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Alles begann mit einer kleinen Unwahrheit

Alles begann mit einer kleinen Unwahrheit

Es beginnt immer ganz klein. Ganz harmlos. Ein Foto. Eine Anfrage eines Detektivs. Dann die Meldung, dass eben dieser Detektiv ums Leben gekommen sein soll. Der Polizist kommt ins Schwitzen. Dabei soll doch seine Frau einen anderen treffen. Ob das stimmt? Ob er sie fragen soll? Wer weiß von den kompromittierenden Fotos mit dieser Prostituierten? Lenkererhebungen hat Achatz für den Detektiv gemacht. Ach so, jetzt ist auch einer der Lenker ermordet worden. Ob seine Frau einen anderen hat? Er wird sie fragen. Nicht heute, nicht bei diesem Ausflug. Läuft doch alles gut.

In allen Erzählsträngen „läuft es eigentlich recht gut“. Überall kleine Unschärfen, manche Zweifel, große Anpassungsleistungen und viele unerfüllte Wünsche. Eigentlich schade, dass der Verlag im Klappentext gleich so viel von diesen Geheimnissen verrät. Aber so ist es halt, kommt man halt früher drauf, also gleich beim Einkaufen des Buches: Man kann niemandem mehr trauen.

Katharina, Politikergattin, kümmert sich um ihren dementen Vater, einen pensionierten Gendarm, mit dieser Herkunft hat sie übrigens nie in die Politikerfamilie gepasst. Sandra, die Tochter, soll ja nach gar niemandem in der Familie kommen, so bei den netten Familientreffen der immer anzutreffende Sager der Großmutter väterlicherseits. Sandra denkt nach, lässt geheim einen Vaterschaftstest machen.

Verena, Psychotherapeutin in Regensburg, kämpft mit Trauer und Besessenheit, den Mörder ihres Mannes finden zu lassen. Sie arbeitet in einer Gemeinschaftspraxis, auch die Familienaufstellung wird hier zu einem weiteren Erzählstrang: Trauer zulassen, Betrogenwerden zulassen und was noch alles zulassen?

Mein Papa ist erschossen worden, sagte Hannes. Das ist vielleicht kompliziert. Die ganze Sache. Das hat meine Mama sehr mitgenommen, verstehst du. Er griff sich an den Kopf. Entschuldigung, ich bin noch nicht ganz da. … Klein ist die Welt, sagte Franziska.

Rudi Habringer zeichnet bekannte Welten, die der Bildungshäuser und netten TeilnehmerInnen an persönlichkeitsbildenden Seminaren. Daneben auch die Welt des smarten Lokalpolitikers, der in der Ferienhütte mit einer jungen Mitarbeiterin „rummacht“ und dabei von Sandra erwischt wird. Eigentlich nicht einmal erwischt wird, denn die Tochter und nun eben nicht einmal biologische Tochter macht sich davon, als sie die Szenen beobachtet. Man kann keinem trauen. Das denkt auch der Musiker Tomas in Krumau, der ein Paar beim Frühstück beobachtet: Die Frau wirkt verletzlich, bald kommt sie wieder, aber mit einem anderen Begleiter. Tomas merkt sich Menschen, selbst die, die ihn nicht beachten.

Rudolf Habringer: Was wir ahnen
Roman. Wien: Picus 2014

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  • Veröffentlicht: 13.08.2014
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