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04-05/24

Frauen verdienen mehr (als sie bekommen)!

Frauen verdienen mehr (als sie bekommen)!

Wie man es dreht und wendet, bereinigt und relativiert: Frauen bekommen weniger Gehalt als Männer. Woran das liegen mag und wie man besser verhandelt.

Die Statistik zeigt, dass die Richtung stimmt: Die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern (gemessen an den mittleren Brutto-Jahreseinkommen) hat sich von 39,8% im Jahr 2009 auf 36,4 % im Jahr 2019 leicht geschlossen. In absoluten Zahlen bedeutet das: 2019 verdienten Frauen 13.033 € weniger pro Jahr. Dabei ist natürlich zu bedenken, dass das Netto-Einkommen aufgrund der progressiven Besteuerung etwas weniger große Unterschiede aufweist (29,7%) und noch einmal kleiner wird die Differenz, wenn man die Unterschiede zwischen Vollzeit- und Teilzeit betrachtet (14,3). Unterm Strich bleibt es jedoch, was es ist: ein Unterschied. Frauen verdienen weniger Geld als Männer.

Um die Gehaltsunterschiede vergleichbar zu machen, wurde der international standardisierte Gender Pay Gap erschaffen, der sich auf die durchschnittlichen Brutto-Verdienste pro Stunde und auf Beschäftigte in Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten in der Privatwirtschaft. Dieser Gender Pay Gap hat sich in den Jahren zwischen 2009 und 2019 von 24,3% auf 19,9% verringert. Der EU-Schnitt beträgt allerdings 14,1% – da liegt Österreich nach wie vor deutlich darüber. Zuletzt wurde für das Jahr 2014 die sehr aufwändige Berechnung des Gender Pay Gaps unter Berücksichtigung von Merkmalen wie Branche, Beruf, Alter etc. durchgeführt. Diese ergab für Österreich einen Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern von rund 9%, der nicht erklärt werden kann. Im EU-Vergleich gehört Österreich damit in die Gruppe jener acht Länder, die mit einem bereinigten Gender Pay Gap von weniger als 10% unter dem EU-Schnitt liegen. Unterboten wird dieser Wert noch von Zahlen der OECD, die Österreich eine unerklärbare Lohndifferenz von nur 5,4% bescheinigt – in im internationalen Vergleich geringer Wert.

„Eine Studie des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt, dass Frauen eher zufrieden mit ihrem Gehalt sind als Männer und seltener oder gar nicht nach einer Gehaltserhöhung fragen.“

Vielfältige Gründe

Alles gut, also? Nein. Denn auch 5 oder 10 Prozent ist ein Unterschied, den es eigentlich nicht geben sollte. Die Gründe für seine Existenz sind vielfältig. Am Anfang steht wohl die Berufswahl. Allein dadurch, dass Frauen häufiger Wege in Richtung Berufe einschlagen, die schlechter bezahlt sind (Einzelhandel, körpernahe Dienstleistungen, soziale Berufe) und Männer jene Bereiche wählen, in denen es traditionellerweise mehr Geld gibt (technische Berufe), öffnet sich die Schere.

Eine weitere Erklärung dafür ist, dass Gehaltsverhandlungen mit Frauen tatsächlich anders ablaufen als jene Mit Männern. Sie werden – bewusst oder unbewusst – diskriminiert oder verlangen einfach weniger. Eine Studie des deutschen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt, dass Frauen eher zufrieden mit ihrem Gehalt sind als Männer und seltener oder gar nicht nach einer Gehaltserhöhung fragen.

Jedenfalls ist selbst für Soziologen der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern von knapp 20 Prozent nicht restlos erklärbar. Eine Vermutung, die sich unter Ökonominnen und Ökonomen hält, ist, dass Frauen weniger Energie darin investieren, Fortbildungen oder Seminare zu besuchen, die ihre Karriere vorantreiben könnte. Wohl, weil ihre Berufswege – Kinder, Familie, Pflege – ohnehin weniger geradlinig und schwieriger planbar verlaufen. Denn so viel ist klar: Frauen, die den Großteil der Kinderbetreuung übernehmen, haben neben ihrer regulären Arbeit keine Zeit, sich um Weiterbildungen zu kümmern und arbeiten ohnehin oft in Teilzeit. Es ist also ein in sich verschlungenes, voneinander abhängiges System, das am Ende ein ernüchterndes Resultat liefert: Frauen bekommen weniger Geld als Männer – obwohl sie gleich viel verdienen würden.

Let´s talk money!

Nach mehr Gehalt zu fragen, fällt vielen schwer. Hier einige Tipps zur erfolgreichen Gehaltsverhandlung.

– HOCHSTAPELN. Bescheidenheit ist eine ehrenwerte Eigenschaft – jedoch nicht, wenn es um knallharte Zahlen geht. Tiefstapeln, in Kombination mit Perfektionismus, ist überhaupt teuflisch. Seine Leistung stolz nach außen zu tragen, auch wenn es um vermeintlich selbstverständliche Aufgaben geht, ist nie verkehrt. Man sollte sich nicht dafür schämen, über positives Feedback auf die eigene Arbeit zu sprechen.

– VORBEREITEN. Eine Gehaltsverhandlung ist leicht vergleichbar mit einem sportlichen Wettkampf. Auch dabei ist es unumgänglich, sich gut vorzubereiten. Allein schon, die geforderte Summe ein paar Mal laut auszusprechen, die eigenen Leistungen aufzuzählen (vor dem Spiegel oder jemandem Vertrauten) ist sehr hilfreich.

– KONKRETISIEREN. Es ist jedenfalls von Vorteil, eine konkrete Summe zu nennen. Dabei klar und sachlich bleiben, keine Witze oder abschwächende Gesten machen. Die Summe sollte sich daran orientieren, was Kolleginnen und Kollegen verdienen und was branchenüblich ist. Am besten, knapp über einer „runden Summe“ in die Verhandlung einsteigen, sodass man mit der abgerundeten Summe noch gut leben kann.

– RATIONAL BLEIBEN. Wird die Forderung abgelehnt, ist das ein Tiefschlag – der aber nicht persönlich genommen werden sollte. Jetzt heißt es: nicht emotional werden, sondern rational nachfragen, woran es liegt (War die Leistung vielleicht doch nicht ausreichend?) und Ziele vereinbaren, bei deren Erreichung die Gehaltserhöhung dann doch gewährt wird.

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  • Veröffentlicht: 25.07.2022
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