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03/24

Das Wesen des Schenkens

Das Wesen des Schenkens

Das Schenken hat sich im Lauf der Zeit einen ganz schlechten Ruf angeeignet. Es wird Zeit, dass wir uns an den besinnlichen Tagen vor Weihnachten auch wieder an das Wesentliche des Schenkens erinnern. Gibt es etwas Schöneres?

Kaum taucht Weihnachten am Horizont auf, scheint es kein anderes Thema mehr zu geben: Schenken. Wer schenkt wem was? Wie teuer darf es sein? Wie teuer sollte es mindestens sein? Was schenkt man jemandem, der eh schon alles hat – und was ihm noch fehlt, kauft er sich einfach selber? Verzichten wir ganz aufs Schenken? Oder dann doch jeder eine Kleinigkeit, aber nicht mehr als, sagen wir, zwanzig Euro?

Was schenkt man jetzt aber dem, der schon alles hat, wenn es nicht einmal teuer sein darf? Dann die Idee: Selbstgebasteltes. Webseiten werden gewälzt, Ideen gesponnen, Bastelgeschäfte und Baumärkte leergeräumt und am Ende wird es doch ein Gutschein.

Schenken. Es ist ein Thema, dem man sich nicht entziehen kann. Und das viele Menschen unter Druck setzt, Stress verbreitet und dabei ganz seinen wahren Kern verloren hat. Schenken. Wie konnte es passieren, dass etwas so Schönes einen so schlechten Ruf bekommen hat? Wann wurde aus einer so reinen Geste ein Konsumzwang?

Befreien wir das Wort von seiner unangenehm schmeckenden Schale, wie die Mandarinen im Nikolosackerl. Schenken. Was da alles mitschwingt: sich Gedanken machen darüber, was sich die beste Freundin von Herzen wünscht. Zu überlegen, womit man den Bruder überraschen könnte. Der Schwester gut zuhören und zwischen den Zeilen heraushören, dass sie sich eine Auszeit wünscht, einen Nachmittag und Abend, nur für sie – und es ihr ermöglichen. Ein Buch, das einen sprachlos zurückgelassen hat, verschenken. Nicht, weil man ein Last-Minute-Geschenk braucht, sondern weil man diesen Lesegenuss teilen möchte. Etwas zu geben, das vielleicht keinen Preis, aber einen umso höheren Wert hat.

Darum geht es in den „Geschichten übers Schenken und Beschenktwerden“, die wir hier versammelt haben. Um Zeit, die man miteinander verbringt, um Gesundheit, Freundschaft, Kunst. Um Wissen, Reisen, Musik und das Geschenk der Solidarität. Es sind Geschichten, die dazu anregen, das Schenken wieder neu zu entdecken – und sein ursprüngliches, reines und schönes Wesen.

Schenken neu denken! Das tun die spannenden Persönlichkeiten für „Welt der Frauen“. 

MEIN HERZENSWUNSCH: MEHR SOLIDARITÄT

Was schenken bedeutet, versuche ich meinen beiden Enkelkindern schon jetzt mitzugeben. Ilias und Lina sind noch klein, aber auch sie freuen sich, wenn sie was geschenkt bekommen oder mir, ihrer Oma, eine selbstgepflückte Blume überreichen können. Dann strahlen sie! Schenken bedeutet für mich auch Aufmerksamkeit. Im gesellschaftlichen und globalen Kontext sind wir aufgefordert, aufmerksam zu sein, um ein Geschenk machen zu können. Das kann heißen, beim Kauf von Weihnachtsgeschenken darauf zu achten, wie und wo sie produziert wurden, ich schenke dann gerne fair gehandelte Gewürze oder unseren Adelante-Frauenkaffee. Es kann auch heißen hinzuhören, was sich jemand von mir wünscht, zum Beispiel mehr Zeit mit mir, dann schenke ich gerne mal Theaterkarten oder lade jemand zum Essen ein. Das sind die kleinen Dinge, die ich gerne und nicht nur an Weihnachten praktiziere. Ein großes Geschenk wäre es, wenn sich mehr Solidarität und Menschlichkeit einstellen würden.

Für mich bedeutet das dann aufmerksam zu sein für die Themen des Globalen Südens, Frauenrechte, Gesundheitsversorgung, Menschenrechtsverletzungen und Korruption. Mit meinem Engagement in der Katholischen Frauenbewegung Österreichs kann ich bei vielen Gelegenheiten dafür sensibilisieren. Die Aktion Familienfasttag steht seit 60 Jahren für diese Themen, und die katholischen Frauen aus ganz Österreich richten ihren Blick über den Tellerrand hinaus und verfolgen den Ansatz des Empowerment. Ermächtigung zur aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft lautet das große Ziel. Wir wollen aufmerksam sein für diese Frauen, die unter Ungleichstellungen leiden, die nicht das Glück hatten in ein sorgenfreies Leben hineingeboren worden zu sein. Wir wollen diesen Frauen durch unser solidarisches Handeln Mut machen, sich für eine Veränderung einzusetzen. Das Projekt SEEDS in Indien verfolgt mit unserer Unterstützung genau diesen Ansatz. Vielleicht, denken Sie jetzt, kann das alles ein Geschenk sein! Ja – kann es! Denn oft heißt es: „Hier, eine kleine Aufmerksamkeit für dich!“

Veronika Pernsteiner:
Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs (2015-2020)

Leidenschaft und Herzklopfen

Das größte Geschenk, an das ich mich erinnern kann, war ein Hüttenurlaub, da war ich sechs Jahre alt. Gemeinsam mit der ganzen Verwandtschaft, den Cousinen und Cousins, Tanten, Onkeln, Eltern und Geschwistern haben wir damals Weihnachten gefeiert. Das war etwas ganz Besonderes. Wir Poxrucker Sisters sind sehr eng mit unserer Familie und der ganzen Verwandtschaft verbunden. Gerade, weil wir mit unserer Band viel unterwegs und oft im Stress sind, ist diese gemeinsame Zeit besonders wertvoll.

Aus diesem Zeit-Geschenk, dem Hüttenurlaub, hat sich eine Tradition entwickelt: Seit über 14 Jahren fahren wir gemeinsam zu Weihnachten mit Familie und Verwandtschaft auf die Hütte. Dort wird gegessen, gesungen, gespielt und gemeinsam Weihnachten gefeiert.

Etwas im Leben zu haben, eine Leidenschaft, bei der man Herzklopfen bekommt – bei mir ist es das Musizieren auf der Bühne – empfinde ich als großes Geschenk, das ich, gemeinsam mit meinen Schwestern, auch weitergeben möchte. Letztes Jahr haben wir am 24. Dezember die Kinder und ihre Familien auf der Kinderintensivstation in Linz besucht und für sie ein kleines Konzert gespielt. Die Eltern, KrankenpflegerInnen und wir waren zu Tränen gerührt und hatten Gänsehaut. Diesen Menschen ein schönes Fest bereiten zu können, ihre Sorgen kurz vergessen zu lassen, den Mut nicht zu verlieren, das gibt einem auch selbst viel zurück. Zu Weihnachten wird innerhalb unserer Verwandtschaft und Familie auch „gewichtelt“. Kriterium dafür ist, dass wir etwas Selbstgebasteltes herschenken. Das besonders Schöne daran ist, dass man sich mit der Person, die man beschenkt, intensiver auseinandersetzen muss und darüber nachdenkt, was zu dieser Person passt und wie man genau dieser Person eine besondere Freude machen kann.

Magdalena Poxrucker Sängerin der mühlviertler Band „Poxrucker Sisters“

Begegnungen, die berühren

So abgedroschen das klingt, aber das Wertvollste im Leben ist für mich Gesundheit und Liebe. Und Begegnungen mit Menschen, die mich im Innersten berühren und sehr wichtig für mein Leben sind – jede einzelne dieser Begegnungen sind für mich Geschenke. Die größten, die man bekommen kann! Wenn eine Freundschaft sich vertieft. Wenn ich einen Mann treffe, mit dem eine Beziehung beginnt.

Ich kann mir ein Leben ohne tiefe Verbindungen zu anderen Menschen nicht vorstellen. Ich tausche mich immer sehr intensiv mit meinen Mitmenschen aus, das gehört zu meinem Leben dazu.

Alles Materielle, das man einander gibt, würde ich nicht als Geschenk bezeichnen, sondern vielmehr als Aufmerksamkeit. Ein Geschenk, das ich geben kann, ist, meinem engsten Freundeskreis das Gefühl zu geben, dass sie sich zu hundert Prozent auf mich verlassen können. Dass sie in jeder Lebenslage auf mich zählen können, mich jederzeit anrufen können und auf meine Hilfe zählen dürfen. Mehr kann ich nicht schenken.

Dieses Gefühl kann man nur sehr schlecht verpacken und unter den Weihnachtsbaum legen. An Weihnachten bemühe ich mich, selbst gemachte Dinge zu verschenken. Darin stecken viele Gedanken, viel Zeit und viel Liebe zum Detail. Gerne beteilige ich mich auch an sinnvollen Sammelgeschenken, lieber eine große, wirklich ersehnte, vielleicht auch teure Sache, als viele kleine Aufmerksamkeiten.

Mir sind am liebsten Geschenke, die ich essen oder trinken kann. Die haben den Vorteil, dass ich mich daran erfreuen kann, sie mir aber nicht die Regale vollstellen! Zumindest nicht lang …

Tini Kainrath: Sängerin und Schauspielerin

Das wertvollste Geschenk: Zeit

Das tollste Geschenk, das ich in meinem Leben bekommen habe, war eine Puppe, die Pipi machen konnte. Das Christkind hatte sie mir gebracht und ich glaube, das war das schönste Weihnachten meiner Kindheit. Das war die Zeit, in der ich noch nicht wusste, dass es das Christkind nicht gibt und Weihnachten für mich eine wundervolle und magische Zeit war. Meine Cousine hat mir dann eines Sommers erklärt, dass es das Christkind gar nicht gäbe und die Erwachsenen die Geschenke kauften. Das Ganze ist in eine Rauferei ausgeartet, bei der wir in der Wiese herumgerollt sind und ich ihr, mein Christkind verteidigend, fast die Zöpfe ausgerissen hätte!

Je älter ich werde, desto mehr Freude macht es mir, anderen eine Freude zu machen. Innerhalb der Familie haben wir ein „Geschenkgeld“-Limit vereinbart. Dabei ist das Schöne, dass man das Jahr über zuhören, sich Gedanken machen und kreativ werden muss. Das eigentliche Geschenk ist dann vielmehr der Gedanke als die Sache an sich. Am liebsten schenke ich aber Zeit. Das ist das wertvollste Geschenk, denn Zeit habe ich sehr, sehr wenig. Ein Abendessen oder eine Einladung, bei der ich selbst mit dabei bin, ist für mich das intensivste und schönste Geschenk, das ich jemandem machen kann.

Ich wünsche mir heute nichts Materielles mehr. Wenn ich neue Schuhe brauche oder möchte, kaufe ich sie mir – dafür schreibe ich keinen Brief ans Christkind, aus dem Alter bin ich definitiv draußen. Ich wünsche mir jedes Jahr zu Weihnachten, dass die Familie beisammen ist. Es gibt für mich nichts Schöneres. Da wird die Feiertage über abwechselnd bei Familienmitgliedern gegessen, dann wieder bei uns – und so das Weihnachtsfest gemeinsam zelebriert. Es geht dann nur mehr ums Wesentliche: das große, friedliche Miteinander. Darauf freue ich mich jedes Jahr – je älter ich werde, umso mehr.

Christa Kummer: promovierte Hydrogeologin, Klimatologin und Theologin, Buchautorin, ORF-Wetter-Moderatorin

Spuren im Leben anderer

Was ich mir als metastasierte Brustkrebspatientin zu Weihnachten am meisten wünsche? Das ist ganz einfach: Zeit. Zeit, die mir noch zum Leben bleibt. Zeit, die ich mit meinem Mann Peter, meinen Eltern, meinen Freundinnen und Freunden verbringen kann. Zeit, die ich in meine Brustkrebsaktivitäten investieren kann. Zeit, die ich für Reisen in ferne Länder nutzen kann. Ja, für jemanden, der unter einer Krebserkrankung mit keinerlei Chance auf Heilung leidet, ist Zeit, so simpel das auch klingen mag, das wertvollste Gut. Gerade wenn man gesundheitlich „angezählt“ ist und viel zu früh mit der Endlichkeit des eigenen Seins konfrontiert wurde, hat der Zeitfaktor einen besonders hohen Stellenwert.

Das schönste Geschenk, das ich jemals bekommen habe, war eine vierwöchige Englandreise zu meinem 40. Geburtstag – von meinem Mann Peter. Ein ganzer Monat in meiner zweiten Heimat; vom lieblichen, blumigen Cornwall bis hoch in die rauen, unberührten Weiten Yorkshires; Mega-Metropolen und malerische Dörfchen; Fish & Chips & Afternoon Tea – alles nach meinem Geschmack, einfach herrlich! Zeit zum Durchatmen, Kraft tanken und die Seele baumeln lassen. Da mir nicht immer klar war, ob ich meinen 40. Geburtstag auch tatsächlich erleben werde, hatte gerade diese „quality time“ zu zweit große Bedeutung für mich.

Wenn ich schenke, dann tue ich das mit Bedacht, Sorgfalt, Kreativität. Ich mache mir viele Gedanken, was meinen Lieben Freude bereiten könnte. So waren wir beispielsweise mit meinen Eltern letztes Jahr für ein paar Tage in Schottland – unser Weihnachtsgeschenk, das uns viele unvergessliche, gemeinsame Erlebnisse beschert hat.

Mein größtes Geschenk wäre es, Spuren im Leben anderer zu hinterlassen. Mit kleinen, liebevoll ausgesuchten Geschenken, die das Herz berühren. Oder mit gemeinsam geschriebener Geschichte, die unauslöschlich Bestand hat. Das ist der Plan.

Claudia Altmann-Pospischek: Bloggerin und Brustkrebsbotschafterin

Geschenke, die (mir) Freude machen

In meinem Atelier befindet sich ein Leuchtobjekt, darauf steht in roter Schrift auf lichtdurchflutetem, milchig weißem Hintergrund: „GESCHENKE, DIE FREUDE MACHEN“. Entstehungszeit: 60er-Jahre. Auf eBay habe ich es 2006 ersteigert, mir selbst, dem Kind der 60er-Jahre, geschenkt und dann zum „Readymade“ geadelt. Ein Geschenk, das mich nun schon über Jahre begleiten darf und noch nicht verbannt, entfernt oder gar als Wanderpokal weitergeschenkt wurde.

Ich habe zeitlebens wunderschöne Geschenke bekommen. Zum 4. Geburtstag ein rotes, mondänes Kinderauto, andermal ein Schaukelpferd oder ein Haustelefon. Ich hasse Lieblosigkeiten und Verlegenheitsgeschenke. Heute mag ich Zeitgeschenke, helfende Hände, gute Lebensmittel, eine kunstvolle Frisur, Dinge des Alltags, die ich gut brauchen kann. Ich liebe auch monetäre Geschenke, die ich in meine künstlerische Arbeit einbringen kann und exklusive Secondhandkleidung von Freundinnen. Ich halte es bei Geschenken wie in der Kunst, sie sollen berühren.

Manch Großes, das ich in meinem Leben erhalten und erfahren durfte, war durchaus nicht als Geschenk geplant. Ich habe es aber so annehmen oder empfinden dürfen. Menschen, die mich auf meinem künstlerischen Weg begleitet, unterstützt, gefordert, gefördert, geliebt und geprägt haben, die an meine künstlerische Arbeit geglaubt und sie gekauft haben, die mich mit ihrem Dasein reich beschenkt haben.

Einmal hat eine Freundin von mir ein Kunstwerk zu Weihnachten für ihren Mann in meinem Atelier gekauft, ein Bild im Format von 50 x 50 Zentimeter. Ein paar Tage später kam er und kaufte ein Bild im gleichen Format für sie. Interessante Gespräche im Atelier mit den beiden zu den ausgewählten Arbeiten. Die ganze Familie und Teile der Verwandtschaft wussten Bescheid. Weihnachten wurde zu einer großen und unvergesslichen Überraschung. Das Leben selbst beschenkt und berührt wie die Kunst – immer wieder. Und schenken? Probieren Sie es! Das beschenkt Sie selbst. www.bernadettehuber.at

Bernadette Huber: Künstlerin und inspirative Aufrüttlerin

Ein Geschenk, das mehr wird

Wissen ist ein ganz besonderes Geschenk, denn es hat eine einzigartige Eigenschaft: Es vermehrt sich, wenn man es mit anderen teilt. Ich unterrichte seit vielen Jahren Studentinnen und Studenten und bin nach wie vor richtig euphorisch zu sehen, welchen Effekt es hat, wenn ich mein Wissen mit ihnen teile. Die Aha-Momente mitzuerleben, die Freude, etwas verstanden zu haben und das Gefühl mitzuerleben, wie sich eine neue Welt auftut – durch Erkenntnis.

Wissen zu erlangen ist auch ein Geschenk für mich selbst. Wenn ich ehrlich bin, ist es sogar das beste Geschenk, denn meistens ist es hart erarbeitet und deshalb besonders wertvoll. Das Erfolgserlebnis, das sich beispielsweise durch den Durchbruch bei einer wissenschaftlichen Studie einstellt, ist ein großartiges Gefühl, das die viele harte Arbeit, die darin steckt, in gewissem Sinne belohnt.

Abgesehen von dem Wissen, das ich mir im Laufe der vielen Jahre, die ich in der Welt der Wissenschaft verbracht habe, hart erworben habe, möchte ich auch meine Lebenseinstellung weitergeben. Ich versuche, meine Kinder und Enkelkinder dazu zu animieren, Freude am Nachdenken zu entwickeln, neugierig zu bleiben und hungrig, niemals träge und satt zu werden. Darin liegt eine ganz eigene Lebensqualität, die ich erfahren durfte und darf – ich lerne immer noch jeden Tag Neues dazu und genieße es.

Mit meiner Pensionierung beginnt für mich ein neuer Lebensabschnitt, auf den Bergen, inmitten der Natur. Ich kehre dem hektischen Leben in der Stadt den Rücken und wünsche mir daher vor allem eines: Ruhe und ein gutes Einverständnis mit meiner neuen Umgebung.

Renée Schroeder: Universitätsprfessorin, Biochemikerin und Bäuerin

Ein selbst bestimmtes Leben

Das größte Geschenk für mich ist Zeit. Zeit von mir für meine Liebsten und umgekehrt. Gerade in der Weihnachtszeit verbringe ich gerne viele schöne Momente gemeinsam mit meiner Familie. Zusammen vor dem Kamin sitzen, eine heiße Schokolade trinken und Kekse essen, für mich gibt es nichts Schöneres!

Ich kann mich noch sehr gut an Weihnachten vor drei Jahren erinnern. Es war das erste Weihnachten für mich im Rollstuhl nach meinem Trainingsunfall im Juli 2015. Um ehrlich zu sein, hatte ich Angst davor, zu Hause in meiner gewohnten Umgebung zu sein und an die Zeiten von „früher“ erinnert zu werden und ständig daran denken zu müssen, wie sehr sich mein Leben verändert hat.

Ich hatte Angst, Weihnachten nicht genießen zu können. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Ich vergaß gewissermaßen meine Behinderung und war einfach nur froh und dankbar, Heilig Abend gemeinsam mit meiner Familie verbringen zu können. Nach meinem Unfall ist eine Menge passiert – vieles davon sehe ich auch als Geschenk. Wie etwa die Möglichkeit, mich mit aller Kraft für die Belange behinderter Menschen einsetzen zu können.

Durch das große Interesse an meiner Geschichte kämpfe ich nicht nur für mich selbst dafür, mein selbstbestimmtes Leben wieder zurückzuerobern. Sondern auch dafür, andere Menschen mit Behinderung zu motivieren und sie zu unterstützen.

Seit ich mich für Menschen mit Behinderung einsetze, stöbere ich recht gerne in den Werkstätten und Shops von Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Dort gibt es vieles zu entdecken, das sich als spezielles Geschenk eignet. Wenn man sieht, mit welcher Geduld, Freude und Akribie die Menschen diese kleinen Kunstwerke herstellen, dann bekommen diese Gegenstände einen besonderen Wert.

Kira Grünberg: Abgeordnete zum Nationalrat und ehemalige Spitzensportlerin

Das Leben als Geschenk

Es ist schon eine Weile her, ich war Direktorin, es war kurz vor Weihnachten und irgendwo in der Welt war eine Notsituation – ich kann es nicht mehr genauer sagen. Jedenfalls haben wir im Unterricht darüber gesprochen und beschlossen, gemeinsam Geld zu sammeln, um die betroffenen Menschen zu unterstützen. Da kam ein Schüler zu mir, 15 oder 16 Jahre alt und gab mir einen großen Geldbetrag. Es war das Weihnachtsgeschenk seiner Oma, mit dem er sich einen Wunsch erfüllen sollte. Sein Wunsch war, es herzugeben, das Geben war für ihn ein Geschenk.

Das größte und wirksamste Geschenk, das ich jemals bekommen habe, war ein Brief. Meine ehemalige Deutschlehrerin hat ihn meinen Eltern geschrieben, es war die Bitte, mir zu ermöglichen, weiterhin in die Schule gehen zu dürfen, um zu lernen. Ich war in der vierten Klasse Hauptschule und hätte eigentlich beim Kaufmann im Ort eine Lehre beginnen sollen und dann arbeiten und Geld verdienen. Meine Familie war sehr arm. Ich hätte nie gedacht, dass ich weiter lernen könnte, aber ich bekam schließlich von den Franziskanerinnen von Vöcklabruck fünf Jahre lang einen Freiplatz für die Oberstufe. Es war ein Brief, der mir einen ganzen Lebensweg geöffnet hat.

Zu Weihnachten stricke ich sehr gerne und bastle Kleinigkeiten, falte Sterne und schenke diese Dinge Menschen, denen ich eine Freude machen möchte. Von allen möglichen Geschenken ist aber wahrscheinlich die Liebe das Wertvollste – und besonders kostbar ist sie, wenn sie im Verzeihen mündet. Wenn ich Versöhnung geben kann, wenn mir verziehen wird, das ist ein Geschenk, das man nicht einfordern oder verlangen kann.

Als Klosterfrau verfüge ich nicht über Materielles. Umso klarer kann ich sagen, dass das größte Geschenk, das ich je gemacht habe, ist, mein Leben Gott zu geben. Mein Geschenk ist mein Leben. Ich habe nix! Ich bin!

 

Schwester Beatrix Mayrhofer: Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs (2013-2019)

Fotos: Shutterstock, KFB, Kevin Rieseneder, Franco Garzarolli, ORF/Thomas Ramstorfer, Bernadette Huber, www.stefanknittel.at, Klimpt, Katrin Bruder

Erschienen in „Welt der Frauen“ 12/18

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  • Veröffentlicht: 07.12.2020
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