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04-05/24

Mama, da geht noch was!

Mama, da geht noch was!

Emanzipierte Mütter im Gespräch mit ihren Töchtern

Frauen haben in vielen Bereichen des Lebens erstaunlich schnell den Rückstand aus jahrhundertelanger Ungleichbehandlung aufgeholt. Das gibt Selbstbewusstsein. Bleibt für die Töchter noch etwas zu tun in Sachen Emanzipation? Und haben die Mamas noch etwas zu lernen?

Wir sagen, was wir denken

Eva Reithofer-Haidacher (56) ist Öffentlichkeitsarbeiterin bei der Lebenshilfe in Graz. Ihre Tochter Christina (29) ist Humangeografin und arbeitet in der Konflikt- und Gemeinwesenarbeit.

Viele Frauen halten sich für selbst­bewusst, doch ihre Töchter meinen: „Da geht noch mehr!“
Christina Reithofer: Das sage ich Mama oft. Sie ist nämlich diejenige, die kocht und putzt, während mein Vater zu Hause nur wenig tut. Für meinen Freund und mich ist „fifty-fifty“ selbstverständlich.
Eva Reithofer-Haidacher: Mein Mann ist eher mit sich und seinen Büchern beschäftigt als mit Staubsauger oder Rasenmäher. Allerdings war das auch einmal anders. (dreht sich zu Christina) Als deine ältere Schwester zur Welt kam und dein Papa ein Jahr lang arbeitslos war, kümmerte er sich um Kind und Haushalt, während ich das Geld nach Hause brachte. Doch als du geboren wurdest, stand die Frage im Raum, wer mehr fürs Familienleben zuständig ist. Weil dein Vater und ich stets versuchen, das, was wir tun, gut zu machen, widmete er sich stark seinem Job als Geschäftsführer und ich war halt daheim und arbeitete später Teilzeit.
Christina: Magdalena und ich sind schon seit zehn Jahren außer Haus! Da hättest du doch schon längst das Halbe-halbe-Machen einfordern können.
Eva: Du hast recht, kochen kann dein Papa ja. Am Beginn unserer Beziehung war das sogar sein Part, weil ich nicht kochen konnte. Meine Mutter hatte es mir nie beigebracht. Als Lehrerin war ihr wichtiger, dass wir Töchter studieren. Binnen achteinhalb Jahren brachte sie sieben Kinder zur Welt und war zwischen Job und Familie irgendwie zerrissen. Eh wie ich auch.

Mama, da geht noch was!
„Der Leistungsdruck macht es Frauen wie Männern schwer, sich zu emanzipieren“, sagt Christina Reithofer im Gespräch mit ihrer Mutter Eva Reithofer-Haidacher.

Eva, sagen Sie Ihrer Tochter, dass sie selbstbewusster werden könnte?
Eva: In der Pubertät war es so. (blickt zu Christina) Als du deine ersten männlichen Bekannten hattest, hatte ich das Gefühl, dass du dich von denen zu abhängig machst. Aber inzwischen glaube ich, dass mehr Emanzipation in der Beziehung als bei euch gar nicht mehr geht.
Christina: Es geht immer mehr. Für mich war es nicht leicht, unabhängig zu werden. Als Nesthäkchen wurde ich immer betüddelt. Deshalb bin ich ausgebrochen, habe in Istanbul studiert, bin viel gereist und danach nach Wien gezogen. Diese Erfahrungen haben mich wachsen lassen, waren der Beginn meiner Emanzipation.
Eva: Bei mir fing die Emanzipation in der Oberstufe an. Ich habe gegen Atomkraft demon­striert, gegen die Ausbeutung der Dritten Welt und für Gleichberechtigung, doch den aggressiven Ton mancher Frauenrechtlerinnen fand ich abstoßend. Die „Omas gegen rechts“, bei denen ich mich engagiere, haben Selbstironie. Deshalb ist diese Bewegung auch so lebendig und lustvoll.
Christina: Ich verstehe den kämpferischen Geist von Feministinnen. Es geht ja um etwas!

Sind Sie in einer Frauenrechtsbewegung engagiert?
Christina: Nein, aber ich habe das Frauenvolks­begehren unterschrieben und bin für eine Quotenregelung.

Wo schulen Sie Ihr Selbstbewusstsein?
Christina: Ich versuche zu sagen, was ich denke. Um das tun zu können, muss ich aber erst spüren, wer ich bin, wofür ich stehe. Auch in meiner Mediationsausbildung entwickle ich ein immer feineres Bewusstsein für mich selbst und lerne, mich Ängsten zu stellen.
Eva: Ich begebe mich gern in Situationen, in denen ich meine Unsicherheiten überwinden muss und so an Selbstbewusstsein gewinne.

„Frauen posten Videos von sich beim Schminken, Kochen und Backen. Wenn ihnen nur das wichtig ist, dann ist diese Entwicklung gefährlich.“
Eva Reithofer-Haidacher

Orientieren Sie sich in Sachen Emanzipation an anderen Frauen?
Christina: Nein, weil Emanzipation ermöglicht, individuelle Wege zu gehen. Das ist gut so, denn wenn es ein feministisches Diktat gäbe, wären wir ja erst wieder fremdbestimmt.
Eva: Ich habe in meiner Kindheit noch den Spruch gelernt: „Mädchen, die pfeifen, und ­Hühnern, die krähen, soll man beizeiten den ­Kragen umdrehen.“ Zum Glück ist das heute viel freier. Dass einige Frauen den Schwangerschaftsabbruch auf Staatskosten fordern, geht mir persönlich aber zu weit.
Christina: Auch das ist ein Frauenrecht. Ich finde daher, dass Frauen selbst entscheiden sollten, ob sie in schwierigen Situationen ein Kind gebären wollen oder nicht.

Wer sind in Ihren Augen selbstbewusste Frauen?
Eva: Ich denke da etwa an Lotte Tobisch, die sich nie und nimmer als Emanze bezeichnet hätte und über das Gendern der Sprache schimpfte. Trotzdem war sie unglaublich selbstbestimmt.
Christina: Frauen, die über das Gendern schimpfen, mag ich nicht. Dafür imponiert mir die pakistanische Mädchenrechtsaktivistin Malala, die deutsche Rapperin Sookee, die von der Zerstörung des patriarchalen Systems singt, und Sigrid Maurer von den Grünen, weil sie sich nix scheißt. Auch in meiner Arbeit gibt es lauter starke Frauen um die 40. Eine hat sich selbst ein Haus gebaut, obwohl sie alleinstehend ist. Das finde ich cool! Doch der Leistungsdruck macht es Frauen wie Männern schwer, sich zu emanzipieren. Von uns allen wird verlangt, ins System zu passen. Daher sollten wir uns alle auch vom System emanzipieren, denn nur dann können wir unabhängig sein. Ich merke es täglich: Diejenigen, die selbstbewusst etwas einfordern, haben mehr Spielraum.

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Erschienen in „Welt der Frauen“ Jänner/Februar 2020

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  • Veröffentlicht: 19.05.2020
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