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09/24

Buchempfehlung: Ausbrechen, aber nicht aufgeben!

Buchempfehlung: Ausbrechen, aber nicht aufgeben!

Das große, dreistöckige Haus will ausgeräumt werden. Die Ich-Erzählerin nimmt diese Aufgabe auf sich, schließlich hat die Halbschwester Familie. Die Mutter ist ins Altersheim gezogen, das Haus muss ausgeräumt und dann am besten gleich verkauft werden.

„Fein säuberlich nehme ich mich Telefongespräch für Telefongespräch für die nächste Woche aus dem Leben heraus, sage Termine ab und deute an, dass der Grund meines Ausbleibens privat ist. Ich werde von moralischen Standards geschützt, es werden kaum Fragen gestellt.“

Inmitten der Dinge, die die Mutter einst anhäufte, weil sie sie brauchte, macht die Ich-Erzählerin Pause, orientiert sich, sucht nach Ordnungsprinzipien, die Erinnerungen wollen wohl gehoben werden! Der Ort hat ein Krankenhaus, ein Schulzentrum und Ilse’s Cafe, die Schreibung ist zwar falsch, aber genau so heißt dieser Treffpunkt im Ort.

„Der Ort ist klein genug, um sich bei jeder Begegnung mit einem anderen Menschen Grüß Gott zuzurufen, auf gut Glück, weil man sich höchstwahrscheinlich kennt.“

Hier atmet das erzählende Ich Jahre seines Lebens durch die Nase ein, sieht die Möbel, erinnert sich an Szenen mit der Mutter, der Halbschwester Klara und dem Vater. Der ist gegangen, zurück zur damaligen Ex-Freundin. Das Altersheim „Hohe Wonne“ weicht von der Norm ab, die BewohnerInnen freuen sich, dass das Pflegepersonal streikt. Ja, auch hier zu geringe Bezahlung, zu viele Überstunden und keine Supervision. Jola, die Freundin der Ich-Erzählerin, hält in der Stadt – Kontrapunkt zur Provinz, zum Land – Seminare über die Organisation von Streiks ab. Die Abenteuer häufen sich, die Hohe Wonne scheint, der Ort des Widerstands und des Lebens zu werden, während zuhause, im Haus, die Müllsäcke von der Vergangenheit erzählen. Neben dem Altersheim erschafft die Autorin mit der „Hauswilderei“ eine Art lokales Kulturzentrum, das den Ort aufmischt.

Malina, die Pflegerin, lebt mit Mann und Kind im Ort. Sie wirkt gewissenhaft. Dann überfällt sie die Ich-Erzählerin und ihren Vater auf einem Parkplatz, stößt ihn, er fällt, hat eine Verletzung am Kopf. Ausprobieren, wie weit man gehen kann. Der Vater hat gerade noch beim Mittagessen beim Asiaten erzählt, er habe jetzt eine Billa-Einkaufskarte, er, der Vielflieger, der Geschäftsmann freut sich über eine Kundenkarte!

Dass schließlich eine Entführung passiert, über die die Regionalzeitung schreibt „Bewohner aus Altenheim entführt“, verwundert im turbulenten Verlauf dieses Debütromans nicht mehr. Ja, man war mit den Alten am Meer, hat ihnen Wünsche erfüllt, bringt sie auch wohlbehalten zurück.

„Während der Rückfahrt wirken die Schlafpositionen der Alten viel echter. … Marger sitzt dieses Mal neben mir auf dem Beifahrersitz. Er erzählt mir von seinem Leben im Ort. Aus unerfindlichen Gründen habe ich die Möglichkeit nicht in Betracht gezogen, dass Marvin, Marger und Judith, die dauerhaft im Ort wohnen, damit hadern könnten.“

Schließlich kommt Hilfe beim Ausräumen, der „Man with the van“ kennt sich aus mit Aufräumen, dem Hintersichlassen der Erinnerungen, mit den Geschichten, die in Häusern und Gegenständen wohnen. Jede Romanfigur zeigt eine Facette von Lebensbewältigung, egal, ob in der Provinz oder in der Stadt.

 

„Man müsste sich selbst nicht mitnehmen können, wenn man woanders hingeht.“

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Debütroman nicht lesen

Einblicke und Ausblicke in die und aus der Provinz, Stillstand und Veränderung, das Leid, die eigene Kindheit auf- bzw. auszuräumen, Sozialkritik, besonders im Blick auf ein Altenheim, Vater-Tochter-Beziehungschaos, Witz, Ironie, den Wert guter Freundschaften zu erkennen.

Die Autorin Katharina Pressl

wurde 1992 in Wolfsberg in Kärnten geboren, Studium der Sprachkunst an der Universität für angewandte Kunst Wien, 2015 Abschluss des Studiums Transkulturelle Kommunikation, Englisch und Österreichische Gebärdensprache in Graz und Edinburgh. Sie ist u. a. Redaktionsmitglied sowie Autorin des Zeitschriftenprojekts Tortuga sowie Trainerin für Gebärdensprache bei „kinderhände“.

Katharina Pressl:
Andere Sorgen.
Roman.
Salzburg – Wien: Residenz Verlag 2019.
184 Seiten.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

Mehr Lesestoff von Christina Repolust erscheint regelmässig in der „Welt der Frauen”, Rubrik Staunen & Genießen. Hier können Sie ein kostenloses Testabo bestellen.

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  • Veröffentlicht: 15.04.2020
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