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07-08/24

Meine wunderbare Tochter Verena

Meine wunderbare Tochter Verena

Welt der Frauen-Leserin Margit Zeiner (59) aus Zeillern in Niederösterreich ist Kindergartenpädagogin und Mutter von zwei Söhnen und drei Töchtern. Stolz ist sie auf alle fünf Kinder. Doch ihre zweitgeborene Tochter Verena (36), eine Pianistin, imponiert ihr besonders, weil sie lernenden Menschen Selbstvertrauen schenkt. Wir fragten erst bei der Mutter genauer nach und baten anschließend die junge Künstlerin zum Gespräch.

„Verena hat entschieden, Pianistin und Komponistin zu werden, obwohl Frauen es in der Musikbranche nicht leicht haben, in einer Nische wie dem Jazz schon gar nicht. Trotzdem geht sie ihren Weg: Sie ist eine einfühlsame, reflektierte Frau, die kontinuierlich daran arbeitet, sich selbst auf die Spur zu kommen. Ich bewundere ihren Fleiß und ihre Durchhaltekraft, und dass sie Komponistin, Sekretärin, Managerin und Technikerin in Personalunion ist. Außerdem gefällt mir, dass sie sich selbst treu bleibt, kritisch denkt und für die Gleichstellung von Frauen eintritt – auch als Pädagogin, wenn sie empathisch auf die Fähigkeiten ihrer Studentinnen eingeht.“
Margit Zeiner

Verena Zeiner: „Ich möchte Individualität zum Klingen bringen“

Verena, wie kamen Sie zum Klavierspiel?
Verena Zeiner: Das war ein Zufall. Meine Eltern lernten bei einem Fest ein Paar kennen, das sich in unserem Ort angesiedelt hatte. Im Zuge dessen stellte sich heraus, dass die Frau, sie heißt Ursula Kropfreiter, Klavierlehrerin ist. Weil sie auch mir auf Anhieb sympathisch war, nahm ich eine Stunde bei ihr und entschied schon nach der ersten, Klavierspielen zu meinem Beruf zu machen. Ich war damals acht Jahre alt.

Warum fingen Sie sofort Feuer?
Beim Erlernen einer neuen Fähigkeit hängt viel von der Person ab, die sie einem näher bringt. Mit ihrer sanften, einfühlsamen Art schuf meine Lehrerin ein Klima, in dem ich mich wohlfühlte. So ging mir das Spiel leicht von der Hand. Sie übte nie Druck auf mich aus oder versuchte, mich zu verhindern. Dadurch hatte ich immer das Gefühl, alles schaffen zu können. Aus irgendeinem Grund glaubten auch meine Eltern an mich. Und so kauften sie mir ein Klavier und ermöglichten mir zehn Jahre lang privaten Unterricht.

Was bedeutete Ihnen diese Klavierstunde?
Die Klavierstunde war meine kleine Insel. Ich genoss es sehr, in diesen 60 Minuten ohne meine vier Geschwister zu sein und Zeit für mich zu haben. Nach der Matura studierte ich dann Musik- und Bewegungspädagogik/Rhythmik und Tasteninstrumente/Popularmusik an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien sowie Jazzklavier am Königlichen Konservatorium in Brüssel. Danach ging ich mit Hilfe eines Stipendiums nach New York, nahm weiteren Unterricht in Klavier und komponierte.

Haben Sie Ihr Studium selbst finanziert?
Nein. Meine Eltern unterstützten mich, was ich großartig finde. Ich selbst gab aber schon als Teenager einer erwachsenen Frau Klavierunterricht und verdiente so mein erstes eigenes Geld. Als ich nach Wien kam, gab ich auch Kindern Unterricht. In der Bundeshauptstadt gibt es eine vermehrte Nachfrage.

Nun unterrichten Sie an der Uni Studierende in Improvisation. Wie legen Sie den Unterricht an?
Wertschätzend und empathisch, da habe ich mir viel von meiner ersten Lehrerin abgeschaut. Außerdem achte ich auf einen liebevollen und angstfreien Zugang zum Instrument, denn in einem künstlerisch-kreativen Beruf ist es fatal, wenn Blockaden und Selbstzweifel entstehen. Es soll Entwicklung passieren können, ohne gehemmt und persönlich angegriffen zu werden.

Welche Rahmenbedingungen braucht es, damit ein Mensch seine persönliche Melodie erklingen lassen kann?
Darüber habe ich in letzter Zeit viel nachgedacht. Meine Studierenden meinten neulich, dass sie sehr dankbar dafür seien, dass es viel Platz für ihre individuellen Zugänge gebe. Um diesen Raum zu gewährleisten, versuche ich alle individuell kennen zu lernen, damit ich weiß, welche Bedürfnisse sie haben, was sie brauchen. Ich stülpe ihnen nichts über, sondern versuche sie zu sehen, ihre Stärken zu erkennen und diese zu fördern. Und ich mache ihnen bewusst, dass das, was schon da ist, sehr viel wert ist. Das motiviert ungemein! Wenn ich mich umschaue, in welchem Zustand unsere Welt ist und was es alles zu tun gebe, frage ich mich oft: Was soll mein Beruf eigentlich? Ist es okay, den ganzen Tag Klavier zu spielen? Ist das genug Beitrag für diese Welt? Dann spüre ich: Ja, mein Beitrag ist wichtig! Denn Klavierspielen stabilisiert mich auf gewisse Weise und hilft mir dabei, die Welt zu bewältigen. Ohne das Musizieren würde ich an Vielem, was so passiert, echt verzweifeln. Wenn die Studierenden und ich gemeinsam eine Stunde ganz im Moment sind, kann ich diese Stabilität und Sicherheit auch in ihnen hervorlocken. In der Hingabe steckt nämlich etwas unglaubliches Nährendes.

Auch bei Ihrem Projekt „Fraufeld“, mit dem Sie improvisierende Musikerinnen sichtbar machen, schaffen Sie Raum für kreativen Selbstausdruck. Ein feministischer Ansatz?
Wir zeigen Vielfalt und die große Zahl an Musikerinnen auf, die es im Bereich der improvisierten Musik gibt. Wir setzen dabei aber auf Dialog und den gemeinsamen Weg. Deshalb sind bei unserem MusikerInnen-Stammtisch und unserem neuen Label „arooo.records“ auch Männer herzlich willkommen. Denn es zeigt sich, dass die Stimmung dann eine andere ist und wir miteinander stärker sind als allein.

Verena Zeiners neues Solo-Album heißt „No Love Without Justice“. Es ist auf allen gängigen digitalen Plattformen erhältlich. Die CD (Preis 15,00 Euro) kann man hier bestellen.

Hier geht’s zum YouTube-Kanal von Verena Zeiner

Petra KlikovitsPetra Klikovits

In ihrer monatlichen Online-Kolumne „Meine wunderbare Tochter“ führt Petra Klikovits bewegende Gespräche mit Töchtern, Schwiegertöchtern, Enkeltöchtern, Stieftöchtern, Adoptivtöchtern, Pflegetöchtern, Patchwork-Töchtern und anderen Bonustöchtern von Leserinnen, die auf diese via [email protected] aufmerksam machen. Mehr von Petra Klikovits lesen Sie jeden Monat in Welt der Frauen.

Fotos: Birgit Haiden, Ina Aydogan

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  • Veröffentlicht: 25.05.2020
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