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04-05/24

Weihnachten wie damals

Weihnachten wie damals

Wir fragten bekannte Persönlichkeiten: Wie haben Sie früher Weihnachten gefeiert? Welche Traditionen praktizieren Sie noch heute? Und welcher Heilige Abend war besonders eindrücklich?

Was für ein Fest! Ein Blick zurück in vergangene Jahrzehnte.

„Die familiäre Großbäckerei war legendär.“
Doris Schmidauer (57) ist Unternehmensberaterin und Ehefrau des österreichischen Bundespräsidenten.

 Ein „offenes Haus“ und ein Geheimrezept

Auf Weihnachten eingestimmt hat uns die familiäre „Großbäckerei“. Meine Mutter bleibt berühmt für ihre wunderbaren Kekse. Bis zu 30 Sorten wurden kunstvoll verpackt und verschenkt.
Links: Das Originalrezept der „Linzer Pralinen“ (Zum Vergrößern bitte anklicken)

In bester Erinnerung bleibt mir mein Auftritt als Engel im Hirtenspiel. Ich war damals ein Kinder­gartenkind und stolz auf meine erste wichtige Rolle. Später traten wir mit unserem Schulchor auch bei Weihnachtsfeiern in Altenheimen und im Gefängnis auf. Auch zu Hause gab es am Heiligen Abend immer Livemusik, denn als Kinder haben wir mit meinem Vater gern musiziert. Heute wird nur noch gesungen, wenn ausreichend SängerInnen anwesend sind. Ansonsten lauschen wir einer der vielen schönen Aufnahmen von „Stille Nacht“.

In all den Jahrzehnten wurde in unterschiedlichen Zusammensetzungen rund um die „Kernfamilie“ immer gemeinsam gefeiert, oft waren Verwandte bei uns. Diese Tradition, gerade zu Weihnachten ein „offenes Haus“ zu führen, ist mir auch heute noch sehr wichtig. Nach wie vor denken wir auch an unsere lieben Verstorbenen, indem wir den Friedhof besuchen und Kerzen für sie anzünden.

Im Beitragsbild oben : Doris Schmidauer mit ihrem Bruder Peter und den Geschenken.

Fotos: privat, Roman Zach-Kiesling/Caritas

„Die Sternchensuppe muss(te) sein!“
Lisl Wagner-Bacher (67) ist Haubenköchin in Mautern an der Donau.

Lisl Wagner-Bacher ist ein Familienmensch. Daher haben Traditionen zu Weihnachten einen fixen Platz.

Denke ich an Weihnachten, habe ich nur die besten Erinnerungen! Meine Eltern mussten nach dem Krieg den Betrieb wiederaufbauen, aber an den Feiertagen hatten wir immer geschlossen, denn Weihnachten war und ist bei uns das Familienfest schlechthin. Drei Tage vor Heiligabend wurde mit einer Decke die Glastür zum Wohnzimmer verhängt, damit das Christkind in Ruhe arbeiten konnte.

Ein besonders schönes Weihnachten erlebte ich 1960 als Siebenjährige. Unter dem Christbaum, einer drei Meter hohen, üppigen Doppeltanne, standen meine zwei alten Puppen. Die eine mit einem Trog und einer Rumpel in der Hand, die andere mit einer Wäscheleine und neuen Kleidern, die meine Mutti hatte nähen lassen. Dieser Anblick war einfach nur schön!

Dieses Festessen wird immer aufgetischt: Sternchensuppe! In dieser Rindsuppe mit Teigwarensternchen koche ich auch Karotten und Sellerie mit, die ich davor in Sternenform aussteche. Danach gibt es gefülltes Brathendl mit Reis und Mayonnaise­salat und einen mit Nüssen und Zimt gefüllten Bratapfel, garniert mit Preiselbeeren und einer Kugel Eis. Dieses Menü hat seit 40 Jahren bei uns Tradition.

Eine Tradition, die ich eingeführt habe, ist das Beisammensein mit meinen fünf Enkeln. Seit zehn Jahren ziehen sie schon am 22. Dezember bei mir ein. Am Vormittag des 24. gehen wir alle zum Friseur. Dort bekommen sie eine Kopfmassage und Lockenfrisuren und werden zu kleinen Engerln herausgeputzt. Bevor wir den Frisiersalon verlassen, singen sie noch ein Weihnachtslied.

Fotos: privat, Luzia Ellert

„Ich hatte Sehnsucht nach meinem Vater.“
Cecily Corti (80) war Gründerin und 15 Jahre lang Leiterin der „VinziRast“-Einrichtungen in Wien.

Die Mettenwürstel nach der Christmette durften nie fehlen.

Die Stimmung war bei uns zu Hause viele Jahre durch die Abwesenheit meines Vaters geprägt. Er war zu Kriegsende von Partisanen verschleppt worden und galt seither als vermisst. Für uns alle, aber vor allem für meine Mutter, die mit uns fünf Kindern aus unserer slowenischen Heimat geflüchtet war, schien es undenkbar, Weihnachten ohne ihn zu feiern. Ich erwartete jeden Augenblick, dass er zur Türe hereinkommt. Sicherlich festigte dies auch den familiären Zusammenhalt. Meine Mutter, sie hatte einen tiefen, für mich sehr authentischen Glauben, las die Weihnachtsgeschichte vor, wir sangen alle – mehr schlecht als recht – „Stille Nacht, heilige Nacht“. Dann gab es die Bescherung und das Essen. In meiner Erinnerung war die Feier immer festlich, wenn auch einfach. Anschließend besuchten wir die Christmette. In späteren Jahren feierten mit uns junge „paying guests“ (zahlende Gäste), die zu Freunden geworden waren. Sie trugen zum bescheidenen Broterwerb meiner Mutter bei und lebten im Haus, um Deutsch zu lernen.

Heiligabend mit meinem verstorbenen Mann fand ganz anders statt. Axel wollte nur im engsten Kreis feiern. Seine Zeit war immer sehr beschränkt. Dafür verzauberte er dann unsere drei Söhne: Mit Kerzen und Kerzenhaltern fuhr er zum nahe gelegenen Wald und schmückte dort eine Tanne. Dann holte er die Kinder und spazierte mit ihnen in die Nacht, bis sie plötzlich vor dem leuchtenden Baum standen. Schließlich beendeten sie die Wanderung im noch geöffneten Gasthaus bei einem Coca-Cola. Erst dann konnte der Christabend zu Hause beginnen. Der unverzichtbare Höhepunkt für die Kinder ­waren die Mettenwürstel nach der Christmette. Diese durften nie fehlen.

Diese Traditionen praktiziere ich bis heute: ­„Stille Nacht“ kam nie über eine Schallplatte oder das Radio. Bis heute singen wir! Auch unsere alte Krippe mit den hinreißenden Wachsfiguren gehört immer dazu. Wenn ich bei meinem Sohn und der dänischen Schwiegertochter eingeladen bin, wird nach dänischem Brauch um den Christbaum getanzt. Das lieben die Enkelkinder sehr. Während meiner 15 Jahre „VinziRast“ fuhr ich nach der Feier immer noch zur Notschlafstelle.
Die Art des Feierns hat sich im Laufe der Jahre stark verändert, für mich ist das innere Geschehen wichtig. Wenn Weihnachten nicht in einem selbst stattfindet, bleibt es ein äußeres Geschehen – inspiriert von Angelus Silesius: „Wär’ Christus tausendmal zu ­Bethlehem geboren, doch nicht in dir: Du bliebst noch ­ewiglich verloren.“

Fotos: privat, Sebastian Reich

„Das Angreifen der Krippenfiguren war tabu. “
Maria Katharina Moser (46) ist Pfarrerin und Direktorin der „Diakonie“.

Gemeinsam lasen wir das Evangelium, beteten das „Vaterunser“ und sangen „Stille Nacht“.

Die Vorfreude begann mit dem ersten Adventsonntag. Abends saßen meine Familie und ich öfter um den Adventkranz, sangen Lieder und aßen Lebkuchen. Für uns Kinder gab’s auch Sunkist! Seit ich Direktorin der „Diakonie“ bin, hat der Adventkranz noch eine andere Bedeutung für mich, denn er ist eine Erfindung der „Diakonie“. 1839 wurde er erstmals aufgehängt – vom evangelischen Pfarrer Johann Hinrich Wichern im „Rauhen Haus“, einer Einrichtung für Straßenkinder in Hamburg. Dieser ursprüngliche Kranz bestand aus einem großen Wagenrad und roten und weißen Kerzen.

Das Warten auf das Christkind versüßten mir meine Wiener Großeltern, die den Heiligen Abend mit uns feierten. Tagsüber luden sie meine Geschwister und mich zu sich ins Hotel ein, in dem sie übernachteten. Dort ließen sie uns stundenlang fernsehen. Nach der Kindermette ging’s in mein Elternhaus. Mit dem Läuten der Glocke versammelten wir uns beim Christbaum. Einige Jahre war er mit Lametta, bunten Kugeln und Schokoringerln geschmückt, später mit Strohsternen und Lebkuchen, den wir Kinder verziert hatten. Gemeinsam lasen wir das Evangelium, beteten das „Vaterunser“ und sangen „Stille Nacht“. Nach dem Auspacken der Geschenke – als Jugendliche war ich für das Einpacken verantwortlich – gab es gebackenen Karpfen und Schnitzerln meiner böhmischen Oma.

Was berührt mich immer noch? Die Krippe! Es war verboten, die Krippenfiguren anzugreifen, damit keine verschwindet oder kaputtgeht. Deshalb erschienen sie mir als Kind irgendwie als heilig. Dafür durfte ich mit Opa Krippen basteln. Heute habe ich fünf davon, darunter sind auch eine aus Ghana und eine von den Philippinen!  Sie erinnern mich daran, dass Jesus nicht in einem Palast geboren wurde, sondern in einem Stall, draußen vor den Toren der Stadt.

Fotos: privat, beigestellt

„„Es war ein Fest für die Sinne!““
Michael Landau (60) ist katholischer Geistlicher und Präsident der„Caritas Österreich“.

Weihnachten hat für Michael Landau viel mit Vertrauen und Geborgenheit zu tun. Schlussendlich geht es um Liebe.

Denke ich an Weihnachten zurück, erinnere ich mich an das Singen vor dem Baum. Und an das Schinkenbein, das mein Bruder und ich jedes Jahr bis auf den Knochen abgenagt haben. Besinnlichkeit hat sehr stark mit unseren Sinnen zu tun: Mit dem Duft von Keksen und brennenden Kerzen. Mit dem Geräusch von knisterndem Geschenkpapier und dem Klang von Weihnachtsliedern. Ich erinnere mich aber auch an alleinstehende Bekannte und Verwandte, die meine Mutter zu uns einlud. Ich erinnere mich an Wärme und Geborgenheit, an das Gefühl, dass das Geschenk des Weihnachtsfestes in der Gewissheit besteht, von Gott geliebt zu sein. Die Geburt Jesu ist Zusage und Ermutigung. Sie meint Hoffnung und Zuversicht, denn durch die Menschwerdung Gottes kommt Liebe in die Welt. Daran werde ich mich auch heuer zu Weihnachten erinnern.

Diese Rituale sind mir heilig: das Feiern der Messe mit den Menschen in einem unserer Pflegewohnhäuser. Das Abendessen mit meinem Bruder. Der Besuch und das Gespräch mit den MitarbeiterInnen unserer Obdachloseneinrichtung „Gruft“, deren Türen auch zu Heiligabend für Menschen in Not offen stehen. Weihnachten ist nämlich auch der Auftrag, dass durch uns mehr Liebe in die Welt kommt.

Eine Bibelstelle, die ich sehr wertschätze, ist Lukas 1,26–38. Sie handelt vom „Ja“ Marias, das alles veränderte und sie ins Zentrum der Menschwerdung Gottes stellte. Auch wenn sie anfangs nicht viel von der Verkündigung des Engels verstand, besaß sie ein Urvertrauen in das, was mit ihr geschehen sollte.

Fotos: privat, Laurent Ziegler

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  • Veröffentlicht: 23.12.2020
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