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04-05/24

Briefe an Hillary

Briefe an Hillary

Slims Achmed Makaschwili arbeitet als Anwalt im Seerechtsministerium, er liebt sein Land, Georgien und die Kleinstadt Batumi am Schwarzen Meer, in der er lebt. Makaschwili will, dass sich seine Heimat entwickeln kann, nein, dass sie sich endlich weiterentwickelt. Er weiß, wer ihn dabei am besten unterstützen kann: die Senatorin Hillary Clinton, Schirmherrin eines Programms, das Firmen in den ehemaligen Sowjet-Ländern in moderner Geschäftsführung schult. Die muss also wissen, wie es geht und auch erkennen, warum es so wichtig ist, dass sich Georgien endlich in Richtung Erfolg und Zukunft bewegt. Dieser Schelmenroman beginnt mit einer Geschichte, die eigentlich auch schon all das Rumhängen und Weiterwurschteln der Georgier erklärt, sie beginnt mit dem Besuch Gottes in Georgien. Damals also sei es geschehen, dass die Georgier auf Gottes Frage, was sie denn bräuchten antworteten: „Wir bitten um nichts. Es reicht, wenn du Armenien und Aserbaidschan ihre Wünsche erfüllst.“ Einmal also fühlten sich die Einwohner Georgiens wie im Paradies und waren glücklich, nicht wie andere Länder nach materiellen Gütern streben zu müssen. Zwischen seinen Briefen an Clinton betrachtet der Ich-Erzähler seine Familie und Freunde, er erzählt von seinem Vater, der die philosophischen Fragen seines Sohnes mit Skepsis verfolgt und dessen Tod mit der georgischen Unabhängigkeit zusammenfällt. So hat die Familie Makaschwili einen besonderen Ruf in ihrem Dorf, sie hätte wohl starke Träume, von denen nicht alle wirklich wahr würden. Doch dann kommt ein Fax der Amerikanischen Botschaft ins Seerechtsministerium: Slims Achmed Makaschwili wird von Clinton in die USA eingeladen, bei einer amerikanischen Familie zu wohnen und zudem zu lernen, wie man einen Fischverpackungsvertrieb in San Francicso leitet.

Als ich aus der Transkontinentalmaschine stieg, den Bauch voll mit Transfettsäuren von der Bordmahlzeit, zitierte ich still bei mir die Worte unseres Dichters Joseph Tbileli: Ich verlasse die Heimat, die mir Freude, doch auch Elend war.

Slims Achmed Makaschwili ist geblendet, u. a. von der Elektrizität; zum Glück holt ihn ein Mann, der das traditionelle amerikanische Volkstanzkostüm – Bauernhemd, Jeans und Sandalen, so der Schelm – trägt, vom Flughafen ab. Die Manager, denen der Georgier begegnet, beklagen immer wieder, wie schwierig es doch sei, die Service- und Zusatzleistungen der Firmen der Länder der ehemaligen Sowjetrepubliken zu streichen. – Also weg mit Kindergärten in Betrieben und mehr Konzentration auf das Wesentlich, das Gewinnemachen! Das kann der Besucher aus dem Land der Stromausfälle, der Korruption und der Philosophen langsam gar nicht mehr hören und verstehen noch viel weniger!

 

Was Sie versäumen, wenn Sie das Buch nicht lesen: Humor, Akribie im Überzeugen, dass sich Redlichkeit immer lohnt, der Vergleich zweier Welten in der ihnen eigenen Schrulligkeiten, einen Schelmenroman, der die Welt durch die Augen seines Anti-Helden sehr liebenswert macht.
 

Die Autorin, 1970 in San Francisco geboren, arbeitet u. a. als Drehbuchautorin für Dokumentarfilme und hat u. a. in Indien, Südkorea, Russland, Kasachstan und Kirgisistan und Georgien Englisch unterrichtet.
 

Christina Nichol:

Im Himmel gibt es Coca Cola.

Aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt.

Roman.

Hamburg: Mare Verlag 2016.

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  • Veröffentlicht: 23.03.2016
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