Reflexions- und Urteilsvermögen, kritisches Denken, Resilienz und die Fähigkeit, Probleme zu lösen – das sind Kompetenzen, die Kinder erwerben sollten. Darauf wird in der privaten Volksschule „Triangel+Co“ in Marchtrenk besonders Wert gelegt.
„Ihr zieht mich immer auf.“ – „Unser Verhalten ist bloß die Konsequenz auf dein Handeln.“ – „Ich fühle mich von euch nicht verstanden.“ Der Bub, der das gesagt hat, blickt betreten zu Boden, ein anderer lacht. „Paul, hör bitte auf, dich lustig zu machen und lass Lukas sein Gefühl wahrnehmen.“ Man könnte meinen, dass diese Unterhaltung von Erwachsenen geführt wird. Tatsächlich handelt es sich um zehnjährige Buben, die versuchen, eine Auseinandersetzung, die sie miteinander haben, zu klären. Ihre Lehrerin leitet sie durch das Streitgespräch. Einer der Buben neigt dazu, Konflikte körperlich auszutragen. Im Dialog versuchen die Buben, einen anderen Weg zu finden und Verständnis für einander zu bekommen.
Was brauche ich, was willst du?
Es ist ein Freitagvormittag in der privaten Volksschule „Triangel+Co“ in Marchtrenk. Ethik steht am Stundenplan der vierten Schulstufe. Das Fach wird von Eva Angleitner-Flotzinger (52) unterrichtet. Der Ethikunterricht soll den Kindern soziale und persönliche Kompetenzen vermitteln, um sie auf ihr späteres Leben vorzubereiten. Hier lernen sie, ihren Umgang mit sich selbst und anderen zu reflektieren. Durch gemeinsame Gespräche und Rollenspiele im geschützten Rahmen lernen die Kinder, ihre Gefühle wahrzunehmen, über sie zu sprechen, sich aber auch in andere hineinzuversetzen, sowie eigene und fremde Bedürfnisse zu erkennen und zu respektieren. Über Gefühle sprechen zu lernen, sei vor allem für Buben wichtig, sagt die Pädagogin. „Die Buben testen natürlich Grenzen aus und auch, wie sie innerhalb der Gruppe ankommen. Sie müssen ihren Platz erst finden. Bei uns lernen die Kinder, wie sie Auseinandersetzungen respektvoll lösen können.“
„Konfliktmanagement“ ist ein Teil des Ethikunterrichts. Eva Angleitner-Flotzinger wendet hier das Konzept der gewaltfreien Kommunikation des Psychologen Marshall Rosenberg an. Wie kann wertschätzend kommuniziert und wie können Konflikte wertfrei wahrgenommen werden? Was brauche und fühle ich, wie geht es meinem Gegenüber und wie finde ich Lösungen, die die Bedürfnisse aller berücksichtigen? Nach diesem Verfahren werden die Kinder angeleitet, ihre Streitgespräche zu führen. „Mir ist es wichtig, dass die Kinder selbst Lösungen suchen und finden“, sagt die Pädagogin.
Verantwortung übernehmen
Die „Triangel+Co“-Schule lehrt zwar nach dem öffentlichen Lehrplan, geht aber auch eigene Wege, um Kindern die Lerninhalte ganzheitlich und individuell, je nach Entwicklungsstand zu vermitteln. Nebenbei sollen auch Persönlichkeit und Potentiale der Kinder individuell erkannt und gefestigt werden. Wichtige Säulen der Schule sind Bewusstseinsentwicklung, ein wertschätzendes Miteinander und Freude am Wissenserwerb. Die Kinder lernen achtsam mit Natur und Umwelt umzugehen. Im Zentrum dieser Werte steht die Eigenverantwortung. „Wir zeigen den Kindern auch, dass ihr Handeln immer Konsequenzen hat, für die sie Verantwortung übernehmen müssen“, so die Lehrerin.
Ein metallischer und majestätischer Ton erklingt. Statt mit einer Glocke, wird hier die Pause durch einen Schlag auf einen Gong eingeläutet. Die Kinder stürmen aus dem Gebäude. Im Hof haben sie Platz zum Spielen und Bewegen. Die Schule ist in einem Vierkanthof eingemietet. Es gibt keine separaten Klassen. Jeweils zwei Schulstufen werden in einem offenen Raum unterrichtet, der durch Bücherregale in verschiedene Bereiche unterteilt ist. Der Lärmpegel ist niedrig, da die Anzahl der SchülerInnen überschaubar ist: Es gibt maximal 14 Kinder pro Schulstufe. An den Wänden hängen bunte Schilder und selbstgestaltete Werke. „Du bist spitze“, oder „Du kannst das“ steht auf Wolken aus Karton. Sie sollen die Kinder an ihr Potential erinnern. An Computern werden verschiedenste Lernspiele angeboten.
„Die Kinder haben bei uns die Möglichkeit, sich auf das Hier und Jetzt einzulassen und so zu einer inneren Ruhe zu finden.“
In der Ruhe liegt die Kraft
Unterrichtsbeginn ist um 08:30 Uhr, Treffpunkt jedoch eine Viertelstunde früher – die sogenannte „Stillezeit“. Damit die Kinder entspannt in den Unterricht starten, versammeln sich alle Schülerinnen und Schüler im „Morgenkreis. „Unsere Gesellschaft ist in vielen Bereichen intellektualisiert und schnelllebig. Die Kinder haben bei uns die Möglichkeit, sich auf das Hier und Jetzt einzulassen und so zu einer inneren Ruhe zu finden“, sagt die Lehrerin. Ein wesentlicher Teil der Lerninhalte sind Referate und selbst ausgearbeitete Mindmaps zu unterschiedlichen Themenbereichen. Diese werden in der Gruppe präsentiert. Dadurch sollen die Kinder Sicherheit beim Sprechen und Vortragen bekommen und Begeisterung dafür finden.
Insgesamt sechs Pädagoginnen arbeiten an der Schule. Angleitner-Flotzinger unterrichtet neben Ethik noch Deutsch. Ihr ist es wichtig, nicht nur Theorie, Rechtschreibung und Grammatik zu vermitteln, sondern auch die Kreativität der Kinder anzuregen. Durch Fantasiereisen etwa lassen sie Bilder in ihren Köpfen entstehen und sammeln so Ideen für Geschichten.
Weil Geschichtenschreiben ein Prozess ist und es oft Abstand zum fertigen Text braucht, um ihn überarbeiten zu können, werden die Deutsch-Arbeiten in zwei Phasen unterteilt. Nachdem die Kinder ihre Texte geschrieben haben, werden diese eingesammelt und am nächsten Tag unkorrigiert wieder ausgeteilt. Mithilfe eines Wörterbuches dürfen die SchülerInnen ihre Geschichten selbst bearbeiten, ehe sie von der Pädagogin korrigiert und benotet werden. „Die Kinder bekommen so ein Gespür für ihre grammatikalischen Schwachstellen und werden außerdem dazu angeregt, ihren Wortschatz zu erweitern und Synonyme für Wörter zu finden.“ Das Konzept der zwei-Phasen-Schularbeit hat die Lehrerin während ihres Studiums an der pädagogischen Hochschule kennengelernt.
Nicht zu starr und nicht zu frei
Eine Schule, in der sich alle Kinder wohlfühlen, das war Margit Schmidhammers (72) Vision, als sie vor 12 Jahren die „Triangel+Co“- Schule gründete. Sie blickte damals auf 40 Jahre Erfahrung im öffentlichen Schulwesen zurück, hatte 20 Jahre als Lehrerin und weitere 20 Jahre als Schulleiterin in verschiedenen Volksschulen gearbeitet. Sie kennt die Probleme und Herausforderungen des Schulwesens und weiß auch, dass es immer schwieriger wird, allen Kindern und Eltern gerecht zu werden. Als sie in Pension ging, wollte sie den Versuch wagen, eine Alternative zur öffentlichen Regelschule aufzubauen. „Nicht jedes Kind passt in das Regelschulsystem, selbstbestimmtes, freies Lernen aber auch nicht zu jedem Kind. Deshalb versuchen wir, auf die verschiedenen Lerntypen einzugehen“, sagt Schmidhammer. Meistens brauchen Kinder Anreize von außen und einen Raum, in dem sie Neues entdecken und ihrer Freude und Begeisterung Ausdruck verleihen können. Natürlich sind Regeln und Grenzen in der Gemeinschaft für ein friedliches Miteinander wichtig.
Nachfolgerin gesucht
Eine Schule zu führen, ist vor allem finanziell eine große Herausforderung. Schmidhammer fing damals mit elf Kindern an ohne jede Unterstützung vom Land. Erst seit ein paar Jahren erhält der Verein einen Zuschuss – ein Tropfen auf den heißen Stein. Mit dem Schulgeld, das die Eltern bezahlen, werden die restlichen Kosten beglichen. Damit genug für die Löhne ihrer Mitarbeiterinnen bleibt, arbeitet die Direktorin ehrenamtlich. Eigentlich könnte sich Margit Schmidhammer zur Ruhe setzen, doch eine passende NachfolgerIn zu finden ist nicht einfach, sagt sie, jemanden, der dieselben Werte vertritt und den Mut und die Kraft hat, neue Ideen umzusetzen. Sie sieht es als ihren Auftrag, Kindern Werte vorzuleben und sie so gut es geht für ihr Leben zu rüsten. Denn immerhin seien es die Kinder von heute, die das Leben auf der Erde in Zukunft gestalten werden.