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Manderl oder Weiberl. Wer kennt sich da noch aus?

Höhepunkt des Ausseer Faschings ist der sogenannte Flinserlzug am Faschingsdienstag. Ein Versuch, Licht in das Dunkel dieser närrischen Faschingswelt zu bringen.

Im Ausseer Fasching steht die Welt Kopf. Einerseits verkörpern Männer Frauenrollen, denn Frauen in Kostümen sind in der traditionellen Faschingswelt nicht üblich. Andererseits führt doch eine Frau das närrische Treiben der sogenannten Flinserl an, die zur Hälfte weiblich besetzt sind. Ausnahmsweise. Ein Versuch, Licht ins närrische Dunkel der Ausseer Faschingswelt zu bringen.

In alte, wattierte Kleider gehüllte Burschen, einen Bienenkorb über dem Kopf, liefern sich mit Kindern eine wilde Jagd mit Schneebällen und nassen Lappen. Männer in Frauennachtgewändern ziehen mit Trommeln und Trompeten durch den Ort. Und Männer und Frauen in wunderschön mit Silber bestickten Kostümen verteilen Nüsse an die Kinder. Was für Außenstehende wie ein Sammelsurium an Faschingsspektakeln wirkt, hat freilich ein handfestes Konzept mit vermutlich heidnischen Ursprüngen: Die Burschen sind die sogenannten „Pless“ und verkörpern den Winter, den die Kinder aus dem Ort vertreiben möchten. Die Männer in Frauennachtgewändern werden Trommelweiber genannt und versuchen das Gleiche mit reichlich Lärm. Und die Figuren in den prachtvollen Kostümen stellen den Frühling dar. Der Kampf zwischen Winter und Frühling dauert drei Tage ohne Unterbrechung. Kein Wunder, dass die Faschingszeit ob ihrer Intensität im Ausseerland als fünfte Jahreszeit bezeichnet wird. 

NICHT OHNE FRAUEN
Die Flinserl, die Frühlingsgestalten des Ausseer Faschings, werden seit Hunderten von Jahren von Frauen und Männern gleichermaßen verkörpert. Ausnahmsweise. Denn üblicherweise agieren Frauen bei alpenländischen Faschingsbräuchen nur im Hintergrund. Warum es beim Ausseer Fasching anders ist, dafür gibt es keine rechte Erklärung. „Es ist immer schon so“, hört man meist als Begründung. Gleichzeitig ist es immer auch schon so, dass eine Frau die Anführerin der Flinserl ist, das sogenannte Oberflinserl. Es entscheidet, welche Route der Faschingszug nimmt, in welches Gasthaus man geht oder welche auswärtigen Einladungen angenommen werden. Seit 20 Jahren ist Gertrude Muhr, eine 88-jährige ehemalige Geschäftsfrau, das Oberflinserl. Eine Frau in einer Spitzenfunktion bei all der Männerdominanz im Ausseer Fasching scheint eine herausfordernde Rolle zu sein. „Gar nicht. Die haben mich alle akzeptiert. Das war sehr schön“, sagt sie, die heuer das Zepter an eine Jüngere abgeben wird. „Resolut muss man schon sein, aber das bin ich.“ Die Flinserl entstammen alteingesessenen Bürgerfamilien, was jetzt allmählich etwas gelockert wird. Aber durch die aufwendigen, kostspieligen Kostüme wird der Kreis der TrägerInnen automatisch weiterhin eingeschränkt. Für die Herstellung eines Flinserlkostüms, das deutliche Ähnlichkeit mit dem italienischen Harlekin hat, muss man an die 500 Arbeitsstunden rechnen. Naturleinen wird mit ornamentalen und figuralen Tuchflecken und mit Silberflitter bestickt, wobei hier pro Kostüm 1,5 kg Pailletten aus echtem Silber verwendet werden. So ein Kostüm ist ein Schatz, der von Generation zu Generation weitergegeben wird. „Die Jungen sind alle sehr froh, wenn sie ein Flinserlkostüm erben und mitgehen können. Es ist eine Ehre für sie, dabei zu sein“, ist Gertrude Muhr überzeugt.

Und auch das Instandhalten der Kostüme geht ins Geld, denn bei jedem Tragen geht Silberflitter verloren, der wieder neu angenäht werden muss. Das ist traditionell die Aufgabe der Frauen, ebenso wie das Herstellen der Kostüme. Wollen die Männer in den Prachtkostümen als Flinserl mitgehen, sind sie auf die Frauen angewiesen. Vielleicht hat das den Frauen die Macht gegeben, selbst in die Kleider schlüpfen zu dürfen? Wer weiß.

FRAUEN, BITTE NICHT
Die Trommelweiber dürfen allerdings nicht von Frauen verkörpert werden. Wird das auch von den Jungen klaglos akzeptiert? „Die Trommelweiber sind schon 300 Jahre alt. Das ist so und wird immer so bleiben. Tradition muss man hochhalten. Die Jungen verstehen das“, weiß Gertrude Muhr. In Altaussee sehen es manche aber doch nicht ein, da schlüpfen seit ein paar Jahrzehnten Frauen in die Frauennachtgewänder der Trommelweiber. Viele Frauen würden aber vermutlich schon an den Aufnahmekriterien scheitern. Denn die „Novizinnen“ müssen unter anderem eine Zigarre rauchen und einen Viertelliter Schnaps ex trinken. Und wer weiß, vielleicht liegt der Ursprung der Trommelweiber wirklich in der Trinkfreudigkeit der Männer, wie man sich erzählt. So sollen einige resolute Ehefrauen anno dazumal ihre Gemahle vom Wirtshaus heimgetrommelt haben.

ARBEITERINNEN, JETZT DOCH
Früher war der Ausseer Fasching ein reiner Fasching der BürgerInnen. Vor circa 70 Jahren aber wurden als Gegenstück zu den bürgerlichen Trommelweibern die Arbeitertrommelweiber in Unterkainisch gegründet, und seit 2006 wird eine Gruppe Arbeiterflinserl in Bad Aussee gesichtet. Manches bewegt sich also doch in der traditionellen Welt des närrischen Ausseer Faschings. Und wer sie verstehen möchte, muss sich wohl daran gewöhnen, dass es keine Regel ohne Ausnahme gibt. Nix ist fix. Außer dass auch heuer wieder zwischen Faschingssamstag und Faschingsdienstag die fünfte Jahreszeit im Ausseerland ausbricht.  

Buntes Faschingstreiben in Aussee

Höhepunkt des Ausseer Faschings ist der Flinserlzug am Faschingsdienstag, 17. Februar, um 14.00 Uhr. Ausgehend vom Sammellokal, dem Gasthof „Blaue Traube“, begibt sich der Zug, angeführt von der Flinserlmusik und beschützt durch die Zacherl, von einem Ortsende zum anderen und zuletzt zurück ins Ortszentrum. www.ausseerland.at        

Erschienen in „Welt der Frau“ Ausgabe 02/15 – von Christa Langheiter

 

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  • Veröffentlicht: 04.02.2015
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