Heldinnen – das waren meine Mutter, meine Tanten und meine Großmütter als Kind für mich. Sie haben allein die Sorgearbeit geleistet und dafür ihre eigene Karriere vernachlässigt. An erster Stelle stand immer das Wohl der Kinder. Ihr Ziel war es, unsere Kindheit so unbeschwert wie nur möglich zu gestalten.
Ich habe gesehen, wie unglaublich stark diese Frauen sind. Für mich waren sie Heldinnen, die jede Hürde, jedes Hindernis aus dem Weg räumen konnten. Meine Oma erzählte mir immer von den Frauen, die nach dem Krieg alles wieder aufgebaut hatten, weil die Männer gefallen waren. Sie sagte, dass ich eines Tages genauso stark sein würde und alles erreichen könnte, wenn ich nur fest an mich glaubte.
Ich habe früh gelernt, dass von Frauen erwartet wird schön zu sein.
Schon in Kinderfilmen wie „Barbie“ hatten die Charaktere eine schmale Taille, große Brüste, blonde Haare und kleine Nasen. Durch Barbie und viele weitere fiktive Charaktere wurde uns das Schönheitsideal schon von klein auf eingebläut. Die Blonde ist immer die Schönste, die mit dem braunen Pferdeschwanz und der Brille die Kluge, die große strenge Frau im Hosenanzug macht Karriere, und die kleine freundliche Frau im Kleid ist eine liebevolle Mutter.
Klug oder schön? Karriere oder Kinder? Wieso können die weiblichen Charaktere in Serien und Filme nicht all das zusammen sein?
Je älter ich wurde, desto mehr begann ich, das mir vorgelebte Bild von Weiblichkeit zu hinterfragen. Muss mein Bild dasselbe sein wie jenes der Gesellschaft?
Im Alter von 13 Jahren ging ich durch eine Phase, in der ich mich sehr maskulin kleidete. Weite T-Shirts, weite Hosen und eine Kappe stellten für meine Familie ein sehr befremdliches Bild dar. Zunehmend wurde ich auch anders behandelt, ausschlaggebend dafür war meine Kleidung. Mein äußeres Erscheinungsbild hatte an meinem Gefühl von Weiblichkeit aber nichts verändert.
Als ich wieder anfing mich „weiblicher“ zu kleiden und mich mit Make-up zu beschäftigen, bemerkte ich schnell, dass Menschen nun anders auf mich zugingen und ich auffallend mehr Komplimente bekam. Dabei bewirkt das Tragen von Make-up zwar, dass ich mich schöner fühle, aber noch lange nicht weiblicher.
„Mit der Zeit habe ich auch gelernt, dass man Weiblichkeit nutzen kann.“
Mit der Zeit habe ich auch gelernt, dass man Weiblichkeit nutzen kann. Um etwas zu bekommen, reicht oft das richtige Kleid mit Ausschnitt, ein verführerischer Blick und ein strahlendes Lächeln. Egal ob in der Schule, bei der Arbeit, im Club oder selbst innerhalb der eigenen Familie öffnet diese scheinbare Weiblichkeit Türen, die ohne den gezielten Wimpernschlag vielleicht verschlossen geblieben wären.
Aber fühle ich mich dadurch in meiner Weiblichkeit bestärkt? Oder bleibt am Ende nur das Gefühl, andere manipuliert zu haben?
Macht mein Aussehen allein mich weiblich oder nicht weiblich?
Bin ich weniger weiblich, wenn ich meine Haare kurz schneide?
Bin ich weniger weiblich, wenn ich meine Beinhaare nicht rasiere?
Bin ich weniger weiblich, wenn ich meine Fingernägel nicht lackiere?
Bin ich weniger weiblich, wenn ich kein Make-up trage?
Nein. Aber fühle ich mich dann weniger weiblich?
Ist es meine Weiblichkeit, die mich dazu bringt, perfekt aussehen zu wollen oder sind es die gesellschaftlichen Erwartungen und Stereotype? Gibt es Weiblichkeit überhaupt? Für mich ist sie einfach nicht begreifbar.
Ich kann nicht leichtfertig sagen, dass ich Weiblichkeit definiert habe. Ich kann auch nicht sagen, dass ich Weiblichkeit für mich definiert habe. Aber ich befinde mich auf dem Weg, Stück für Stück herauszufinden, was Weiblichkeit für mein Leben bedeutet.