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04-05/24

Literarische Reise nach Salzburg

Literarische Reise nach Salzburg

Wie passt die Gegend im Buch mit der vor den eigenen Augen zusammen? Wie verweben sich Landschaft und literarische Geschichten? Lese- und Reisetipps durch Österreich in neun Teilen. Lesend reisen, reisend lesen – Teil 2: Salzburg. Von Christina Repolust.

SALZBURG: Heimat auf der Waage

„Rückwärts durch die Knie betrachtet
war die Welt schon immer am interessantesten,“

meint der in Maria Alm geborene Autor Wolf Haas.

Fest steht, der Autor Wolf Haas wurde 1960 in Maria Alm am Steinernen Meer geboren. Sein Roman „Junger Mann“ trägt autobiografische Züge: Er, der junge Mann, arbeitet in dem Jahr, als die Ölkrise ausbricht, während der Ferien bei der Shell-Tankstelle in seinem Heimatort. Er ist Schüler in Salzburg, manche im Ort sagen voraus, dass er einmal Priester werden würde, schließlich heiße die Schule, die er besuche, ja auch „Erzbischöfliches Gymnasium“. Der Kosmos dieses Romans erstreckt sich zwischen der Badezimmerwaage der elterlichen Wohnung und der Tankstelle: Dieser Entwicklungs- und Antiheimatroman erzählt von Sehnsüchten, wie es keine Postkarte aus dem schönen Pinzgau besser schaffen könnte. Hier entwickelt sich, es reichen Halbsätze, ein verliebter Jugendlicher; er fährt mit seinem „Schwarm“, der Dorfschönheit Elsa, übers Deutsche Eck in die Landeshauptstadt Salzburg: Grenzkontrollen wiegen schwerer, wenn man der Frau an der Seite imponieren will und doch noch fast ein Kind ist.

Salzburg, das ist dann das Areal der Landesnervenklinik – der Vater ist dort auf Entzug. Hier schmiegt sich kein schöner Ort an den anderen, hier kämpft ein Jugendlicher um Anerkennung, hier gibt sich ein Schüchterner altklüger, als er ist. Die Fahrten mit dem Rennrad, die dienen nicht dem Landschaftsgenuss, sondern dem Kalorienverbrauch, die Waage beginnt, erste Erfolge zu zeitigen: „Meine tägliche Runde führte zu der Villa am Ortsrand. Ich fuhr sie jeden Tag ein paarmal, immer dieselbe Runde.“ Die Stille, die am frühen Morgen über dem Tal liegt, ist eine trügerische. Das erkennt der Protagonist, der sich selbst beobachtende Icherzähler, spätestens dann, als er versucht, seinen kaputten Reifen zu flicken: Es gelingt ihm nicht, das Geräusch der aus dem Fahrradschlauch ausströmenden Luft zu hören. Man kennt sich und die anderen im Ort: „Der amerikanische Schokoladenfabrikant Mister Mars hatte hier auch irgendwo eine Villa. Genau wie der deutsche Bundespräsident Scheel und der Nazi Spitzy und alle möglichen Millionäre.“ Der Sommer ist dann aus, die Waage zeigt 78 Kilo.

Buch Wolf Haas Junger MannWolf Haas:
Junger Mann.
Verlag Hoffmann
und Campe,
22,70 Euro

 

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  • Veröffentlicht: 08.08.2020
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