Ada Lovelace schrieb das erste Computerprogram der Welt – hundert Jahre, bevor der moderne Computer überhaupt gebaut wurde. Die legendäre Lady Lovelace nutzte ihr mathematisches Talent, um visionäre wissenschaftliche Konzepte zu entwerfen – und auch mal um illegale Wettkartelle hochzuziehen.
Am 16. Januar 1816 packt Lady Byron ihre Sachen. Sie hält es mit ihrem Ehemann, Lord Byron, nicht mehr aus. Der berühmte Dichter ist verdorben und unberechenbar, und mit wie vielen anderen sie ihn teilen muss, will sie gar nicht erst wissen. Und sie liebt doch nichts mehr als Ordnung und Vernunft! Nichts bereitet ihr mehr Freude als die Mathematik und deren klare Regeln und kühle Logik. Ein Jahr lang hat sie diese unglückliche Ehe ertragen, jetzt hält sie es keinen Tag länger aus. Lady Byron hebt ihre fünf Wochen alte Tochter Ada aus der Wiege und flieht zu ihren Eltern aufs Land.
Ada Lovelace wird am 10. Dezember 1815 in London in eine zerrüttete Adelsfamilie hineingeboren. Die Trennung ihrer Eltern kurz nach Adas Geburt gilt am britischen Königshof als Skandal. Ihr Vater, der berühmte Dichter Lord Byron, verlässt kurz darauf für immer das Land. Ihre Mutter, Lady Byron, hält ihren früheren Ehemann für geisteskrank und kann sich auch für die Tochter, die sie von ihm hat, nie ganz erwärmen. Aus Angst, Ada könnte nach ihrem Vater kommen, lässt sie alle Bilder von ihm entfernen und stellt sicher, dass Ada eine strenge naturwissenschaftliche Ausbildung bekommt. Ihr soll keine Zeit bleiben, sich in Träumereien zu verlieren.
Und der Plan geht auf: Ada zeigt schon früh großes naturwissenschaftliches Talent. Obwohl sie oft krank ist, stürzt sie sich mit Begeisterung auf mathematische Fragestellungen. Als Zwölfjährige tüftelt Ada an einer Art Flugzeug und hält ihre Überlegungen in einem Buch fest. Später nimmt sie Unterricht bei renommierten Fachleuten. Mit siebzehn Jahren lernt Ada den Wissenschafter Charles Babbage kennen. Babbage hat gerade seine Difference Engine vorgestellt, eine mechanische Rechenmaschine und damalige Weltneuheit. Die britische Regierung investiert viel Geld in seine Erfindung, die aus zehntausenden Einzelteilen besteht und mathematische Operationen durchführen kann. Ada ist von der Maschine fasziniert. So oft sie kann, besucht sie Babbage und tauscht sich mit ihm aus. Er erkennt Adas Intelligenz und begegnet der Jugendlichen auf Augenhöhe. Sie freunden sich trotz des großen Altersunterschieds an, und Ada wird seine wissenschaftliche Mitarbeiterin. Er nennt sie „Enchantress of Number“, die Zauberin der Zahlen.
Inzwischen arbeitet Babbage an einer weiteren Maschine, die sich für allgemeinere Berechnungen eignen soll. Diese sogenannte Analytical Engine gilt heute als Vorläufer des modernen Computers. Die dampfbetriebene Maschine soll aus über fünfzigtausend Einzelteilen bestehen und einen ganzen Raum ausfüllen. Die Dateneingabe soll über Lochkarten funktionieren. Doch Babbage kann die Maschine nicht bauen lassen: Die Konstruktion wäre unfassbar teuer, und die britische Regierung ist nicht erpicht darauf, eine weitere von Babbages Erfindungen zu finanzieren. So bleibt sie ein Konzept. Als ein italienischer Mathematiker eine Abhandlung über die Analytical Engine schreibt, bittet Babbage Ada, sie für ihn zu übersetzen.
Und Ada macht sich an die Arbeit. Sie übersetzt nicht nur, sondern fügt Notizen und Bemerkungen an – so umfangreich, dass ihre „Notes“ am Ende dreimal so lang sind wie der ursprüngliche Artikel. Und ihre Arbeit enthält nicht nur eine, sondern gleich mehrere Ideen, die ihrer Zeit weit voraus sind. Zum einen schildert sie ausführlich eine Methode, wie die Analytical Engine dazu programmiert werden könnte, eine Reihe von Bernoulli-Zahlen zu berechnen. Es ist das erste bekannte Computerprogramm, weswegen Ada Lovelace von vielen als erste Programmiererin der Welt angesehen wird.
Zum anderen erkennt Ada früher als irgendjemand sonst das Potenzial eines Computers. „Die Analytical Engine könnte mit anderen Dingen als Zahlen arbeiten”, schreibt sie. Fände man Objekte, deren Beziehung zueinander durch Zahlen ausgedrückt werden könne, könne die Maschine auch mit diesen arbeiten. Ada erkennt, dass nicht nur Zahlen, sondern auch Symbole, Buchstaben und Töne durch die Maschine verarbeitet werden können. Damit sieht sie Möglichkeiten der Technik klarer als deren eigener Erfinder. Darüber hinaus streift sie in ihren Notizen schon damals, 1843, die Idee der künstlichen Intelligenz.
Nach ihrer Arbeit mit Babbage nimmt Adas Leben eine Wendung zum Skandalösen. Ihre Mutter hatte es wohl nicht ganz geschafft, ihr die väterlichen Anteile auszutreiben: Hinter vorgehaltenen Fächern werden Gerüchte über Adas angebliche Affären ausgetauscht, und sie beginnt, mehr und mehr Geld auf Pferderennen zu verwetten. Auch ans Glücksspiel geht sie mathematisch heran: Ada entwickelt eine Formel, mit der sie große Wetten zu gewinnen hofft, und bildet mit einer Gruppe von Männern ein geheimes Wettkartell. Doch ihr Plan schlägt fehl. Wenig später erkrankt Ada an Gebärmutterhalskrebs. Die „Zauberin der Zahlen“ verstirbt mit nur sechsunddreißig Jahren im November 1852. Nach ihr sind eine Programmiersprache, mehrere wissenschaftliche Einrichtungen und Preise für Computerwissenschafterinnen benannt.
Ricarda Opis
wurde 1996 in Graz geboren und studierte ebendort Journalismus und Public Relations (PR). Sie erzählt am liebsten die Geschichten von Frauen und Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Für diese Serie verbindet sie ihre beiden größten Leidenschaften, indem sie die Geschichten großer Frauen nicht nur erzählt, sondern auch bebildert. Wenn sie nicht gerade schreibt oder zeichnet, begeistert sie sich für alles, was sonst noch kreativ ist, und die Geschichte, Kulturen und Politik des Nahen Ostens.