Gibt es in modernen, offenen, partnerschaftlichen Beziehungen noch Tabus?
Susanne Pointner: Es gibt weniger offizielle, gesellschaftliche Normen, die Tabus setzen, aber es gibt sehr viele unbewusste Glaubenssätze, die es schwierig machen, über bestimmte Themen zu reden. Besonders gilt das für sogenannte irrationale Themen, die eher über die Emotion als die Sachebene laufen. Zum Beispiel die Themen „Geld“, „Sexualität“, aber auch „Spiritualität“.
Wie würden Sie Tabu in einer Zweierbeziehung definieren?
Tabu ist etwas, von dem man entweder vermeidet zu sprechen oder worüber man spricht, aber die wirklich tieferen Motive verbirgt, vielleicht, weil sie einem selbst auch nicht so zugänglich sind. Es sind Themen, bei denen man sich ins Unpersönliche flüchtet, weil man das, was man wirklich denkt und fühlt, nicht gut fassen kann oder sich nicht traut, es auszusprechen. Beispielsweise weil die Sehnsucht, einmal so richtig auf den Putz zu hauen, von den Eltern her mit einem Tabu belegt ist, wird das Thema vermieden oder es kommt nur in Angriffsbotschaften. Da rutscht es einem dann rein, denn alles, was man vermeidet, kommt irgendwann durch. Besonders in Momenten, in denen es unangenehm ist.
Beim Thema „Geld“ könnte ein Tabu das Aufrechterhalten von Abhängigkeit sein.
Viele Frauen sind aber abhängig, wenn sie zugunsten der Familie beruflich zurückstecken.
Ich erlebe oft, dass Frauen, die weniger oder nichts verdienen, vermeiden, über diese Spannung zu sprechen. Bei Männern löst es schnell Ängste aus, wenn die Frau das Geldthema anspricht. Männer haben auch in modernen Beziehungen oft das alte Muster, sie sollten doch die Familie erhalten: „Wenn sie das jetzt anspricht, misstraut sie mir, traut sie mir meine Männlichkeit und Versorgerrolle nicht zu.“ Da fühlen sich die inneren Vaterfiguren etwas entmannt. Auch wenn Männer vielleicht gerne hätten, dass die Frau mehr arbeiten geht. Oft schicken Paare einander da auch Doppelbotschaften. Es gibt die Botschaft: „Ich hätte gerne, dass du mehr arbeitest“, und gleichzeitig unterstützen die Männer ihre Frauen nicht dabei. Der moderne Teil sagt: „Ich möchte gerne Gleichstellung“, und der traditionelle Teil sagt: „Ich hätte gerne noch die Patriarchenrolle.“ Gar nicht, um die Frauen zu unterdrücken, sondern eher um die Forderung nach Männlichkeit zu erfüllen. Frauen haben oft ein Bedürfnis nach Hingabe, nach Versorgung in Ruhe, wenn Kinder da sind. Das ist ein alter Teil in uns Frauen, der seine Berechtigung hat. Berechtigung hat aber auch der moderne Teil, der sagt: „Ich will am Leben teilhaben, mein eigenes Geld verdienen.“ Paare brauchen viel Unterstützung, um die widersprüchlichen Botschaften in sich selbst auszuhalten und sich einzugestehen: „Ja, da sind wir gerade in einer Übergangszeit.“
Wie kann man diese Verknüpfung von „Wertschätzung als Frau“ und „Abhängigkeit“ lösen?
Ganz lösen kann man sie nicht, aber es ist gut, Dinge getrennt voneinander zu sehen. Wenn die, die finanziell versorgen, wirklich gut Wertschätzung dafür erleben und die, die Haushalt und Kinder versorgen, auch dafür gesehen werden, dann ist die finanzielle Diskussion nicht mehr so scharf. Dann ist es auch klar, dass man schauen muss, dass beide ein Taschengeld und ein privates Geld haben und dass es einen gemeinsamen Topf geben muss. Das lässt sich gar nicht so schwer lösen, wenn beide sich gesehen fühlen in dem, was sie einbringen.
Das ganze Interview finden Sie in der Printausgabe.
Erschienen in „Welt der Frau“ 03/17 – von Christine Haiden