Aktuelle
Ausgabe:
Nahrung
09/24

Meine wunderbare Tochter Nikola

Meine wunderbare Tochter Nikola

Unsere Leserin Christine Göschl & ihre Tochter Nikola Köhler-Kroath im „Welt der Frauen“-Gespräch.

„Welt der Frauen“-Leserin Christine Göschl (70) aus Eferding war bei der Stadtgemeinde und bei „Essen auf Rädern“ beschäftigt. Außerdem ist sie Mutter von drei erwachsenen Kindern. Um ihre erstgeborene Tochter Nikola Köhler-Kroath (46) kümmert sie sich gerade besonders, denn die promovierte Erziehungswissenschaftlerin, Museumspädagogin und fünffache Mutter wurde vor kurzem aus heiterem Himmel von ihrem Mann verlassen – für eine Arbeitskollegin. Wie Christine Göschl ihrer Nikola jetzt beisteht? Wir fragten erst bei der Mutter nach und baten anschließend die Tochter zum Gespräch.

„Nikola war ein fröhliches Kind, doch schon bald musste sie erfahren, wie schmerzlich es ist, wenn man ausgenützt und ungerecht behandelt wird. Das lag an ihrer Pummeligkeit und ihrer starken Krause, die sie in der Pubertät entwickelte. Deshalb wurde sie oft gehänselt. Viele Kinder meinten in Anspielung auf ihr afrikanisch wirkendes Haar, dass ihr nur noch der Knochen durch die Nase fehle. Ein Bursch erklärte ihr sogar, dass er sich nur neben sie setze, damit er bei der Schularbeit von ihr abschreiben könne. Das tat Nikola vermutlich weh. Wie es emotional in ihr aussah, verriet ihr Klavierspiel: War sie gut drauf, spielte sie harmonische Melodien. War sie wütend oder traurig, haute sie disharmonische Töne in die Tasten. Auch später wurde sie öfter enttäuscht. Umso mehr bewundere ich ihren Willen, nach Niederlagen immer wieder aufzustehen.“

Christine Göschl

„Wie konnte ich nur zulassen, dass ein Mann zu meinem Lebensinhalt wird?“

Nikola Köhler-Kroath im Interview

Petra Klikovits: Ihre Mutter hat mir erzählt, dass Sie ein eher kühler Typ sind. Schon als Kind hätten Sie – im Vergleich zu Ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder und ihrer 13 Jahre jüngeren Schwester – nie gerne gekuschelt. Ihnen reichten die „fünf Minuten Zuwendung“ vor dem Zubettgehen. Haben Sie eine Ahnung, warum das so war?

Nikola Köhler-Kroath: Das ist ein großes Missverständnis zwischen meiner Mutter und mir. Ich hätte als Kind total gerne gekuschelt, habe es aber offenbar zu wenig eingefordert. Kinder tun sich ja oft schwer damit, ihre Bedürfnisse in Worte zu fassen. Fakt ist: Ich kuschle gerne. Auch meine Kinder knuddle ich jeden Tag.

Laut Buchautor Gary Chapman gibt es „Die fünf Sprachen der Liebe“: Dazu zählen Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft, Lob und Anerkennung, Zärtlichkeit und Geschenke, die von Herzen kommen. Wie schenken Sie Liebe und wann fühlen Sie sich geliebt?

Meine Liebe zeige ich in erster Linie durch Hilfsbereitschaft. Ich bin jemand, auf den man sich verlassen kann. Außerdem schenke ich Menschen, die ich liebe, gerne Aufmerksamkeit und mache ihnen sehr persönliche Geschenke. Ich weiß ganz genau, was ich wem geben will. Ich wiederum fühle mich geliebt, wenn man mit mir zärtlich und aufmerksam ist.

Nikola Köhler-Kroath

Nikola Köhler-Kroath (46) ist Volksschul- und Religionslehrerin, Museumspädagogin, promovierte Erziehungswissenschaftlerin, Kinderbuchautorin und fünffache Mutter. Foto: Isabella Bloom Photography

Nach der Matura am Gymnasium in Dachsberg absolvierten Sie in Linz die Ausbildung zur Volksschul- und Religionslehrerin. Gewohnt haben Sie in einem Zimmer in einer Frauen-WG – mit ihrer ersten Tochter Juliana (heute 24). Doch deren Vater, ein Musiker, verließ sie noch vor der Geburt. Wie hat sich das damals angefühlt?

Die Beziehung zu diesem Mann hielt nur ein paar Monate. Als ich bemerkte, dass ich schwanger war, war ich bereits getrennt. Für mich stand fest, dass ich Juliana trotzdem bekommen will. Ich hatte nie Zweifel daran, es schaffen zu können. Natürlich war die Erfahrung damals heftig, aber ich hatte stets den Rückhalt meines Papas. Er meinte immer: „Ich spüre, dass alles gut wird.“ Und so war es dann auch. Meine Eltern haben mich sehr aufgefangen und oft nach Hause geholt, wenn es mir nicht gut ging.

Nur einen Monat nach der Geburt Ihrer Tochter lernten Sie Stefan, einen Architekturstudenten, kennen. Er bewohnte das Zimmer einer WG-Kollegin. Ganz schnell wurde aus Ihnen ein Paar. Er nahm Juliana wie sein leibliches Kind an und hat sie adoptiert. Mit 24 Jahren haben Sie ihn geheiratet und sind mit ihm nach Graz gezogen. Dort kam dann der gemeinsame Sohn Franz Felix (heute 20) zur Welt. Welche Erwartungen hatten Sie damals von diesem gemeinsamen Leben?

Ich stellte mir vor, was es dann auch wurde: eine runde Sache ohne große Konflikte. Stefan und ich haben uns gut verstanden. Wir waren nicht nur ein Paar, sondern auch gute Freunde. Das ist eine solide Basis für ein feines, unaufgeregtes Familienleben. Wir haben auch kirchlich geheiratet. Mein Versprechen „In guten wie in schlechten Zeiten“ und „Bis dass der Tod uns scheidet“ war nicht nur so dahergeredet. Wir beide waren felsenfest überzeugt, dass unsere Liebe für immer hält.

Nikola Köhler-Kroath und ihre Tochter

Nikola Köhler-Kroath und ihre Tochter

Nach zehn Jahren folgte aber die Scheidung. Ihre Mutter sagt, dass Sie von Stefan „zu viel gefordert“ hätten. Sie hätten ihn „angetrieben“ – das sei ihm „zu viel geworden“. Stimmt dieser Blick von außen?

Teilweise. Stefan und ich entwickelten uns in unterschiedliche Richtungen. Ich schloss mein Studium ab und begann zu arbeiten. Er wiederum ließ sich beim Studieren Zeit, jobbte nur halbtags und kümmerte sich um die Kinder. Dafür bin ich ihm dankbar, denn ohne seine Unterstützung hätte ich nie Karriere machen können. Stefan war großartig! Er hielt mir immer den Rücken frei. Als ich aber Hans kennenlernte und merkte, dass ich Gefühle für ihn hege, zog ich die Reißleine und trennte mich von Stefan. Jetzt, im Nachhinein, kann ich nachempfinden, dass meine Entscheidung für ihn furchtbar gewesen sein muss. Ich sehe nämlich erst jetzt, was man einem anderen antun kann. Das tut mir unheimlich leid! Deshalb schrieb ich ihm vor einigen Tagen ein Mail mit einer ganz aufrichtigen Entschuldigung.

Hat Stefan schon geantwortet?

Nein, aber das war zu erwarten. Wir haben ja heute keinen Kontakt mehr. Er hatte nach mir ganz rasch eine neue Partnerin. Mit ihr ist er nach wie vor liiert – auch sehr glücklich, glaube ich.

Trotzdem hielten Stefan und Sie als Eltern zusammen. Wie ist Ihnen das gelungen?

Uns beiden war das Wohl der Kinder enorm wichtig. Deshalb gestalteten wir trotz Trennung feierliche Anlässe gemeinsam – etwa Geburtstage, Zeugnisverteilungstage oder den Maturaball von Juliana. Erst als die Kinder älter wurden, hörte das auf.

Kommen wir zu Hans. Er war Ihr Chef und zum Zeitpunkt des Kennenlernens geschieden und Vater einer Tochter (heute 22). Wussten Sie sofort, dass Sie mit ihm zusammen sein wollen?

(denkt nach) Ich weiß nur, dass ich mich monatelang in einem schrecklichen Gefühlswirrwarr befand. Dieser Zustand verlangte mir viel ab, weil ich versuchte, das Richtige zu tun. Deshalb beichtete ich Stefan gleich, dass ich mich in Hans verliebt hatte. Immer wieder beschäftigte mich die Frage: Wo genau fängt Betrug an? Erst beim Sex oder schon beim Verlieben?

Gute Frage! Sicher ist es richtig, eine Beziehung erst zu beenden, bevor man sich auf etwas Neues einlässt. Würden Sie wieder so handeln und entscheiden wie damals?

Nein. Ich würde mich schon trennen, wenn ich weiß, dass ich in der bestehenden Beziehung nicht mehr glücklich bin. Man sollte ehrlich zu sich selbst sein und gehen, wenn es nicht mehr passt. Aus Gewohnheit zu bleiben, ist keine gute Idee, auch wenn Kinder involviert sind. Würde ich nochmal in so einer Situation stecken, würde ich auch alles versuchen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Aber die wenigsten Trennungen laufen rational, vernünftig und fair ab. Meist sind viel zu viele Emotionen im Spiel. Es ist schon schwer genug, sich einzugestehen, dass eine Beziehung an ihrem Ende angelangt ist – vor allem, wenn man sich gemeinsam etwas aufgebaut hat.

Ihre Mutter beschreibt Hans als „distanziert“ und „Einzelgänger“. Sie meinte, dass Sie anfangs Schwierigkeiten hatte, mit ihm „warm zu werden“. In ihren Augen hätten Sie Hans „viel zu schnell“ geheiratet …

Ja, vielleicht. Mir war es halt wichtig, nach zwei Jahren Beziehung Nägel mit Köpfen zu machen. Ich wollte keine Larifari-Geschichte, sondern ein Bekenntnis zueinander.

Auch Ihre Tochter Juliana lehnte Hans anfangs ab. Trotzdem wurde eine Patchwork-Familie aus Ihnen allen. 2015 gesellten sich noch zwei Adoptivsöhne dazu: die afghanischen Halbbrüder Noorullah (heute 19) und Atawollah (heute 21). Was steckt hinter dieser Geschichte?

Hans und ich saßen damals vor dem Fernseher und sahen einen Bericht über die Lage am Grenzübergang Spielberg. Juliana war bereits ausgezogen und auch Laura gerade dabei. Da meinte Hans: „Uns geht’s so gut. Eigentlich haben wir alles. Nehmen wir doch zwei Kinder bei uns auf!“ Ich antwortete: „Du hast recht!“ Kurz später absolvierten wir eine Pflegeeltern-Ausbildung und hießen unsere Bonussöhne willkommen.

Nikola Köhler-Kroath und ihre Söhne

Nikola Köhler-Kroath und ihre Söhne

Die Jahre verstrichen. Sie erzählen, dass dann vor einigen Monaten Hans äußerte, dass ihm das volle Haus zu viel sei und er Ruhe, Rückzug und Zeit für sich brauche. Sie zeigten Verständnis, spielten ihn frei und schupften – trotz Berufstätigkeit und Ihrem Doktoratsstudium, das Sie im vergangenen Sommer beendeten – vieles im Alleingang. Doch dann gestand Hans Ihnen eines Abends vor dem Schlafengehen, dass es eine andere Frau gebe. Unmittelbar danach zog er aus und bei ihr ein …

Ja, so war es. Ich dachte, ich höre nicht recht, als Hans mir das mitteilte und mich vor vollendete Tatsachen stellte. Ich glaube, dass wir uns beide in den letzten Jahren zu sehr verausgabt haben. Ich halte Mehrfachbelastungen gut aus. Hans hingegen braucht Ruhe, sonst geht er kaputt. Nachdem wir beschlossen hatten, unser Haus umzubauen und den Garten neu anzulegen, stand er ja in seiner Freizeit nur noch auf der Baustelle. Er wollte nichts aus der Hand geben, alles selbst machen. Das war bestimmt eine Belastung. Hinzu kam, dass er in der Arbeit nicht mehr glücklich war. Ich spürte seine Unzufriedenheit und versuchte mit ihm darüber zu reden und Lösungen zu suchen. Ich schlug ihm vor, eine längere berufliche Auszeit zu nehmen und den Hauszubau auf Eis zu legen. Ich war sogar bereit ihn zu unterstützen, als er überlegte, ins Ausland zu gehen und nur einmal im Monat nachhause zu kommen. Wir spielten alle Varianten durch, aber er machte immer mehr zu. Ab Dezember des Vorjahrs dachte ich, dass er sich wieder fängt, weil er offener und gesprächiger wurde. Heute weiß ich, dass es damals schon die andere Frau gab. Die ersehnte Ruhe fand er nicht bei uns, sondern bei ihr.

Was hätten Sie, rückblickend betrachtet, anders gemacht?

Ich hätte ihm schon zu Beginn unserer Ehe mehr Freiraum geben müssen. Das war ich aber aus meinen früheren Partnerschaften nicht gewohnt. Da war es so, dass alles gemeinsam gemacht wurde. Hans wiederum war es gewohnt, nichts gemeinsam zu machen. Dadurch gab es klarerweise Reibungspunkte zwischen uns, denn ich versuchte ihn zu gemeinsamen Unternehmungen zu überreden. Ich dachte, er brauche nur einen Anstoß. Aber Fakt ist, dass sein einzelgängerisches Verhalten seiner Persönlichkeit entspricht. Leider habe ich das lange Zeit nicht gesehen und nicht entsprechend reagiert. So war der Wurm drin – von Anfang an. In Zukunft werde ich darauf achten, weniger fixe Vorstellungen von einem Partner zu haben und ihn so zu akzeptieren wie er ist.

In der „Rosaroten-Brillen-Phase“ sehen viele den Partner oder die Partnerin nur im schönsten Licht. Eigenheiten, die jeder hat, zeigen sich erst später. Viele meinen dann: „Der oder die ändert sich schon – für mich!“ Einen anderen Menschen ändern zu wollen, ist aber übergriffig und auch schädlich für einen selbst, weil man sich ja selbst täuscht.

Absolut! Ich selbst wollte Hans nie ummodeln. Trotzdem warf er mir vor, dass ich ihn nicht so annahm, wie er ist. Ich sehe das anders, denn ich habe meine ganze Freizeit ohne ihn verbracht. Er wollte nie mit mehreren Leuten unterwegs sein. Deshalb tat ich das ohne ihn mit befreundeten Paaren. Hans nutzte meine Abwesenheit zum Schlafen, zum Garteln und zum Arbeiten am Computer. Bei Familienfesten war er zwar dabei, aber ich glaube, dass ihm diese nichts gaben. Er war viel mit sich selbst beschäftigt. Seinen Wunsch nach Alleinsein hätte er klarer formulieren müssen. Bei mir kam dieser Wunsch viele Jahre nicht an. Irgendwann war es zu spät.

Ihre Mutter sagt, Sie seien nach der Trennung „am Boden zerstört“ gewesen, doch der Kummer werde „von Tag zu Tag weniger“ …

Das hätte Mama gerne. Sie sieht nicht in mich hinein, ich zeige ihr mein Inneres auch nicht. Seit einiger Zeit kann ich zwar wieder lachen, aber in Wahrheit geht es mir nicht gut. Ich kann nicht schlafen, nicht normal essen. Ich übergebe mich und heule jeden Tag. Diese Trennung hat mir den Boden unter den Füßen weggerissen und mich in einen Schockzustand versetzt. In den ersten Wochen konnte ich nicht richtig arbeiten, keinen geraden Satz denken, mich zu nichts aufraffen. Es gab Momente, in denen ich dachte, mein Leben sei vorbei. Besonders schmerzhaft ist für mich dieser Vertrauensbruch. Die Art, wie mit mir Schluss gemacht wurde. Und dass ich keine Chance bekam, die Situation mit Hans besprechen zu können. Ich habe diese Trennung nicht kommen sehen, denn noch wenige Tage zuvor massierte Hans mir die Füße und meinte, dass er mich niemals verlassen würde (ihre Stimme bricht).

Promotion Nikola Köhler-Kroath

Wie gehen Sie mit Ihrem Kummer um? Spielen Sie wieder Klavier wie damals als Kind?

Nein, das freut mich nicht. Stattdessen lasse ich den Schmerz zu, wann immer er auftaucht. Auch mein Kopf ist sehr beschäftigt. Hans und ich hatten stets eine intellektuelle Beziehung. Ich hätte ihm nie zugetraut, dass er einfach so geht, mich ausradiert und mit einem Scherbenhaufen zurücklässt. Das entspricht ihm nicht. Hans war mein Lebensmensch, mein sicherer Hafen. Er war alles für mich! Ich habe ihm blind vertraut. Dass ausgerechnet er mich so verletzt! Und dann gibt es auch noch die Sorgen, wie es weitergeht. Ich hoffe sehr, dass die Kinder und ich im Haus bleiben können und wir uns nicht ein neues Zuhause suchen müssen. Darüber hinaus habe ich unheimliche Kosten zu stemmen, muss die Scheidung in die Wege leiten und vieles organisieren. Wahrscheinlich hat Hans mir eh nie gut getan. Und ich ihm auch nicht …

Was tut Ihnen denn jetzt gut?

Das Zudecken mit Menschen, die mir Halt geben. Ich rede viel mit Freundinnen und habe sofort therapeutische Hilfe in Anspruch genommen. Außerdem gehe ich regelmäßig zur Körperarbeit. Auch meine Kinder sind großartig. Sie achten darauf, dass ich wenig alleine bin. Ich fange auch an, mich gut um mich selbst zu kümmern.

War Selbstfürsorge für Sie davor nie ein Thema?

Ich gehe regelmäßig zu Shiatsu-Massagen, aber was Selbstzuwendung wirklich bedeutet, muss ich jetzt erst lernen. Ich war bisher nur auf die Kinder und Hans ausgerichtet und tat alles, damit es für ihn passt und er sich wohlfühlt. Mich habe ich dabei sträflich vernachlässigt. Das ärgert mich nun. Wie konnte ich nur zulassen, dass er zu meinem Lebensinhalt wird?

Ein Fehler, denn die längste Beziehung im Leben hat man mit sich selbst!

Das ist wahr. Das begreife ich erst jetzt. Diese Erkenntnis ist das Geschenk und der Sinn dieser Trennung.

Ihre Eltern unterstützen Sie. Täglich wird telefoniert. Neulich verbrachten Sie das Wochenende bei Ihnen. Ihre Mutter hat Sie bekocht, in den Arm genommen, Ihnen zugehört ohne zu werten, so wie damals als Teenager, wenn Sie Kummer hatten. Sie meint: „Ein Kind bleibt halt ein Kind, auch wenn es längst erwachsen ist. Wenn es leidet, leidet man als Mutter mit.“ Wie verändert diese Zuwendung das Verhältnis zu Ihrer Mutter?

Es ist definitiv inniger geworden. Die engere Beziehung hatte ich ja früher zu meinem Papa, der immer den emotionalen Part übernahm. Deshalb war ich so ein Papa-Mädi. Aufgrund der aktuell schwierigen Phase ist Mama mir näher gerückt. Das ist schön! Jetzt fordere ich auch das Kuscheln ein. So geschieht auch ein Stück weit die Heilung meines inneren Kindes.

Ihre Mutter sagt, dass Sie große Angst davor haben, eines Tages allein zu sein, denn die Kinder gehen allmählich ihre eigenen Wege. Sie sagt auch, dass Sie noch nie in Ihrem Leben allein waren. Wie gehen Sie mit dieser Angst um?

Ich stelle mich ihr, auch meiner Angst vor dem Neuen und Unbekannten. Mein Sohn Ata fragte mich vor kurzem: „Suchst du dir jetzt schnell wieder einen neuen Mann?“ (lacht) Ich antwortete: „Nein, ich suche jetzt mich!“ Aus seinem kulturellen Verständnis heraus ist es für ihn schwer vorstellbar, dass eine Frau allein leben kann. Aber er wird jetzt eine Mutter erleben, die das sehr wohl zuwege bringt. Das wird auch für ihn eine neue Erfahrung werden.

Haben Sie nun der Männerwelt abgeschworen?

Nein! Ich möchte keine verbitterte Frau werden und sagen: „Alle Männer sind Scheiße!“ Das stimmt nämlich nicht. Außerdem glaube ich daran, dass es auch für mich jemanden gibt, mit dem ich glücklich werden kann. Doch mit einer neuen Partnerschaft lasse ich mir Zeit. Mich gleich in die nächste zu stürzen, wäre weder mir noch dem neuen Mann gegenüber fair.

Nikola Köhler-Kroath im Museum

Foto: J.J. Kucek / Universalmuseum Joanneum

Inzwischen haben Sie Ihre Arbeit nach der Kurzarbeit wieder voll aufgenommen. Sie leiten im „Museum Joanneum“ in Graz den Bereich „Pädagogik und Vermittlung im Center of Science Activities“. Was wird dort angeboten?

Das CoSA ist ein Science Center, in dem in unterschiedlichen Räumen Besucherinnen und Besucher aktiv und spielerisch Naturwissenschaften und Technik erleben. So zum Beispiel im Raum, in dem es um Energie und Ressourcen geht. Wir alle treffen täglich Entscheidungen, die Auswirkungen auf das Klima haben. Damit sich unsere Gäste damit auseinandersetzen, spielen wir in diesem interaktiven Raum Alltagssituationen nach. So etwa müssen sie auf einem Rad strampeln und sehen am Bildschirm, wie sie durch Graz radeln. Während der Fahrt erhalten sie Infos zum Thema „Mobilität“. Nach der Fahrt entscheidet jede und jeder selbst, wie sie oder er von A nach B kommen möchte – und erfährt, wie sich die Gäste davor entschieden haben. Auch Fragen hinsichtlich Handynutzung oder Kleider- und Lebensmittelkauf werden so erlebbar gemacht.

Eignen sich die interaktiven Spiele nur für Kinder oder auch für Erwachsene?

Das CoSA ist für junge Menschen ab zehn Jahren entwickelt, eignet sich aber auch für Erwachsene und Familien. An den Wochenenden gibt es Upcycling-Aktivitäten, Robotics-Workshops und „Science Shows“, die zum Mitmachen und Staunen einladen. Viele unserer Gäste verlassen das Museum mit der Erkenntnis, dass Wissen spannend und vielfältig ist und dass Naturwissenschaften und Technik nicht automatisch schwierig, kühl und ausschließlich männlich behaftet sein müssen. Ihnen wird aber auch bewusst, dass wir alle aktiv mitarbeiten können und müssen, um unseren Planeten auch für nächste Generationen als wundervollen Ort zu erhalten.

Petra KlikovitsPetra Klikovits

In ihrer monatlichen Onlinekolumne „Meine wunderbare Tochter“ führt Petra Klikovits bewegende Gespräche mit Töchtern, Schwiegertöchtern, Enkeltöchtern, Stieftöchtern, Adoptivtöchtern, Pflegetöchtern, Patchwork-Töchtern und anderen Bonustöchtern von Leserinnen, die auf diese via [email protected] aufmerksam machen. Mehr von Petra Klikovits lesen Sie jeden Monat in  Welt der Frauen.

Fotos: privat, Isabella Bloom Photography, J.J. Kucek / Universalmuseum Joanneum

  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 01.04.2021
  • Drucken