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03/24

24-Stunden-Betreuung: Wer sind die Frauen, die unsere Eltern pflegen?

24-Stunden-Betreuung: Wer sind die Frauen, die unsere Eltern pflegen?

Sie kommen großteils aus der Slowakei, Ungarn sowie Rumänien und betreuen in Österreich alte Menschen in ihren Wohnungen. Sie kochen, putzen, bügeln, helfen beim Anziehen, bei der Körperpflege und begleiten zum Arzt. Wer sind diese Frauen, die an ihrer Arbeitsstelle wohnen und schlafen und rund um die Uhr in Bereitschaft stehen?

Unsere Mutter kann nicht mehr alleine leben“, waren sich Inge Kronberger und ihre Schwester einig. Die Versorgung durch Heimhilfe und mobile Krankenpflege war für die 75-Jährige nicht mehr ausreichend. Und dann gab es noch das Versprechen der Töchter, ihre Mutter nie in ein Heim zu geben. Die Lösung? Eine 24-Stunden-Betreuung in den eigenen vier Wänden. Über die Empfehlung von Bekannten lernte Frau Kronberger die Rumänin Dorica kennen.

Die 52-Jährige, vertreten durch eine Vermittlungsagentur, war auf der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle. Frau Kronberger, die 40 Kilometer entfernt von ihrer Mutter lebt, hatte anfangs Bedenken. Wie wird die Mutter auf eine fremde Person im Haus reagieren? „Da sie nur begleitende Betreuung braucht, war Doricas ,Schnellsiedekurs‘ in Sachen Pflege ausreichend.“ Mittlerweile sind Dorica und die alte Frau „richtig zusammengewachsen“. Inge Kronberger kommt jede Woche zweimal zu Besuch. Einfach zum Nachschauen, wie sie sagt. „Hineinschauen kann man ja in niemanden.“ Das Wort Kontrolle vermeidet sie.

Ulrike M.* musste hingegen „von heute auf morgen“ eine Lösung für den alten Vater finden. Der 88-Jährige war schwer gestürzt. Nach zwei Operationen war klar, dass er Tag und Nacht eine intensive Pflege nötig brauchen wird. Im Krankenhaus bekam Frau M. 17 Seiten mit Agentur- und Vereinsadressen in die Hand gedrückt. „Zuerst war ich echt verzweifelt“, meint die Schuldirektorin rückblickend über ihre Suche nach zwei gut ausgebildeten Krankenschwestern.

Sie telefonierte sich durch die Listen, machte Notizen, verglich Angebote und Preise und strich Adressen durch. Letztlich verließ sich Ulrike M. bei der Wahl auf ihr „Bauchgefühl“. Doch auch nach Wochen Angewöhnungszeit „fanden eine von den beiden Pflegerinnen und ich nicht zueinander“. Ein Anruf bei der Agentur genügte. Binnen Stunden kam eine neue ins Haus. „Mit ihr bin ich sehr zufrieden.“

Böhmische Schwestern

Die 24-Stunden-Betreuerinnen kommen zum Großteil aus der Slowakei, Ungarn und Rumänien, um in Österreich 14 Tage rund um die Uhr Hilfsbedürftige zu betreuen. „Böhmische Schwestern“ wurden die ersten Frauen genannt, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 illegal zur Arbeit in österreichische Privathaushalte gebracht wurden.

Maria R.* war eine dieser „Schwarzarbeiterinnen“ in den 90er-Jahren. Die Diplomkrankenschwester wurde, damals 23 Jahre alt, von einer Agentur vermittelt. „An der Grenze sprach unser Fahrer jedes Mal von Durchreise und Urlaub in Kroatien.“ Die Erinnerungen an die Grenzübertritte sind für die 40-Jährige heute noch unangenehm. Zwei Jahre arbeitete sie damals bei einem gebrechlichen Ehepaar „wie eingesperrt“ in dessen Wohnung. Ihre Angst, aus dem Haus zu gehen, war groß – und berechtigt. Während eines Heimataufenthaltes wurden sie und ihre Arbeitgeber von einer Nachbarin angezeigt. „Ich kenne Frauen, die damals mit fünf Jahren Einreiseverbot belegt wurden, die Familien der Betreuungspersonen zahlten Strafe.“ Mittlerweile ist Marias Ausbildung als Diplomkrankenschwester in Österreich nos­trifiziert. Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung sind seit dem EU-Beitritt der Slowakei 2004 kein Thema mehr.

Im Jahr 2007 wurde in Österreich die 24-Stunden-Betreuung im Hausbetreuungsgesetz, dem Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz sowie in der Gewerbeordnung geregelt, um Pflegebedürftigen die Inanspruchnahme von Hilfe „bei der Haushalts- und Lebensführung“ zu ermöglichen. Anfangs waren den PersonenbetreuerInnen alle Tätigkeiten verboten, die den Gesundheits- und Krankenpflegeberufen vorbehalten waren. Das hatte sich in der Praxis als völlig unpraktikabel erwiesen. Verbände wechseln, Medikamente reichen, Versorgung bei Inkontinenz – all das gehört mittlerweile zu ihrem Berufsalltag. Wobei die Frage der Haftung bis heute weitgehend ausgeblendet wurde.

Pflegerin mit Buch und Rollstuhl im HintergrundPendelmigrantinnen

Zurzeit leben schätzungsweise 44.000 bis 50.000 Frauen als 24-Stunden-Kräfte legal in Österreich. Nicht überraschend ist, dass darunter kaum Männer zu finden sind. „Diese Zahlen beziehen sich auf die Haushalte, die um Förderung angesucht haben“, erklärt Mag.a Manuela Hiesmair vom Institut für Berufs- und Erwachsenenbildungsforschung an der Universität Linz, die eine Befragung von 24-Stunden-Betreuungskräften in Oberösterreich durchgeführt hat.

Die Sozialwirtin nennt Pflegestufe 3 und die Einkommensgrenze von 2.500 Euro netto als Voraussetzung für den staatlichen Zuschuss für 24-Stunden-Betreuung. Eine Betreuerin wird in den Haushalt der pflegebedürftigen Person aufgenommen. Ihre wöchentliche Arbeitszeit beträgt mindestens 48 Stunden und nach 14 Tagen muss eine ebenso lange Periode Freizeit gewährleistet sein.

Währenddessen kommt eine zweite Betreuerin ins Haus. Die Fahrtkosten, abhängig von der geografischen Lage des Heimatortes der Pflegerin, und der Betrag für ihre Sozialversicherung sind von der zu pflegenden Person zu tragen. Ebenso die Ausgaben für den täglichen Bedarf.  Die Gebühren für Vermittlungsagenturen variieren.

Vermittelt werden Pflegekräfte von Agenturen, im Internet, durch informelle Netzwerke und die großen österreichischen Wohlfahrtsträger wie Hilfswerk oder Caritas. „Viele Angehörige sind bereit, Zuzahlungen zu leisten oder bestehendes Vermögen für die Bezahlung der Pflegekräfte heranzuziehen“, so Sozialwirtin Hiesmair. Die Frauen arbeiten zum Großteil selbstständig. Ihr Tagsatz beträgt je nach Aufwand und Ausbildung im Durchschnitt zwischen 50 und 75 Euro. Doch Diplomkrankenschwester Maria R. kennt die Dumpingpreise auf dem Pflegemarkt und Rumäninnen, „die bereit sind, für 25 Euro am Tag zu arbeiten“.

Die Arbeitsbedingungen sind von Gesundheitszustand und Charakter der Pflegeperson und den Wohnverhältnissen abhängig. „Ich kenne Frauen, die jede Nacht auf einer kaputten Couch in der Küche schlafen mussten, keine Minute Freizeit hatten und als Reinigungsfrauen missbraucht wurden“, sagt Waltraud Eder, diplomierte Krankenschwester. In der persönlichen Beziehung liegen viele mögliche Konflikte.

Das kann die Sprache sein, die kulturellen Unterschiede oder die Speisen, die zu fett, zu süß oder zu scharf zubereitet sind. „Würdigung und Respekt vor dieser Arbeit, Gespür und Erfahrung für diese Arbeit“, meint Waltraud Eder, seien wesentliche Voraussetzungen, dass „das Arrangement zwischen Arbeit und persönlicher Nähe“ funktionieren kann.

Care-Arbeit

„Gönnerhaft“ empfindet Dr.in Doris Pfabigan vom Institut für Pflege- und Versorgungsforschung, UMIT Wien, die kontrovers geführte Diskussion über gekaufte Pflege. „Sie reicht von ‚Diese Frauen sollen froh sein, dass sie bei uns einen Job haben‘ bis zur Einschätzung, dass es sich um Ausbeutung von weiblicher Arbeitskraft handelt.“ Ihrer Meinung nach ist das Thema Pflege auf politischer Ebene durch die 24-Stunden-Betreuung „in den halbprivaten Bereich verschoben, weit weg von Mindestlöhnen und Tarifsätzen“.

Als ausgebildete Krankenschwester, die jahrelang in der mobilen und stationären Altenpflege tätig war, kennt Doris Pfabigan den Wunsch der Angehörigen, „die pflegebedürftigen Angehörigen sicher versorgt zu wissen“. Verständlich ist der Wunsch, sie keinem institutionellen Rhythmus unterwerfen zu wollen: Mutter muss in der Früh nicht mit dementen Menschen an einem Tisch sitzen. Vater muss nicht auf die Toilette gehen, nur weil die Pflegekraft gerade Zeit hat. „Durch Bedürftigkeit entsteht viel Unsicherheit. Da geben Lebensgewohnheiten und vertraute Umgebung viel Schutz“, so die Expertin. Um das Zuhause zu erhalten, nehmen alte Menschen einiges in Kauf. Auch eine fremde Frau an ihrer Seite.

Aus gesellschaftspolitischer Sicht lehnt Doris Pfabigan die 24-Stunden-Betreuung aber ab. „Diese sogenannte Care-Arbeit, die nach wie vor zwischen den Geschlechtern ungerecht verteilt ist, wird von Frauen an Frauen weitergegeben, die ökonomisch schlechter gestellt sind.“ Ihrer Meinung nach ist mit den aktuellen Tagsätzen für Frauen im Pflegebereich deren Armut im Alter vorprogrammiert. „Pflegepersonal braucht Wertschätzung durch entsprechende Gehälter.“ Doris Pfabigan fordert dringend die Diskussion über „eine grundsätzlich andere Sorgekultur, die nicht mehr nur auf Kosten von Frauen gehen darf“.  

Wissen, was Hermine mag

Dagmara S.* betreut die 90-jährige Hermine A.*. In die Slowakei zurück möchte die 30-jährige Studentin nicht mehr.

Gleich nach Schulabschluss arbeitete ich als Küchenhilfe, Kellnerin und als Au-pair im Ausland. Wieder zurück in der Heimat absolvierte ich
einen Pflegekurs im Ausmaß von 220 Stunden. Wieso ich als Pflegerin tätig bin? Weil ich alte Menschen mag. Seit fünf Jahren pendle ich alle 14 Tage. Mein Mann ist als Lkw-Fahrer drei Wochen pro Monat unterwegs. Wir sind nur eine Woche zusammen.

Seit vier Jahren betreue ich Hermi, manchmal sage ich „Spatzi“ zu ihr. Ihre berufstätige Tochter wohnt mit Familie im ersten Stock des Hauses. Hermi und ich leben im Erdgeschoß in einer kleinen Wohnung. Den ganzen Tag bin ich alleine mit ihr. Ich rede ständig mit ihr, ohne je eine Antwort zu erhalten. Aus ihrem Mund kommen nur unverständliche Laute. Meine Arbeit braucht Geduld und Einfühlungsvermögen.

Pflegeerfolg gibt es keinen. Früher verlangte sie jede Nacht nach ihrer Mama. Hermi ist älter und ruhiger geworden. Doch den ganzen Tag summt sie vor sich hin. Die Töne habe ich am Abend noch im Ohr, wenn ich im Bett liege.

Es liegt eine große Verantwortung auf mir. Ich muss richtig reagieren, wenn etwas passiert. Als sie noch alleine gehen konnte, waren ein blauer Ellbogen oder eine blutige Nase keine Seltenheit, weil Hermi schneller gehen wollte, als sie konnte. Ob in der Wohnung, im Garten oder in der Stadt, ein kleiner Stein konnte sie zu Fall bringen. Ich wäre schuld, wenn etwas passiert. Deshalb stütze ich sie jetzt beim Gehen von hinten oder führe sie mit dem Rollstuhl aus.

Die ersten Arbeitswochen machten mich unsicher und nervös. Mache ich alles zur Zufriedenheit der Familie? Es dauerte, bis ich wusste, was Hermi mag und was nicht. Kochen, Bügeln, Fensterputzen, Waschen, Körperpflege, ich schneide ihr mittlerweile auch die Haare.
Es ist wie ein „himmlischer Zufall“, dass ich in diese Familie gekommen bin. Wir sind ein super Team. Sie haben vollstes Vertrauen zu mir.

Doch nach 14 Tagen brauche ich Erholung. Zehn Stunden dauert die Fahrt im Kleinbus, den der Mann meiner Agenturchefin fährt, nach Hause. Daheim gehe ich auf die Uni, ich finanziere mein Studium der Psychologie und Pädagogik aber nicht alleine. Hermis Familie gibt mir dafür freiwillig Geld. Wenn ich zu Hause bin, denke ich nicht daran, ob Hermi gegessen hat oder schon schläft. Ich weiß, dass sie von meiner Kollegin gut versorgt wird. Daheim treffe ich Freundinnen, gehe aus und lache viel. Ich komme mit neuer Energie nach Österreich zurück. Die zweite Betreuungswoche ist anstrengender als die erste, auch weil jeder Tag gleich ist.

Ich möchte in Österreich bleiben. Alle sind glücklicher hier. Im ehemaligen Ostblock wird es noch lange dauern, bis sich die Menschen befreien können von den Erfahrungen der politischen Unterdrückung und von ihren Alltagssorgen. Vor einigen Jahren wollte ich in einem slowakischen Pflegeheim zu arbeiten beginnen. Für 250,00 Euro pro Monat, gemeinsam mit einer Pflegerin auf einer Station, zuständig für 30 Personen. Das habe ich nur einen Tag lang ausgehalten. Mittlerweile sind die Löhne in meiner Heimat etwas gestiegen. Doch hier in Österreich verdiene ich viel besser: 700 Euro. Für die Vermittlung vor vier Jahren zahle ich nach wie vor 600 Euro pro Jahr an die Agentur.

Ich habe sie ins Herz geschlossen

Seit dreieinhalb Jahren kümmert sich die Ungarin Elisabeth L.*, 55, um die 90-jährige Frau Edith M.*, die an Demenz erkrankt ist.

PflegerinIch kann keine Ausbildung in Sachen Pflege vorweisen. In unserem Dorf betreute ich zehn Jahre lang einen Nachbarn. Ich kochte, putzte und wusch ihm die Wäsche. Verdient habe ich dabei nichts. Diese Erfahrung und die einer vierfachen Mutter und Hausfrau bringe ich mit.

Mein Mann und ich, wir sind seit 35 Jahren verheiratet, leben 100 Kilometer südlich vom Plattensee in einem Dorf mit 400 Einwohnern. Mein Mann ist selbstständiger Maler und Anstreicher, doch er hat nicht immer Arbeit. Deshalb muss ich Geld verdienen. Die Lebensmittelpreise sind genauso hoch wie hier in Österreich. Die Ungarn verdienen aber um vieles weniger. Wir sind froh, dass wir einen großen Obst- und Gemüsegarten besitzen.

Zwei meiner Töchter arbeiten als diplomierte Krankenschwestern hier in Österreich, da ihre Ausbildung nostrifiziert wurde. Meine jüngste Tochter Agnes hatte zuerst Frau Edith gepflegt. Als sie eine Arbeit als Krankenschwester gefunden hatte, übernahm ich die Betreuung der 90-Jährigen. Deshalb brauchen weder Frau Edith noch ich die Vermittlungsgebühren an eine Agentur zahlen. Mein Mann holt mich alle 14 Tage ab und bringt mich mit dem Auto nach zwei Wochen wieder hierher. Für eine Strecke brauchen wir circa sechs Stunden.Frau Edith ist die erste Frau, die ich betreue. Sie hat keine Angehörigen mehr. Ein Sachwalter kümmert sich um alle finanziellen Angelegenheiten.

Als ich diese Arbeit annahm, konnte ich kaum Deutsch. Auf dem Küchentisch liegt mein Vokabelheft. Da schreibe ich alle Wörter hinein, die ich in der Zeitung oder im Fernsehen nicht verstehe, und lasse sie dann von meinen Töchtern auf Ungarisch übersetzen.

Von Frau Edith kann ich sprachlich nichts dazulernen, da sie kaum mehr spricht. An ihren Augen, an der Körperhaltung und an der Mimik muss ich ablesen, was sie gerne hätte. Ob ihr etwas wehtut. Oder ob sie auf die Toilette muss. In den ersten Wochen war es eine große Überwindung, volle Windeln zu wechseln. Oder Erbrochenes wegzuwischen. Neben dem Telefon hängt eine Liste mit Telefonnummern von Arzt, Rettung und Apotheke, die ich kontaktieren kann. Schließlich habe ich die Verantwortung für ihr Wohlergehen.

Oft kann sie in der Nacht vor innerlicher Nervosität nicht schlafen. Dann will sie aufstehen, fernsehen oder in der Wohnung auf- und abgehen. Manchmal wird sie dabei aggressiv. Ich versuche sie dann mit sanfter Stimme und mit Streicheln zu beruhigen. Ein Stück Schokolade oder eine Banane tun ihr auch gut. Die Nacht vor dem Wechsel zur zweiten Pflegerin schläft sie jedes Mal sehr unruhig. Da braucht sie meine Nähe besonders. Schließlich bin ich ihre Familie.

Ich liebe meine Heimat sehr. Manchmal weine ich vor Heimweh nach meinem Mann, nach meinen beiden jüngeren Kindern, dem Garten, nach meinem Hund. Gleichzeitig bin ich traurig, wenn ich mich von Frau Edith verabschieden muss. Ich habe sie ins Herz geschlossen. Sie fehlt mir.

Eine Diskussion um Pflege fehlt

Pflegeexperte Kurt Schalek über Pendelmigration und Auswirkung auf Osteuropa und Österreich.

Wo liegt die Attraktivität des 24-Stunden-Betreuungsmodells?
Kurt Schalek: Auf der Basis der Selbstständigkeit der Betreuerinnen ist die Arbeit kostengünstiger als angestellt, die Frage von Nacht-, Wochenendarbeit und Urlaubsanspruch gelöst. 24-Stunden-Modelle bieten Personenkontinuität im Gegensatz zu Heimhilfen und mobiler Krankenpflege. Da kommen täglich je nach Dienstabfolge und Hilfebedarf im Schnitt zwischen fünf und sieben fremde Leute ins Haus, die zeitlich begrenzt Pflegetätigkeiten übernehmen.

Pflegeexperte Mag. Kurt Schalek, Caritas Österreich

„In Österreich ist die Personenbetreuung nicht öffentlich geregelt“, sagt Pflegeexperte Mag. Kurt Schalek, Caritas Österreich.

Ergeben sich aus der 24-Stunden-Betreuung Vorteile für Österreich?
Diese Form der Betreuung entlastet das österreichische Sozialsystem. Funktioniert das Arrangement mit einer 24-Stunden-Kraft, dann lässt sich der Eintritt in ein Pflegeheim hinauszögern. Das bringt einen Einsparungseffekt für das System, da die 24-Stunden-Betreuung im Wesentlichen privat finanziert wird und die öffentliche Hand bis auf die Förderung des Sozialministeriums kein öffentliches Geld hineinsteckt.

Wie wirkt sich das Modell auf die Heimatländer der Betreuerinnen aus?
Durch die Pendelmigration entsteht eine Lücke in der Betreuung der eigenen Familien. Auf privater und institutioneller Ebene. Nicht nur in Rumänien fragen sich die Menschen, warum so viele Arbeitskräfte weggehen. Damit das Leben im eigenen Land eine Perspektive bekommt, muss eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut werden. Wir arbeiten mit Caritas-Organisationen in der Slowakei und in Rumänien zusammen. Es gibt ein Pilotprojekt mit der Diözese Satu Mare in Rumänien. Dort werden Sprach-, Pflegekurse und Fortbildungen für 24-Stunden-Betreuerinnen angeboten. Damit die Betreuerinnen fachlich vorbereitet nach Österreich gehen. Und dass sich mit dieser Qualifikation sowie dem im Ausland erworbenen Wissen berufliche Perspektiven im Heimatland auftun.

Fehlt in Österreich die Auseinandersetzung mit dem Thema Pflege?
Ja, die Diskussion, was Pflege und Betreuung bieten muss, geht ab. Im Wesentlichen dreht sie sich um die Frage der Finanzierung, und das bei neun verschiedenen Betreuungssystemen, die untereinander nicht vergleichbar sind. Wo Kosten und Zuschüsse unterschiedlich berechnet werden und der Leistungsumfang verschieden ist.

Buch und Film

Alt, umsorgt, versorgt..Buch: Alt, umsorgt, versorgt
Wer will schon alt werden? Das
Bild, zum Betreuungsfall zu werden, irritiert. Auch deshalb tun die Schwarz-Weiß-Fotos von Angelika Kampfer gut. Die Fotografin will mit dem Bildband Mut machen. Angelika
Kampfer: Alt, umsorgt, versorgt. Böhlau Verlag, 35,00 Euro

 

Buchcover: Saubere DiensteSaubere Dienste
„Franziska, 7 Euro“ lautete die Annonce der Putzfrau, hinter der sich die Journalistin Sibylle Hamann verbarg. In ihrem Buch beschreibt sie nicht nur diesen Selbstversuch, sondern die „sauberen Dienste“ jener Frauen, die diese als Babysitterinnen, Pflegerinnen und Putzfrauen im privaten Halbdunkel leisten.
Sibylle Hamann: Saubere Dienste. Residenz Verlag, 21,90 Euro

 

 

Buchcover: So weit ich kann Auf dem Sofa
Der Film bietet eine Mischung von erzähltem Betreuungsalltag aus unterschiedlichen Perspektiven: „So weit ich kann. Pflegende Angehörige und ihr Weg“. Die DVD ist um zwölf Euro zuzüglich Porto zu beziehen bei Regisseur Herbert Link:
avp-link@chello.at oder bei der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger:
office@ig-pflege.at

* Name der Redaktion bekannt.

Erschienen in „Welt der Frau“ Ausgabe Juni 2014

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  • Veröffentlicht: 19.07.2021
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