Rund 160 Frauen verbringen das Weihnachtsfest heuer hinter den Mauern der Justizanstalt Schwarzau in Niederösterreich. Wie es den Frauen in dieser emotional aufgeladenen Zeit geht, erzählen Anstaltsleiter Gottfried Neuberger und Seelsorger Bernhard Haschka.
Die Weihnachts- und Adventzeit gilt als eine sehr emotionale und stressige Zeit. Umso belastender muss es sein, wenn man sie in einer Justizvollzugsanstalt verbringt. Versuchen Sie, trotz aller Umstände Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen?
Gottfried Neuberger: Ja, natürlich. Unsere Höfe werden weihnachtlich geschmückt, gemeinsam mit den Seelsorgern wird eine Weihnachtsfeier geplant. Diese findet am 20. Dezember statt. Wir feiern einen Weihnachtsgottesdienst, danach tragen die Insassinnen Weihnachtsgedichte vor, und im Kultursaal gibt es eine von den Häftlingen einstudierte Theateraufführung. Danach gibt es im Innenhof Bratkartoffeln und Kinderpunsch, außerdem spielt eine Bläsergruppe. Im Grunde ist es wie ein kleiner Adventmarkt. Darüber hinaus sind unsere Bediensteten bemüht, diese Zeit möglichst friktionsfrei zu gestalten, schließlich ist es keine leichte Zeit für die Insassinnen. Einigen wird es aber ermöglicht, Weihnachten auf Ausgang bei ihren Familien zu verbringen.
Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein?
Neuberger: Sie müssen auf jeden Fall in spätestens drei Jahren entlassen werden, und wir müssen davon ausgehen können, dass sie zurückkommen und nichts anstellen. Wenn das gegeben ist und wir wissen, dass sie eine Wohnung, Verwandte oder einen Partner oder eine Partnerin haben, wo sie wohnen können, dann ist das möglich.
Gibt es ein spezielles Weihnachtsmahl?
Neuberger: Ja, entweder Chili oder Folienkartoffeln, heute gibt es letztere zum Abendessen. Das war auch der Wunsch. Am Heiligen Abend gibt es eine Aufschnittplatte. Das ist etwas ganz Besonderes, das gibt es das ganze Jahr nicht. Auch Süßspeisen sind sehr beliebt.
Gibt es in der Weihnachtszeit verstärkt die Möglichkeit von Besuchen?
Neuberger: Nicht verstärkt und in diesem Jahr auch nicht an Heiligabend, weil dieser auf einen Sonntag fällt. Aber ich sehe bis jetzt kein großes Problem, dass die Besuchszeiten zu wenig werden. Sie sind nicht besonders großzügig, aber sie sind doppelt so hoch wie die gesetzliche Mindestanforderung. Hinzu kommt, dass es sehr viele Frauen gibt, die gar nicht besucht werden. Ein häufiger Grund dafür ist, dass die Angehörigen gar nicht in Österreich leben.
„Weihnachten ist auf jeden Fall ein ambivalentes, emotional überladenes Fest. Das macht mit jedem etwas, auch mit den Gefangenen.“
Wie geht es den weiblichen Gefangenen zu Weihnachten im Vergleich zu den männlichen?
Neuberger: Meiner Meinung nach leiden Frauen mehr als Männer. Schließlich sind sie es, die das Weihnachtsfest meist gestaltet haben. Ich behaupte, dass sie sich auch mehr um das soziale Leben kümmern. Dass sie das während der Haft nicht tun können, ist eine Belastung. Das ist das ganze Jahr über nicht einfach, aber zu Weihnachten ist es noch belastender, weil sie Kinder oder Eltern haben, die sie nicht sehen können.
Herr Haschka, man liest immer wieder, dass sich Gefangene in der Weihnachtszeit oft zurückziehen oder die Feiertage ganz verdrängen wollen. Welche Erfahrungen haben Sie als Seelsorger bisher gemacht?
Bernhard Haschka: Weihnachten ist auf jeden Fall ein ambivalentes, emotional überladenes Fest. Das macht mit jedem etwas, auch mit den Gefangenen. Im Grunde ist es genau so: Sie reagieren mit Rückzug oder Verdrängung. Als Seelsorger freue ich mich trotzdem über dieses Fest. Trotz der emotionalen Überfrachtung erlaubt es uns diese Zeit, kreative und spirituelle Dinge zu tun. Nicht wenige der Insassinnen haben Freude daran oder können dem zumindest etwas Positives abgewinnen – auch wenn immer ein Hauch von Melancholie mitschwingt. Trotzdem wäre es ein Verlust, wenn dieses Fest nicht da wäre.
Kommen die Frauen in dieser Zeit vermehrt auf Sie zu?
Haschka: Ich bin sicher verstärkt mit Vorbereitungen und auch diversen Proben beschäftigt. Mein Fokus liegt aber auf den Möglichkeiten, die dieses Fest spirituell bietet. Mein Ziel ist es, genau das unter die Menschen zu bringen und dies zu zelebrieren. Besonders die Musik ist dabei ein goldener Weg.
Herr Neuberger, Sie betonen, dass sich Ihre MitarbeiterInnen gerade rund um die Feiertage besonders um ein möglichst harmonisches Umfeld bemühen. Wie gestaltet sich die Situation für Ihre Angestellten?
Neuberger: Es ist sicher eine Herausforderung, in solchen Zeiten im Strafvollzug zu arbeiten. Meine MitarbeiterInnen, von denen 70 Prozent weiblich sind, haben auch Familien, in denen der viel zitierte Weihnachtsstress vorhanden ist. Aber heuer ist es für die InsassInnen besonders schwer, weil der Heilige Abend auf einen Sonntag fällt und die darauffolgenden Tage ebenfalls Feiertage sind. Das ist eine lange Zeit, in der im Gefängnis wenig passiert, was in gewisser Weise zu einer Art Depression führt. Gleichzeitig haben auch die Bediensteten ein Recht darauf, Weihnachten zu feiern, weshalb viele von ihnen dienstfrei haben. Für beide Seiten ist es dabei wichtig, einen Mittelweg zu finden.
Haschka: Es ist sicher wichtig, hinzuzufügen, dass die Seelsorge ja nicht nur vom Seelsorger übernommen wird. Das tun mehr oder weniger alle Bediensteten im Haus, jede/r vom eigenen Standpunkt aus. Denn jede/r, der/die hier arbeitet, hat regelmäßig mit den Gefangenen zu tun. Man lernt sich kennen, baut Beziehungen auf und kümmert sich auch darum, wie es den Menschen geht.
„Es ist wichtig, diese Feste zu feiern und zu leben. Es ist eine sehr einschneidende und schreckliche Strafe, wenn einem die Freiheit entzogen wird. Abgesehen davon, dass es Gesetz ist, ist es ein Akt der Menschlichkeit, zu versuchen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um ein Leben zu ermöglichen.“
Bei unseren deutschen Nachbarn hört man in der Weihnachtszeit immer wieder von Weihnachtsamnestien, gibt es so etwas auch bei uns in Österreich?
Neuberger: Ja, das gibt es, nur bei uns spricht man von der Begnadigung. Jedes Jahr werden dem Bundespräsidenten vom Justizministerium mögliche KandidatInnen vorgelegt. Die Kriterien sind aber sehr streng, und es gibt keinen Spielraum bei der Auswahl. Ich weiß nicht, wie viele heuer bei uns betroffen sind, vermutlich aber zwischen null und drei Personen. Ich bin aber der Ansicht, dass es keine gute Idee ist, Menschen ausgerechnet in dieser stressigen Zeit rund um den 16. und 17. Dezember zu enthaften. Es ist vielleicht gut gemeint, aber nicht gut durchdacht. Wer vorgelegt wird, bekommt zu fast 100 Prozent diese Begnadigung.
Wie wichtig ist es, Weihnachten gerade auch im Gefängnis zu feiern? Was sagen Sie Menschen, die der Ansicht sind, dass ein Fest im Gefängnis nichts zu suchen hat?
Neuberger: Es ist wichtig, diese Feste zu feiern und zu leben. Es ist eine sehr einschneidende und schreckliche Strafe, wenn einem die Freiheit entzogen wird. Ich glaube nicht, dass sich Außenstehende vorstellen können, was es bedeutet, eingesperrt zu sein. Abgesehen davon, dass es Gesetz ist, ist es ein Akt der Menschlichkeit, zu versuchen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um ein Leben zu ermöglichen. Es geht darum, zu verhindern, dass man abstumpft, sich zurückzieht oder keine Perspektiven mehr hat. Wir sind angetreten, um die Frauen zu rehabilitieren und nicht, um sie psychisch und physisch schlechter zu entlassen, als sie gekommen sind. Den Menschen muss bewusst sein: Sicherheit entsteht nicht durch Uniformen, Waffen, Zäune und Gitter. Sicherheit entsteht durch persönliche Nähe, durch ein aufmerksames Miteinander und durch die Fähigkeit, zu erkennen, wenn es jemandem schlecht geht.
Haschka: Ich fände es sehr schade, wenn man Weihnachten nicht feiern würde, schließlich sind wir alle Menschen. Niemand kommt auf die Welt, um ein Verbrecher zu werden. Wenn die Menschen wüssten, welche Schicksale im Hintergrund sind, würden sie vieles verstehen. Natürlich gibt es schreckliche Taten, aber dahinter befindet sich nicht nur ein Täter, sondern auch ein Mensch.
Bernhard Haschka ist Pastoralassistent und seit rund 20 Jahren in der Gefängnisseelsorge tätig. Neben der Justizanstalt Schwarzau ist er in den Justizanstalten Josefstadt und Gerasdorf tätig. Haschka ist einer von drei Seelsorgern, die Gottesdienste teilt er sich mit einem evangelischen Vertreter und einem Kapuzinerpater. Einmal in der Woche bietet er Seelsorgeangebote in der Justizanstalt Schwarzau an.
Brigadier Gottfried Neuberger ist seit 2007 Leiter der Justizanstalt Schwarzau. Der Justizwachebeamte begann seine Laufbahn vor mehr als 40 Jahren und war zuvor unter anderem in der Justizanstalt Gerasdorf tätig. Seit 2005 arbeitet er in Schwarzau. Als Leiter nimmt er die Aufgaben als Vollzugsbehörde und Dienstvorgesetzter für sämtliche MitarbeiterInnen der Anstalt wahr.
Die Justizanstalt Schwarzau ist die einzige Justizanstalt in ganz Österreich, in der ausschließlich Frauen inhaftiert sind. Von den 194 möglichen Haftplätzen sind derzeit rund 160 belegt. Österreichweit sind lediglich rund 5,5 Prozent der Inhaftierten Frauen. In der Schwarzau besitzt der Großteil die österreichische Staatsbürgerschaft (65 Prozent), darauf folgen Insassinnen mit slowakischer und ungarischer Staatsbürgerschaft. 41 Prozent der Delikte betreffen das Eigentum, davon 15 Prozent Raub. Bei 14 Prozent handelt es sich um Suchtdelikte, gefolgt von Tötungsdelikten (11 Prozent) und sexuellen Übergriffen beziehungsweise Missbrauch von Kindern (3,3 Prozent). Die meisten Insassinnen sind zwischen 30 und 39 Jahre alt (36 Prozent), 28 Prozent sind in den 40ern und 20 Prozent sind in den 20ern. Zwei Frauen sind über 80 Jahre alt. Gleichzeitig leben derzeit drei Kleinkinder mit ihren Müttern in der dafür vorgesehenen Abteilung.