40-mal gekaute Dinkelbrötchen, Bitterwasser und Bauchwickel – das klingt sehr gesund, ist aber noch viel mehr als das. Eine Kurwoche in Park Igls verhilft auch zu einem besseren Blick auf das Innenleben.
Ehrlich gesagt kam ich mit mittelgroßer Skepsis in Igls an. Ob das wirklich was ist für mich?
Eine Gesundheitswoche in vier Tagen und das noch dazu mit besonderem Fokus auf die Menopause, in der ich ja noch überhaupt nicht bin!? Aber ich bin als „Testerin“ für „Welt der Frauen“ im Park Igls – und tatsächlich schon nach den ersten paar Stunden zeigte sich alles durchaus anders als erwartet …
Der Empfang im Park Igls ist tirolerisch-herzlich, mein vorläufiger Therapieplan wird mir ausgehändigt, eine Hausführung wird angeboten – gern aber auch später, klar: morgen, bei Tageslicht. Mein Zimmer, in das ich von der Gästebetreuerin Beatrix geführt werde, hat zwei WCs und sieben Fenster, ich bin umschmeichelt von Fürsorge und bekomme sogar noch ein wunderbares Abendessen. Dann erkunde ich schon mal die üppige Saunalandschaft und das Schwimmbecken, alles bestens: sauber, warm, heiß und kalt, jeweils an den richtigen Stellen. Andere Gäste treffe ich wenige, obwohl das Haus voll belegt ist. Ich schlafe wie ein Baby, schon in der ersten Nacht.
Köstlich ohne Semmel und Milch
Das Erstgespräch mit der Ärztin des Hauses öffnet mir die Augen. Selbsteinschätzung: weitgehend verfehlt. Ich bin größer als ich dachte, auch schwerer (das war zu befürchten), aber alle Werte sind altersentsprechend total gut, Frau Dr.in Brunhuber zeigt sich zufrieden. Meine Ziele – für diesen Aufenthalt und überhaupt – sind schnell definiert und auch ärztliche Tipps für den Alltag kommen prompt: kein Zwischendurch-Essen mehr, noch weniger Alkohol, Zuckerprodukte komplett streichen. Nicht, dass ich das nicht schon gewusst hätte, aber hier klingt es eindringlich und ist hinterlegt mit vielen guten Argumenten.
Die meisten Gäste im Park Igls Medical Spa Resort sind vor allem wegen der Mayr-Kur hier – und das bedeutet keineswegs „Semmel und Milch“! Eingestellt werde ich auf Stufe 4, magenschonende Trennkost, Basenbrühe am Vormittag, Entschlackungstee und viel Wasser – am besten mehr als drei Liter täglich. Tägliche Bauchwickel und Bitterwasser für die „Säuberung“.
Die Mayr-Kur überrascht mich mit einem wirklich köstlichen Mittagessen: Pastinakensuppe gefolgt von einer unglaublichen Kreation aus Chicorée und einem Fisch, den ich vorher nicht mal namentlich kannte.
Eine Bio-Impedanz-Analyse bestätigt, dass ich fit bin, mehr Muskelmasse habe als meine statistische Vergleichsgruppe, aber da ist auch ein bisschen mehr Fettanteil und mehr Wasser im Gewebe. Schade, denke ich, „typisch Frau“, erfahre ich von der Krankenschwester Babsi. Alles ganz normal also.
Sie weiß, was ich brauche
Shiatsu-Massage bei Christine heißt meine Erleuchtung am Nachmittag. Oh ja, ich sollte das öfters machen, besser gesagt: machen lassen. Die diplomierte Shiatsu-Praktikerin, die nebenbei auch Cranio Sacral beherrscht und herkömmliche Massagen sowieso, weiß definitiv ganz genau, was sie tut, nein es ist mehr: Ich glaube, sie weiß, was ich brauche! Dabei habe ich gar nichts gesagt. Christine gesteht mir: Sie habe mich schon vorher „sitzen“ gesehen, in der Früh im Wartebereich, und bemerkt, dass mein Schultergürtel verspannt sein muss. Seltsam, so gelesen zu werden wie ein offenes Buch, ohne es mitzukriegen.
Die Ergebnisse der Blutanalyse bespricht die Ärztin später mit mir, als die Befunde vom Labor kommen: Nur meinem massiven Vitamin-D-Mangel soll ich unbedingt mit einem Substitutionspräparat entgegenwirken. Sonst nur kleine Abweichungen, gewisse frauentypische Mängel, etwas zu viel Cholesterin, aber nichts davon ist gesundheitlich bedenklich. Noch eine gute Botschaft aus dem Laborbericht: Alle meine Weibchen-Hormone sind ausreichend vorhanden und mein Wechsel sozusagen nicht in Sicht. Diese Bestätigung freut mich jetzt schon sehr.
Im Abendprogramm referiert Dr. Barth, ein Arzt, der schon 15 Jahre lang im Park Igls mitarbeitet, über die Grundsätze der Modernen Mayr-Kur. Ich erfahre, dass ein menschlicher Darm Resorptionsoberfläche in der Größe eines halben Fußballfeldes bietet, dass die Geisteshaltung mindestens so wichtig ist wie das „Richtig-Essen“ und die „Säuberung“. Alles erscheint mir schlüssig, und ich nehme also ein Glas Bitterwasser mit auf mein Zimmer.
Alles fließt
Das Bitterwasser trinke ich ganz in der Früh des nächsten Tages, da ist eher wenig Genuss dabei, aber doch viel Nutzen. Ich verstehe mittlerweile auch die zwei Toiletten in meinem Doppelzimmer.
Kneippen und ein Leberwickel gleich vor dem Frühstück machen munter und motiviert. Die Auswahl beim Frühstück ist vielfältig, bloß: Man muss sich entscheiden. Buttermilch ODER Jogurt und als Eiweißzulage Forellenfilet ODER Rote-Bete-Aufstrich! 30- bis 40-mal kauen soll man das Dinkelweckerl und überhaupt alles.
Das Kauen wird zelebriert, fast jeder Gast hat einen hübschen, eigenen Einzeltisch für die gesamte Aufenthaltsdauer, nur manche sind mit Partner oder Freundin da. Von Frau S. erfahre ich, dass sie seit 20 Jahren kommt und immer für drei Wochen bleibt. Bis 2018 hat ihr nun verstorbener Mann sie begleitet. Sie hat sich ein anderes Zimmer geben lassen und den Tisch gewechselt, aber sie kommt immer wieder und will keinen Tag und nichts vom reichhaltigen Programm missen. Zuhause hat sie kein Schwimmbad, darum geht sie hier erst recht jeden Tag um 6 Uhr früh für 45 Minuten schwimmen. Hab ich erwähnt, dass sie über 80 ist? Schöne und traurige Geschichten gibt es hier, wie überall.
Das Park Igls Medical Spa Resort existiert mit diesem Gesundheitsschwerpunkt seit 30 Jahren und ist zertifiziertes Mayr-Zentrum. Die Räumlichkeiten wurden in den vergangenen Jahren permanent ausgebaut und adaptiert. Nur die Zahl der Zimmer, 51, blieb gleich, weil man die Gäste individuell betreuen will und auch, weil das Restaurant sonst zu klein wäre.
Rund 60 Gäste sind aktuell im Haus, aber ich sehe immer nur maximal zehn auf einmal, alles verteilt sich wunderbar.
Bewegung mit Panoramablick
Bei der Hausführung erklärt mir die Gästebetreuerin Beatrix, dass es in Park Igls, obwohl die Skigebiete so nahe sind, keinen Alpin-Ski-Schwerpunkt gebe, das passe nicht zum Konzept des Hauses. Aber Golfen ist in der Umgebung möglich und im Winter wird dazu golfspezifisches Kräftigungstraining im Gymnastiksaal angeboten.
TrainerInnen stehen für Personal Fitness, Tennis, Nordic Walken und Langlaufen zur Verfügung. Das Fitnessstudio im vierten Stock wurde soeben mit neuen Geräten bestückt und bietet einen herrlichen Blick auf die beschneite Nordkette zur einen und den Patscherkofel zur anderen Seite. Einen Billardtisch, eine Tischtennisplatte und eine fein bestückte Bibliothek mit Lesezimmer gibt es selbstverständlich auch – und draußen mehrere verschieden anspruchsvolle Wanderwege.
Brustkompresse mit Lavendel ist mein nächster Programmpunkt und ich schlafe dabei nicht mal ein, genieße nur, sogar die Hintergrundmusik ist eine angenehme – nichts Nerviges, eher nur ein paar Töne pro Minute. Wunderbar, mein leichtes Halskratzen ist verschwunden. Eines der obersten Prinzipien der F.-X.-Mayr-Kur ist das Entgiften: Nicht bloß Darm und Leber sollen gereinigt werden, sondern auch Lunge, Haut und Nieren.
Der Therapeut Josef, von dem ich jetzt eine Lymphdrainage bekomme, beweist ein beinahe beängstigend gutes Gespür für meine Faszien und Muskeln. Alles soll fließen im Körper, dafür ist die Lymphdrainage ja da, und ich entwässere mich prompt über meine Tränendrüsen. Selten passiert mir das, dass ich loslasse, vor allem vor einem eigentlich fremden Menschen – aber dieser (ebenfalls langjährige) Mitarbeiter versteht sein Handwerk der Körpertherapie! Weinen, behauptet er, sei doch oft befreiend, und ich glaube ihm nun einfach, dass es gut ist, so wie es ist.
Nach der Behandlung fühlt es sich tatsächlich so an, als ob das hier nun ein Anfang sei. Ein Prozess will beginnen, eine Veränderung von mir weg zu mir hin. Josef empfiehlt mir Hakomi, eine Therapieform, in der Geist und Körper radikal als Ganzes verstanden werden, und er wünscht mir so herzlich alles Gute, dass ich wieder lächeln kann.
Eisbaden und der innere Schweinehund
Den Kräuterworkshop am Nachmittag kann ich leider nicht besuchen, weil ich lieber den Vortrag des Psychologen Mag. Blasbichler hören will, der über den „Inneren Schweinehund“ spricht. Dieser plagt offenbar nicht nur mich, auch andere Gäste scheinen sich einen zu halten. Der Psychologe schimpft selbstverständlich nicht, sondern lädt uns ein, das nächste Mal mit konkretem Ziel an eine Herausforderung heranzugehen und sich zuerst einmal bewusst zu werden: Auch Disziplin und Willensstärke sind ein Teil von mir, nicht bloß der innere Schweinehund!
Ich fühle mit Anja aus Deutschland, die ein sehr ausgefülltes Berufsleben hat, dazu einen Pflegefall in der Familie. Sie zweifelt laut: Ob die guten Vorsätze wohl diesmal den Alltag nachhaltig verändern?! Selbstfürsorge sei nicht selbstverständlich, aber wirklich nötig, um nicht auszubrennen, betont Blasbichler. Er spricht lieber von einem Work-Life-Mix – nicht von der berüchtigten Balance –, denn wir seien immer ein Ganzes aus mehreren Wirkungsfeldern. Beruf, Familie, Ehrenamt, Hobby, Hausarbeit, Sport, Entspannung, Freundschaften – alles müsse eben unter einem Hut Platz haben. Oh ja, das klingt so gesammelt wirklich viel.
Saunameister Naki bietet abends „betreutes Saunieren“ an: mit Salz- und Honig-Peeling und professionellem Fichtenaufguss. Ein sehr alter Herr aus der Schweiz macht mir beinahe Sorgen, aber Naki hat alles im Blick, er hilft dem Mann von der heißesten oberen Bank runter und ist auch sonst einfach für alle Bedürfnisse da. Wer verträgt noch eine Runde? – Bittesehr!
Im 6-Grad-Kaltwasserbecken sehe ich am Weg zur Dusche den Schweizer, der kaum gehen kann, untergetaucht bis zu den Ohren. Wahnsinn, er scheint das gewohnt zu sein. Lächelt mich an. Naki schwärmt vom Eisbaden auch abseits der Sauna, erklärt die Wirkungsweisen – und sieht selbst echt sehr fit aus. Meine Pläne im nächsten Herbst mit dem Eisbaden zu beginnen, werden konkret.
Gestärkt durch Kneippen, Bauchwickel und Dinkelbrötchen lerne ich an meinem letzten Vormittag noch Übungen auf der Shiatsu-Matte von Christine. Ein Bekenntnis zu unserer Weiblichkeit sei so wichtig, sagt sie, und auch, sich die körperlichen und emotionalen Veränderungen wirklich bewusst zu machen.
Während der Bewegungen erhalte ich Tipps von ihr, was mir auch in Zukunft guttun könnte. Klar werde ich auch in meiner Stadt so etwas wie Shiatsu finden. Christine unterstreicht damit, ohne es zu wissen, was mir am Vorabend auch die Psychologin Dr. Robertson ans Herz gelegt hatte: „be kind“, sei gut zu dir selbst …
Nimm dir Zeit
Ob denn Frauen wie ich auch vorbeugend das Menopause-Fit-Paket buchen? – „Leider viel zu wenige“, findet Dr.in Brunhuber nach meiner abschließenden ärztlichen Untersuchung. „Frauen mögen das Thema Wechseljahre nicht. Wir Frauen haben zu funktionieren, niemand mag sich gern damit auseinandersetzen, die meisten kommen erst, wenn es Probleme gibt.“ Doch die Vorbereitung auf das Älterwerden könne nicht früh genug anfangen, es gebe erwiesenermaßen Maßnahmen, die helfen: Entspannungstechniken, Tees, pflanzliche Anwendungen, diverse Kuren und Therapien. Warum sollten wir uns derer nicht bedienen?
Die Ärztin hat noch viele Tipps für mich zum Mit-nachhause-Nehmen in den Alltag: verschiedene Nüsse statt Schokolade und viel persönlich Gültiges, das hier nicht Platz hat. Jede Frau hat ihre Themen. Alle sind hier berechtigt und vieles ist „eh ganz normal“. Auch sie nimmt sich wiederum mehr Zeit für mich, als in meinem Therapieplan steht. Das scheint hier dazuzugehören, damit man lernt: Nimm dir Zeit für dich. Du bist die wichtigste Person hier. Solche Zuwendung scheinen hier alle Gäste zu bekommen, nett eingepackt in dezentes Papier mit schlichter Masche.
Am Weg nachhause bin ich voller Pläne und Vorsätze – und da geht es tatsächlich um wesentlich mehr als das „40-mal Kauen“ und das „gesünder Essen“. Was ich im Park Igls wirklich so klar wie noch selten zuvor hörte – und noch deutlicher an mir selbst spürte, ist eine echte Dringlichkeit: Ich schaue ab sofort besser auf mich selbst – meinen Körper, meine Psychohygiene, meine Ernährung und mein Bewegen. Im Alltag fällt mir das nach wie vor oft schwer, aber ich habe jetzt immerhin einen gedanklichen Rückzugsort für meine gesunden Auszeiten. Ein Entschluss steht auch fest: Falls ich mal im Lotto gewinne, lade ich alle meine Freundinnen auf mindestens zehn Tage im Park Igls ein.
Dieser Aufenthalt erfolgte auf Einladung von Park Igls.