Der Autor kommt nicht als Besserwisser rüber, er hält sich zurück, wird in seinen Ausführungen niemals belehrend oder aggressiv. Es braucht so seine Zeit, bis man den Argumentationsfaden diesen Denkers erhascht und zu (be)greifen weiß. Dann aber hält man sich daran fest.
„Die Geschichte von der Krise unseres Planeten ist schwierig zu erzählen, und obendrein ist sie nicht gut. Nicht bloß überzeugt sie uns nicht, sie interessiert uns nicht einmal. Aufmerksamkeit fesseln und Veränderung bewirken, das ist das wichtigste Bestreben von Kunst und politischem Aktivismus. Das Thema Klimawandel schlägt sich in beiden Bereichen schlecht.“
Der Autor sammelt und erzählt Geschichten, er erzählt von seinen Eltern und seiner Großmutter, die sich so unwohl im Heim fühlte. Stunden sitzt er an ihrem Bett und schreibt, denkt nach, über seine Familie und seine Kinder. Er erinnert sich und uns an den Untergrundkämpfer Jan Karski, der 1943 in die USA reiste, um dort von den Vernichtungslagern sowie vom Warschauer Ghetto zu berichten. Seine Zuhörer wussten zwar um die Tatsachen, wollten sie gleichzeitig aber nicht in dieser Drastik verstehen, vom Handeln ganz zu schweigen. Es gibt sie also, die Menschen, die die Gefahr wie alle anderen auch erkennen, aber im Unterschied zu den anderen auch handeln. So wie die Großmutter des Autors, die vor den Nazis floh und als einzige aus ihrem Dorf, ihrem Schtetl, floh und überlebte. Sie wusste einfach, dass sie etwas tun musste.
Foer beherrscht die Dialektik: So erzählt er von den 46 Millionen Truthähnen, die in den USA zu Thanksgiving verzehrt würden: ganz ohne Zwang, aus einer Tradition heraus, die wohl kaum jemand zu hinterfragen wagt. Er zählt nicht nur Fakten auf, sondern gibt auch Empfehlungen ab, so etwa sich teilzeitvegan zu ernähren oder vor dem Abendessen keine tierischen Produkte zu sich zu nehmen. Manchmal, so schreibt er seinen Söhnen, esse er auf seinen Lesereisen Burger und die auch noch genau im Flughafenrestaurant, einfach, weil sie ihm „gut taten“.
Fazit und der Grund, das Buch zu kaufen, zu lesen, zu verschenken, ist diese Schrulligkeit, diese Vielfalt an Zugängen zum Thema, etwa wenn er von Klima-Atheisten und Klima-Agnostikern schreibt. Lesenswert auch noch seine „Endnoten“, Literaturverzeichnis und Fußnoten. Und was sagt er noch so?
„Um unseren Planeten zu retten, brauchen wir das Gegenteil von einem Selfie!“
Was Sie versäumen, wenn Sie diese Überlegungen nicht lesen
Wissen, Erfahrung, Empathie, Erkenntnis der Zusammenhänge, Ideen zur Abgrenzung, einen wachen Blick aufs Altern und aufs verantwortungsvolle Leben bis ins hohe Alter.
Der Autor Jonathan Safran Foer
schreibt Romane wie Sachbücher, gleichermaßen erfolgreich. Mit seinem Besteller „Tiere essen“ (Sachbuch) wie mit seinem Roman „Hier bin ich“ wurde er international bekannt.
Stefanie Jacobs
lebt und arbeitet in Wuppertal, hat AutorInnen wie Anthony Marra oder Lisa Halliday übersetzt
Jan Schönherr
lebt und arbeitet in München, übersetzte u. a. Roald Dahl und wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet.
Jonathan Safran Foer:
Wir sind das Klima!
Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können.
Kiepenheuer & Witsch 2019.
Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs und Jan Schönherr.
327 Seiten.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at
Mehr Lesestoff von Christina Repolust erscheint regelmässig in der „Welt der Frauen”, Rubrik Staunen & Genießen. Hier können Sie ein kostenloses Testabo bestellen.