Die Gesichter verpixeln, Kinder nur von der Seite zeigen oder lieber gar keine Kinderfotos online stellen? Worauf man achten sollte.
Julias Familienrat
Ein Nackedei am Strand, ein wütender Trotzkopf – manche Eltern haben keine besonderen Hemmungen, wenn sie Kinderbilder in sozialen Netzwerken posten. Warum tun sie das?
Barbara Buchegger: Ich glaube, die Eltern haben in dem Moment das Gefühl, das sind süße, herzige Kinderfotos. Sie möchten lustige Fotos mit Freunden teilen oder sie suchen in anstrengenden Zeiten moralischen Support in sozialen Netzwerken. Viele Eltern überlegen sich nicht, welche Konsequenzen das haben könnte.
Alexandra Nachbargauer: Vor zehn Jahren habe ich auch einmal auf Facebook ein Bild meines Sohnes nur mit Unterwäsche und Lederjacke gepostet. Heute würde ich das nicht mehr machen. Ich habe schon viele Fotos auf meinem Konto gelöscht.
Buchegger: Wir sind mehr erwachsen geworden in den sozialen Netzwerken.
Frau Nachbargauer, welche Fotos zeigen Sie auf Ihrem Blog?
Nachbargauer: Auf meinem privaten Facebook-Konto sind meine Kinder frontal zu sehen und auch Hochzeitsfotos. Auf Instagram oder meinem Blog zeige ich meine Kinder nur seitlich oder von hinten. Ich möchte nicht, dass meine Kinder später einmal Probleme bekommen.
Buchegger: Mit Ihrem Blog sind Sie ein Best-Practice-Beispiel. Kinder haben das Recht auf Privatsphäre und das Recht am eigenen Bild, das heißt, dass man Menschen nicht nachteilig darstellen soll. Es ist nicht absehbar, was ein Foto für den späteren Lebensweg bedeuten könnte. Nacktfotos von Kindern sollte man auf keinen Fall posten – das Foto könnte in pädophilen Kreisen die Runde machen. Auch ein Foto des Kindes vor der Schule könnte im Extremfall problematisch sein, wenn die Schule einen schlechten Ruf hat, und man sollte auch keine personenbezogenen Daten preisgeben. Ich halte oft Vorträge, in denen ich sehe, dass Volksschulkinder gut einschätzen können, was in Bezug auf Fotos geht und was nicht. Weinende oder wütende Kinder, starke Emotionen oder Essfotos – solche Bilder gehen nicht, finden die Kinder.
Sollten Eltern ihre Kinder fragen, ob sie ein Foto posten dürfen?
Buchegger: Eltern sollten Kinder prinzipiell fragen, bevor das Bild weggeht. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, dass das Nein auch eine Konsequenz hat und dass Eltern die Entscheidung respektieren. Ich erfahre oft von Kindern, dass ihr Nein nicht respektiert wird, und irgendwann machen dann auch Kinder Fotos von anderen – etwa Lehrerfotos, die nicht positiv sind, oder Fotos von Freunden in Ausnahmesituationen – und posten diese Bilder.
Nachbargauer: Meinen Großen frage ich auf jeden Fall, meine Tochter ist erst zwei Jahre alt. Mein Sohn hat einen eigenen Instagram-Account, und ich habe ihm gesagt, dass auf den Fotos sein Gesicht nicht zu erkennen sein soll. Wenn ich nicht möchte, dass er sein Gesicht zeigt, muss ich das auch so handhaben.
Welche Folgen können unbedacht ins Netz gestellte Bilder haben?
Buchegger: Es könnte Cybermobbing betrieben werden. Solche Bilder werden benützt, um sich über ein Kind lustig zu machen – so etwas erleben nicht wenige Kinder.
Wie gehen Sie als Bloggerin damit um, Persönliches von Ihrem Familienalltag zu erzählen und dabei die Privatsphäre Ihrer Kinder zu schützen? Fragen Sie Ihre Familie, was Sie schreiben dürfen?
Nachbargauer: Mein Partner liest meine Blogbeiträge Korrektur. Manches hätte ich gerne in einen Beitrag verpackt, habe es aber nicht getan. Vor einem Schulwechsel habe ich lange überlegt, darüber zu schreiben. Es hätte vielleicht anderen Eltern geholfen, die vor einer ähnlichen Entscheidung stehen, ich habe es dann aber sein lassen.
Buchegger: Das ist ein schönes Beispiel, weil ein Schulwechsel Kindern oft unterstellt, sie seien blöd oder sozial auffällig. Aber es hat sehr oft andere Gründe.
Kann man einmal ins Netz gestellte Fotos tatsächlich nicht mehr löschen?
Buchegger: Ja und nein. Es kommt darauf an, wo das Foto schon die Runde gemacht hat. Wenn ich einen privaten Facebook-Account habe, kann ich Bilder meines Kindes löschen. Man weiß aber nicht, welche Bilder in welchen Kreisen kursieren. Mit „images.google.com“ kann man schauen, ob die Bilder irgendwo auf anderen Plattformen auftauchen. Wenn Bilder dort erscheinen, kann man den Internet-Ombudsmann unter „ombudsmann.at“ bitten, diese Bilder zu entfernen.
Wie sollen sich verantwortungsvolle Eltern verhalten?
Buchegger: Eltern sollten es zur Regel machen, dass man abgebildete Personen fragt, wenn man deren Bilder veröffentlichen möchte. Man soll sich auch überlegen, in welchem Kontext man Fotos schickt, ob ich der Oma eines über WhatsApp schicke oder ob ich es auf Instagram oder Facebook stelle. Man muss nicht jede Lebenssituation mit der Kamera festhalten. Oft schaut sich das keiner mehr an.
Nachbargauer: Ich finde auch, man sollte viel öfter einfach nur zusehen, als immer gleich zu fotografieren. Ausgedruckte Fotos und Fotobücher schauen sich Kinder oft viel lieber an als nur digitale Fotos.
Julia Langeneder, Familienredakteurin und Mutter von zwei Kindern, lädt jeden Monat zum Familienrat ein.
Julias Gäste
Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von „saferinternet.at“, hält Vorträge für Kinder und Eltern (www.fragbarbara.at).
Alexandra Nachbargauer, Buchhalterin, Tanzpädagogin und Bloggerin (julisunshine.com), ist Mutter von zwei Kindern.
Fotos: Alexandra Grill, beigestellt
Erschienen in „Welt der Frauen“ 07-08/2019