulturreihen komplett ohne Frauenbeteiligung stattfinden. Uns fällt das seit vielen Jahren auf, dabei wäre die Vielfalt doch so wichtig.
Magdalena Poxrucker: Männer sind oftmals die Veranstalter und laden Männergruppen ein. Sie laden jene ein, die ohnehin schon bekannt sind. Diese sind aber auch deshalb so bekannt, weil sie auch im Radio mehr Airplay-Zeit, also Präsenz, haben. Wir wissen aus der Psychologie: Wer oft gehört wird, wird gemocht. Was wir mögen, davon wollen wir mehr. Ein Teufelskreis ist das.
Stefanie Poxrucker: Die billige Ausrede ist dann oft, dass man schließlich Stars braucht, die beim Publikum ziehen. Frauen ziehen auch, wenn sie die Möglichkeit dazu bekommen. Je weniger man Frauen zeigt, umso weniger werden sie im Kunstbereich auch gebucht.
Christina Poxrucker: Besonders nach der Coronapandemie ist es wieder deutlich spürbar, dass Frauen im Kunstbereich verstärkt verschwunden sind. Das hat natürlich viele Gründe, aber auch jenen, dass es schwerer ist, Fuß zu fassen.
Virginia Ernst, wie sehen Sie das?
Virginia Ernst: Lassen Sie mich ein Beispiel erzählen: Ich kenne die Poxrucker Sisters jetzt seit zehn Jahren. Wir waren gemeinsam beim Amadeus Music Award nominiert. Damals gab es noch eine reine Frauenkategorie, in der wir gemeinsam mit Conchita Wurst (Mann, der als weibliche Kunstfigur in der Musikbranche agiert) nominiert waren. Mittlerweile gibt es diese Rubrik „Künstlerin des Jahres“ gar nicht mehr, alle Kategorien sind nun wieder in männlicher Form angegeben.
Magdalena Poxrucker: Und in der Rubrik „Künstlerin des Jahres“ hat dann Conchita Wurst gewonnen.
Virginia Ernst: Als sie auf die Bühne kam, konnte sie selbst nicht verstehen, was passiert war und gab mit ihrem Gesichtsausdruck zu verstehen, dass diese Wahl nun seltsam ausfiel. Auch wenn wir ihre Leistung schätzen und jede Auszeichnung damals verdient war, war es nicht gerecht, einen Mann in einer einzigen Frauenkategorie gewinnen zu lassen. Im Jahr darauf gab es schließlich keine Frauenkategorie mehr.
Wie stellt sich dieses Bild in den Medien wie etwa Radio dar?
Stefanie Poxrucker: Wenn es um österreichische Musik geht, kann man in etwa beziffern, dass zehn Musikgruppen gespielt werden, dazu maximal ein oder zwei Frauengruppen.
Christina Poxrucker: Man könnte das Programm umstellen …
Magdalena Poxrucker: … und dann auch einmal nur Frauenmusik spielen. Es wäre kein Problem, es geht um den Willen, es zu tun.
Stefanie Poxrucker: Ich muss eine Lanze für Radio brechen: Wenn ich die Charts anschaue, dann kann ich sagen, dass in den Top 30 Österreichs sieben Frauengruppen vertreten waren, der Rest waren Männer. In den Airplaycharts, also jenen Charts, die die Auswahl der Musikredaktionen zeigen, waren zehn Frauengruppen vertreten, davon aber nur ein österreichischer Act. Anders sieht es bei den Regionalradios aus: Hier sind 15 Frauengruppen unter den Top 30. Dort gibt es scheinbar mehr Bewusstsein dafür. Aber man sieht an diesen Zahlen, welche Macht ein Medium hat und letztendlich auch die Plattenfirmen, die hinter den MusikerInnen stecken.
Wo herrschen heute noch Vorurteile gegenüber weiblichen Künstlerinnen vor? Gibt es noch Steine, die einem in den Weg gelegt werden?
Virginia Ernst: Wie lang haben wir Zeit?
Magdalena Poxrucker: Für uns ist gerade sehr präsent, dass wir beim Schreiben unseres neuen Songs mit Katharina Strasser schon in der Produktionsphase gehemmt reagiert haben, weil wir uns gefragt haben: „Darf man das als Frau überhaupt so deutlich oder vielleicht sogar derb singen?“
Christina Poxrucker: Dass STS „du Oasch“ singt, ist kein Problem. Ihr Song wird trotzdem im Regionalradio auf und ab gespielt.
Magdalena Poxrucker: Aber wir haben schon in der Phase des Textens von einigen Menschen den Rat bekommen, es nicht im Text zu verwenden. Man wird schon im kreativen Prozess von außen und auch von sich selbst beschränkt. Macht es einen Unterschied, ob eine Frau oder ein Mann das Wort „Oasch“ singt? Ein Mann ist dann cool, eine Frau derb.
Virginia Ernst: Menschen im Eventmanagement haben eine gewisse Vorstellung, wie eine Frau auf der Bühne zu sein hat. Schön, sexy, weiblich, die Männer anziehend – all diese Dinge. Sind diese Zeiten nicht längst vorbei? Das sind Hürden, die heute nicht mehr existieren sollten.
„Es bräuchte dringend Förderprogramme für Künstlerinnen im Kulturbetrieb.“
Wie verhält sich die Karriereplanung bei Frauen im Showgeschäft, die sich auch für Familie entscheiden?
Stefanie Poxrucker: Besonders im Kunstbereich, egal ob für Männer oder Frauen, ist unser Job nicht familienfreundlich. Ausfälle aufgrund der Schwangerschaft können Karrieren kosten. Musikerinnen überlegen sich genau, ob die Kinderplanung möglich ist.
Christina Poxrucker: Und es gelten die gleichen gesellschaftlichen Regeln: Sei eine Supermutter! Sei erfolgreich! Sei daheim am Wochenende, um keine Rabenmutter zu sein! Als Mutter weiß ich, dass kein Beruf der Welt die Beziehung zu meinem Kind schmälern könnte. Wichtig ist auch zu sagen, dass alle Kindergärten und Schulen noch immer als sehr altmodisches, auf Müttern aufgebautes System existieren. Ich könnte als Künstlerin, die am Wochenende arbeiten muss, meinen Sohn nicht an einem Samstag in einen Kindergarten bringen. Würde es das geben, wäre vieles leichter für mich. Mir wäre das sogar lieber, als während der Woche. Ja, das sind noch Hürden.
Was brauchen Frauen in der Kunst und Kultur? Gibt es hier Befindlichkeiten oder Wünsche?
Stefanie Poxrucker: Es bräuchte dringend Förderprogramme für Künstlerinnen im Kulturbetrieb. Wenn es schwierig wird, entscheiden sich Frauen eher für die Sicherheitsvariante, beruflich wie privat. Hat eine Künstlerin erst einmal ein Kind, geht sie weniger leicht Wagnisse ein und kann sich auch nicht mehr leisten, ohne Gage oder für ein Taschengeld aufzutreten. Hier ist auch die Gesellschaft gefordert, hinzusehen. Wir verlieren sonst auf Dauer sehr viel an kreativem Potenzial.
„Ich will jeder Künstlerin die Möglichkeit geben, gesehen und gehört zu werden. Bis es irgendwann keinen Weltfrauentag mehr geben muss.“
Gemeinsam habt ihr einen Abend gestaltet, bei dem nur Frauen auftreten. War es so schwierig, wie viele Veranstalter sagen? Kann man wirklich das sogenannte Lineup nicht durch Frauen bestellen?
Christina Poxrucker: Nein!
Virginia Ernst: Wir haben so viele Künstlerinnen zur Auswahl. Ich versuche auch immer, neue Gesichter ins Boot zu holen. Man sucht sich natürlich die Genres etwas zusammen, um einen guten roten Faden zu spannen. Ich will aber jeder Künstlerin die Möglichkeit geben, gesehen und gehört zu werden. Bis es irgendwann keinen Weltfrauentag mehr geben muss.
Stefanie Poxrucker: Vor allem brauchen wir auch noch mehr Vielfalt bei den Frauen, in jeder Hinsicht. Auch für Frauen mit Migrationshintergrund, die künstlerisch tätig sind, braucht es eine Bühne.
Virginia Ernst: Wir Organisatorinnen machen unser Geschäft dabei ohne Gage. Uns ist aber wichtig, dass unsere Künstlerinnen bezahlt werden und nicht nur spielen, um die Öffentlichkeit als Lohn zu generieren.
Stefanie Poxrucker: Die Arbeit, die Künstlerinnen leisten, die am Weltfrauentag auf die Bühne gehen, um auf Ungerechtigkeit hinzuweisen, darf nicht unentlohnt bleiben. Das wäre seltsam.
Welches Bild möchtet ihr gemeinsam nach außen tragen?
Christina Poxrucker: Die Botschaft: Hier sind Frauen, ganz normale Frauen, die einen Weg gehen und mit allen Frauen den Weg gehen wollen.
Stefanie Poxrucker: Kraftvolle Frauen stehen auf der Bühne und wollen Energie geben.
Magdalena Poxrucker: Ich möchte, dass Organisatoren, Eventplaner-Teams, Festivalveranstalter und Plattenfirmen sehen, wie viele tolle Frauen es in der Musikbranche gibt und endlich beginnen, Events geschlechtergerechter zu organisieren. Wir tragen zur Musikszene bei!