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03/24

„Wie schmeckt, was Ihr zu Hause esst?“

„Wie  schmeckt, was Ihr zu Hause esst?“

Heimat, das ist auch, was auf den Tisch kommt. „Welt der Frau“ bat vier syrische Frauen, für Österreicherinnen zu kochen. Ein Gastmahl mit warmen, aufregenden Aromen und spannenden Kombinationen. Zum Nachkochen empfohlen.
Hanadi Abbarah beim Zubereiten von Taboulé (Rezept siehe unten).

Hanadi Abbarah beim Zubereiten von Taboulé (Rezept siehe unten).

Balkis Hasan, Georgina Alaya, Hanadi Abbarah und Mariam Kahlil waren bei unserem ersten Zusammentreffen latent nervös. Aber die vier sympathischen Köchinnen gewannen immer mehr an Souveränität, je weiter die Erfolge in der Küche sichtbar wurden. Die vier leben in Niederösterreich, Oberösterreich und Wien und sind im Kochstudio „Die Pause“ in Wien das erste Mal aufeinandergetroffen.

Gemeinsam wurden die Zutaten für das Essen am Hannovermarkt in Wien eingekauft. Am Markt führten die Frauen mit den arabischen VerkäuferInnen in ihrer Landessprache Schmäh, während sie die Qualität der gesuchten Zutaten kritisch beäugten. Schließlich ging es in die Küche. Alle vorbereiteten Rezepte wurden hinsichtlich Mengen und Aromen überprüft und bei Bedarf abgeändert. Die Zutaten für die Rezepte sind natürlich auch außerhalb von Wien in türkischen Lebensmittelgeschäften erhältlich.

Dass Küchen nicht immer den aktuellen nationalstaatlichen Grenzen entsprechen, sondern durch die historische Entwicklung beeinflusst sind, wird im Fall „Syrien“ deutlich. Denn die gemeinsame Vergangenheit von Syrien und seinen Nachbarstaaten Palästina und Libanon hat auch in der Küche zu einer ähnlichen Entwicklung geführt. Eine Abgrenzung der Speisen nach Ländern ist nicht möglich. Vielmehr wird von einer „Küche der Levante“ gesprochen, also der alten Bezeichnung für den Nahen Osten, weil die Parallelen zwischen den Ländern zu offensichtlich sind. 

Reichhaltige Tafel

Charakteristisch für diese arabischen Länder ist die große Auswahl an aromatischen Vorspeisen, sogenannten Mezze. Eine Vielzahl an kleinen frischen und zum größten Teil vegetarischen Speisen, wie beispielsweise gegrilltes Gemüse, Aufstriche aus Kichererbsen oder Salate aus Bulgur, wird vorbereitet. Mezze können sowohl Bestandteil eines Imbisses oder einer Zwischenmahlzeit als auch Vorspeisen bei einer Speisenfolge sein. In Restaurants bestellt nicht jeder Gast seine eigene Vorspeise, sondern es werden vielerlei Vorspeisen bestellt, die gemeinsam gegessen werden.

Zum guten Ton gehört auch, mehr zu ordern, als die Gäste essen können, und die Tische sind daher reichlich mit Vorspeisen bestückt. Dadurch entsteht das Bild einer Tafel, die vor Überfluss überzuquellen scheint. Typischerweise werden diese Vorspeisen mit dünnem Fladenbrot serviert, das gleichzeitig als Besteck dient. Gegessen wird dabei mit der rechten Hand, da die Linke als unrein gilt, und die Speisen bleiben nur so lange auf dem Tisch, wie der eingeladene Gast isst. Daher sollte in Ruhe und langsam gegessen werden, um jeder und jedem die Möglichkeit zu geben, satt zu werden.

Mariam Kahlil (2.v.li) und Balkis Hasan (2.v.re) erklären ihre Gerichte.

Mariam Kahlil (2.v.li) und Balkis Hasan (2.v.re) erklären ihre Gerichte.

Die Geschmäcker Syriens

Die Hauptspeisen variieren stark, und abhängig von der geografischen Lage gibt es in Küstennähe oder in der Wüste unterschiedliche Speisen zu essen. Gemein ist allen Regionen aber das gemeinschaftliche Servieren auf Platten bei Tisch, und die Grundzutaten wie Weizen, Kichererbsen, Oliven, Tomaten, Marillen, Granatäpfel, Datteln und Feigen sowie die Aromen von Minze, Kardamom, Zimt, Safran, Sesam und Kreuzkümmel dominieren überall die Gerichte.

An der Küste bestimmen Fisch und Meeresfrüchte den Speiseplan, ansonsten sind neben der vielfältigen Auswahl an Gemüse auch noch Lamm und Geflügel und in der Wüste Hammelfleisch zu finden. Genauso wie in anderen arabischen Ländern spielen in der syrischen Küche Zitrone, Knoblauch, Zwiebel, Petersilie und Olivenöl eine besonders wichtige Rolle. 

Wie im arabischen Raum üblich, ist zweifelsohne Tee das geläufigste Getränk im syrischen Alltag. Er wird zu jeder Tageszeit reichlich gereicht und für unseren europäischen Gaumen sehr süß getrunken. Kaffee wird hingegen seltener angeboten, er steht eher am Ende eines Restaurantbesuchs oder eines Geschäftstermins und ist meistens ein Zeichen der Gastfreundschaft. Dieser wird stark und manchmal auch mit Kardamom zubereitet und aus winzigen Tassen getrunken. 

Als alkoholisches Nationalgetränk gilt der Arak, ein hochprozentiger Schnaps aus Wein und Anis. Bereits vor 2.500 Jahren wurde im Nahen Osten dieses Getränk, das in Tonkrügen gelagert wurde, hergestellt. Wie alle anderen bekannten Anisschnäpse wird Arak klassisch mit Eiswürfeln und Wasser getrunken, wodurch sich der Schnaps milchig verfärbt. ?

Die Köchinnen des syrischen Festmahls

Reges Treiben im Kochstudio „Die Pause“ -  da legen alle Nationen Hand an. 

Reges Treiben im Kochstudio „Die Pause“ –  da legen alle Nationen Hand an.

Balkis Hasan ist Turkmenin und mit 23 Jahren die Jüngste der Kochgruppe. Aus der Stadt Quneitra, die auf den Golanhöhen liegt und auf eine konfliktreiche Vergangenheit zurückblickt, ist ihr Mann in Richtung Westen aufgebrochen. Hierher hat er Balkis sowie ihre beiden kleinen Kinder und ihre Familie nachgeholt, wo sie schließlich eine Wohnung in Horn gefunden haben. Balkis ist aufgeschlossen, fröhlich und wirkt zufrieden, als wir uns treffen, denn Kochen ist eine ihrer großen Leidenschaften. Obwohl sie erst sieben Monate in Österreich ist, spricht sie schon gut Deutsch und beherrscht außerdem noch Arabisch, Türkisch, Russisch und Englisch und will bald Wirtschaft studieren. 

Georgina Alaya wohnt seit fast zwei Jahren in Österreich und beeindruckt mit ihrer tiefen Stimme sowie ihrer sympathischen Art. Die 42-jährige Kostümbildnerin lebt gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Wien, wo ihre Tochter die Neue Mittelschule besucht. Georginas Ziel ist es, wieder in ihrem Ausbildungsberuf zu arbeiten. Daher lernt sie momentan Deutsch und hofft darauf, bald beruflich Fuß fassen zu können. Stolz präsentiert sie bei Tisch auch ein Video ihrer Tochter, die sehr gut Englisch spricht und sich bei Kundgebungen für Flüchtlinge engagiert. Nur dank Georginas Engagement und Fingerfertigkeit haben wir auch tatsächlich das Nationalgericht Kibbeh kochen gelernt.

Hanadi Abbarah ist 35 Jahre alt und wohnt gemeinsam mit ihren fünf Kindern im Alter von sieben bis 16 Jahren im idyllischen Wartberg/Aist im Mühlviertel. Im August 2014 kam sie zuerst nur mit einer Tochter nach Österreich, um anschließend ihre anderen vier Kinder, die bei ihrem Mann in Istanbul gewartet hatten, nachzuholen. Alle ihre Kinder gehen bereits in die Schule und Hanadi ist daher ausreichend mit der Organisation ihres Familienalltags beschäftigt. Das Kochen beschreibt sie als ihre größte Leidenschaft, und da sie bereits viel mit ihrem Mann gereist ist, beherrscht sie die unterschiedlichsten Rezepte, die sie voll Enthusiasmus mit uns geteilt hat.

Mariam Kahlil ist erst seit wenigen Monaten in Österreich und alleine hier angekommen. Die ruhige und lächelnde 33-jährige Volksschullehrerin lebt wie Hanadi in Wartberg/Aist und spricht Englisch. Mit einem Deutschkurs hat sie bereits begonnen, und in der Küche ist ihre Profession erkennbar. Denn mit viel Hingabe und Gewissenhaftigkeit arbeitet sie an den Gerichten, behält ständig den Überblick und lässt ihre Töpfe und Zutaten dabei nicht aus den Augen. Darüber waren wir bei den vielen neuen Rezepten ziemlich froh, und entspannt konnten wir bei Tisch ihre kulinarischen Meisterwerke genießen. 

Vielen Dank an Herta Hemmelmayr, Nadja Kayali, Renate Sacher-Neubauer und Veronika Stock für das -gemeinsame Kochen und Genießen!

Rezept für syrische Taboulé

Taboulé

Taboulé

200 g Bulgur fein
2 Bund Petersilie
1/2 Bund Minze
3 Tomaten
4 Frühlingszwiebeln
5 EL Zitronensaft
5 EL Olivenöl
Salz, frisch gemahlener Pfeffer

 

1. Bulgur mit ausreichend heißem Wasser übergießen und zugedeckt ziehen lassen. Wenn er weich ist, abseihen.

2. Tomaten und Zwiebeln sehr fein schneiden. Petersilie und Minze sehr fein hacken.

3. Ausgekühlten Bulgur mit allen Zutaten verrühren. 20 Minuten durchziehen lassen und mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Erschienen in „Welt der Frau“ 12/15

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  • Veröffentlicht: 07.12.2015
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