Nun dürfen auch in Österreich alle heiraten, die das wollen. Was der Staat mit dem Gleichheitsgrundsatz argumentiert, halten andere für ein Unglück. Wer hat Recht?
Von einer alten Mesnerin ist folgende Anekdote überliefert: Sie, die auf eine kindliche Art fromm, aber auch geprägt durch eine eher autoritäre Religionsvermittlung war, fragte eines Tages: „Herr Pfarrer, haben Adam und Eva in Sünde gelebt, wenn es doch damals noch keinen Priester gegeben hat, der sie trauen konnte?“ Der Geistliche antwortete schlagfertig: „Adam und Eva hat Gott selbst getraut.“ Die Mesnerin war zufrieden. Aber ihr eigentliches Problem war, dass eine ihrer Enkelinnen ohne Trauschein mit ihrem Freund zusammenlebte. Das ließ die Oma unablässig beten, dass die beiden sich bekehren.
Die Mesnerin ist längst gestorben. Was hätte sie dazu gesagt, wenn einer ihrer Urenkel seinen Freund geheiratet hätte? Wäre sie zur Hochzeit gegangen? Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Antwort ja lautete. Außer in ganz hartnäckigen Fällen siegt bei Eltern und Großeltern immer der Wunsch, es möge dem Kind, Enkel oder Urenkel gut gehen, über moralische Bedenken. Und ist es nicht auch religiös so richtig? Wenn Christen daran glauben, dass alle Kinder Gottes sind, also gleich geliebt und mit einem unverwechselbaren Leben beschenkt, kann die Einschränkung durch Traditionen und Bräuche nicht das letzte Wort haben. Nun soll man die Ehe und ihre Bedeutung für die Familie nicht kleinreden.
Es ist nicht borniert festzustellen, dass die natürlichen Anlagen von Mann und Frau darauf ausgerichtet sind, miteinander Nachwuchs zu zeugen. Im Laufe der abendländisch-christlichen Zivilisationsentwicklung hat sich die monogame Ehe als überzeugende und stabilisierende Form der Familienführung durchgesetzt. Das hatte viele Vorteile, aber nicht für alle. Man denke nur an die menschenunwürdige Behandlung unehelicher Kinder bis weit ins 20. Jahrhundert. In der katholischen Tradition wurden Ehe und Familie nicht nur naturrechtlich – also mit Berufung auf die Natur – begründet, sie wurden auch mit massiver Scham und Sünde belegt, wenn jemand von den Normen abwich.
Mit der Verfassung der Republik Österreich im Jahr 1920 wurde die Trennung von Kirche und Staat im Grunde vollzogen. Der Staat sollte den nötigen Rahmen für die Pluralität der Meinungen und Lebensformen schaffen, aber niemand bevormunden. Durch die Verwerfungen der vergangenen 100 Jahre hat es lange gedauert, bis sich diese Sicht auch bezogen auf Ehe und Familie durchgesetzt hat. Der Staat stellt darauf ab, ob Paare, die die Ehe wollen, die dafür nötigen Voraussetzungen mitbringen und bereit sind, die Konsequenzen zu tragen.
Ob das zwei Frauen, zwei Männer oder Mann und Frau sind, ist nicht mehr die Frage. Der Staat enthält sich einer Meinung, ob eine Ehe vorrangig zum Zweck der Zeugung von Nachkommenschaft geschlossen wird. Das unterscheidet das staatliche Eherecht vom kirchlichen. Dort ist ein mangelnder Wille, gemeinsame Kinder zu haben, sogar ein Grund, eine schon geschlossene Ehe wieder aufzulösen. Soll die Kirche nun gleichmütig zur Kenntnis nehmen, dass etwas anderes staatliches Recht ist, als es nach ihrem Verständnis sein sollte? Ich meine, ja. Staatliche und kirchliche Eheschließung sind lange schon zwei unterschiedliche Rechtsinstitute. Während Paare vor dem Staat einen jederzeit wieder auflösbaren Vertrag schließen, binden sich katholische Eheleute mit einem Sakrament unauflöslich aneinander.
Man kann es auch so sehen: Durch die Öffnung der staatlichen Ehe für „bunte“ Familien gewinnt der kirchlich geschlossene Bund sogar noch an Bedeutung. Es ist klarer als zuvor, was damit gemeint ist. Dass gar nicht so wenige gleichgeschlechtliche Paare für ihre Verbindung den Segen der Kirche suchen, zeugt davon, wie stark der Wunsch ist, dass das gemeinsame Leben von Bestand sein möge. Mit einer menschenfreundlichen und mitgehenden Pastoral gibt es da sogar die Chance für die Kirche, den Gott, an den sie glaubt, spürbar zu machen.
Christine Haiden meint, man solle die Stärken der kirchlichen Ehe bewusst als Erweiterung der staatlichen Ehe sehen.
Vor dem Gesetz sind alle Paare gleich
Kurioser Weise ist die nunmehrige Ehe für alle, die in Österreich ab sofort gilt, das Ergebnis der Klage eines Paares, das nicht heiraten wollte. Ein heterosexuelles Paar aus Oberösterreich fühlte sich diskriminiert, weil es nicht eine eingetragene Partnerschaft eingehen konnte, sondern hätte heiraten müssen. Die Klage ging bis zum Europäischen Gerichtshof. Die Folge ist, dass nun sowohl die eingetragene Partnerschaft als auch die staatlich geschlossene Ehe für hetero- und homosexuelle Paare offen stehen. Die Katholische Kirche und katholische Verbände zeigten sich von dieser neuen Regelung enttäuscht, nahmen sie aber zur Kenntnis. Wie umkämpft die „christliche Familie“ ist, zeigt, dass der ungarische Ministerpräsident Victor Orban, die Gender-Studies in seinem Land verboten hat. Sie unterhöhlen seiner Ansicht nach das Fundament christlicher Familien, die aus Mann und Frau und (vielen) Kindern bestehen sollte. Orban selbst ist evangelisch, verheiratet mit einer Katholikin, das Paar hat fünf Kinder.
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Erschienen in „Welt der Frauen“ Dezember 2018
Illustration: www.margit-krammer.at