So turbulent wie in dem Film „Monsieur Claude und seine Töchter“ geht es bei Friederike Eder und ihrer Familie in Marokko nicht zu. Aber dass sie als katholische Österreicherin einen Muslim geheiratet hat und die Söhne nun Freundinnen aus allen Weltgegenden haben, ist bemerkenswert.
Als ich erwachsen wurde, widersprach ich meinem Vater immer öfter. Das behagte ihm nicht“, sagt Friederike Eder-El Kaddioui (62). Ihrem Vater, der den Krieg miterlebt hatte, waren Leute aus anderen Ländern und Kulturen nicht geheuer. Der Tischlermeister aus Oberösterreich machte auch seinen sechs Kindern gegenüber keinen Hehl aus seiner Ablehnung von Andersdenkenden. Doch als Friederike, seine Älteste, nach dem Französisch- und Sportstudium die Diplomatische Akademie in Wien besuchte, war er stolz auf sie und träumte bereits von ihrer Diplomatenlaufbahn. Seine Pläne wurden jedoch durchkreuzt, als Friederike Eder sich 1981 in einen Studenten verliebte. Er hieß Mohammed Najib El Kaddioui, war Marokkaner und muslimischen Glaubens. „Weil es für ihn Liebe auf den ersten Blick war, bat mich Najib schon nach zwei Monaten, ihn zu heiraten. Auch ich fühlte, dass er ein aufrichtiger Mensch ist, mit dem man durchs Leben gehen kann“, sagt Eder-El Kaddioui und erzählt vom Osterfest 1982. Da stellte sie ihren Verlobten ihren Eltern vor.
„Meine Mutter spürte Najibs menschliche Qualitäten sofort. Mein Vater hingegen war absolut nicht erfreut, dass ich mit einem Marokkaner liiert war. Als wir im Oktober 1983 im Schloss Mirabell standesamtlich heirateten und ich den Familiennamen meines Mannes annahm, blieb Vater der Trauung fern und brach jeglichen Kontakt ab. Ich sah ihn erst vier Jahre später wieder, als er mich auf Drängen meiner Mutter zu seinem 60. Geburtstag einlud.“ Doch der nächste Schlag für den Vater folgte prompt, als seine Tochter und ihr Mann Österreich 1987 verließen, weil Najib eine leitende Stelle im Bautenministerium in Rabat bekommen hatte. „Es hat mich immer zu Entwicklungsländern hingezogen. Also nahm ich dies wie eine Fügung an. Gott zeigte mir meinen Weg“, meint Eder-El Kaddioui, die alle „Madame Frédérique“ nennen, und sie erzählt von ihrer langjährigen Tätigkeit bei „Caritas Marokko“ und ihrer Arbeit mit afrikanischen Flüchtlingen, die schon damals nach Europa weiterziehen wollten.
Nabil El Kaddioui (21) ohne Maissa (19)
Friederike Eder-El Kaddiouis jüngster Sohn Nabil ist in die Muslimin Maissa aus Tunesien verliebt. „Wir führen eine Fernbeziehung, weil sie in Bordeaux wohnt. Ich habe sie dreimal besucht und sie traute sich nicht, das ihrer Mutter zu sagen. Dabei habe ich einen maghrebinischen Hintergrund und einen muslimischen Namen! Wäre ich kein Muslim, wäre das für Maissas Mutter problematisch. Anders als meine Eltern, die meinen Brüdern erlauben, ihre Freundinnen mitzunehmen, und die sicher auch Maissa akzeptieren würden, sind die Eltern meiner Freundin sehr traditionell. Ihre Mutter möchte, dass wir uns schnell verloben, als Beweis dafür, dass ich es mit Maissa ernst meine. Das ist aber nicht möglich, weil wir noch jung sind und studieren. So gesehen sehe ich für unsere Beziehung keine Zukunft. Maissas Mutter macht zu viel Druck, und meine Freundin kann sich dem nicht entgegenstellen.“
Karim El Kaddioui (29) mit Emily (28)
Friederike Eder-El Kaddiouis erster Sohn ist Finanzcontroller und wohnt in Wien. Seine aus den USA stammende Freundin Emily ist Projektleiterin in einem Start-up-Unternehmen. Seit sieben Jahren sind sie ein Paar. „Kennengelernt haben wir uns während eines Auslandssemesters in Innsbruck. Danach führten wir eine Fernbeziehung. Vor vier Jahren zog Emily zu mir. Wir sprechen Englisch. Trotzdem hatten wir anfangs oft Missverständnisse, denn Menschen in den USA sind viel direkter als Marokkaner oder Franzosen, die vieles implizit ausdrücken. Dank unserer Offenheit, Toleranz, Neugierde und Aufrichtigkeit sind wir als Paar stark gewachsen und blicken vertrauensvoll in die Zukunft. Irgendwann möchten wir heiraten und eine Familie gründen.“
Youssef El Kaddioui (27) mit Camille (24)
Friederike Eder-El Kaddiouis Zweitgeborener arbeitet im Investmentbereich in Hongkong, seine Freundin Camille, eine aus Paris stammende Jüdin, studiert Management in der Normandie. Kennengelernt haben sie sich an der Hochschule. Kommuniziert wird auf Französisch. „Camilles Eltern sind getrennt. Ihr Vater ist sehr konservativ. Es dauerte eine Weile, bis er mitgekriegt hat, dass ich existiere. Ihre Mutter sah ich nur einmal. Beiden wäre lieber, wenn auch ich jüdischer Abstammung wäre. Ich meine: Wir sind alle Menschen, haben alle Gefühle, unabhängig von unserem Glauben. Camille und ich sind offen für andere Konfessionen und reisen viel. In jeder Stadt begleite ich sie zum Sabbatgebet in die Synagoge. Auch buddhistische, taoistische und hinduistische Tempel sowie die Moschee in Casablanca besuchten wir schon. Freiheit ist uns wichtig. Eines ist uns auch klar: Ohne Facebook und Handy wäre unsere zweieinhalbjährige Fernbeziehung wohl schon zu Ende.“
Die gebürtige Österreicherin Friederike Eder-El Kaddioui, ihr Mann Mohammed Najib El Kaddioui und die drei Söhne Youssef, Nabil und Karim – sie sind zweisprachig aufgewachsen – leben ihren multikulturellen Familienreigen in Marokko mit viel Offenheit.
Friederikes Vater war mit der Ehe seiner Tochter nicht von Anfang an einverstanden. Umso wichtiger war es ihr, dass ihre Söhne regelmäßigen Kontakt zu den Großeltern in Österreich hatten.
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Erschienen in „Welt der Frauen“ 05/18