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04-05/24

Weg mit den Verboten

Weg mit den Verboten

Anschnallen? Natürlich!

ÖsterreicherInnen wollen Freiheit in Familiendingen und Regeln im Straßenverkehr.

Das Marktforschungsinstitut GfK Austria hat 2013 eine Studie zum Thema „Ist Österreich eine Verbotsgesellschaft?“ erstellt, die von der Initiative „Mein Veto – Bürger gegen Bevormundung“ in Auftrag gegeben wurde. Wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und medialer Druck sowie Egoismus und politische Willkür stehen an der Spitze der Merkmale, die die Befragten für das derzeitige Leben in Österreich als sehr prägend wahrnehmen.

Umgekehrt steht allerdings auch Freiheit ganz oben auf der Liste (für 78 Prozent ist sie sehr spürbar). Eigenverantwortung, Selbstbestimmung und Toleranz bilden im Vergleich der abgefragten Merkmale die Schlusslichter und scheinen weniger wichtig.

Ein gutes Viertel der Bevölkerung (26 Prozent) erlebt das Ausmaß an gesetzlichen Bestimmungen als viel zu hoch, knapp die Hälfte (46 Prozent) als lästig, aber dennoch auszuhalten. Besonders auf den Gebieten Religion und Kindererziehung ist den ÖsterreicherInnen Selbstbestimmung wichtig (97 Prozent). Die am meisten akzeptierten Vorschriften sind das Anschnallen im Auto (89 Prozent) und die Helmpflicht (77 Prozent).

Wenn es darum geht, ob und welche konkreten Verhaltensweisen anderer im Zusammenleben stören bzw. sogar verboten werden sollten, zeigt sich Folgendes: Am meisten Akzeptanz gibt es für ungewöhnliche Kleidungsstile (85 Prozent), zu schnelle Autos (68 Prozent) und das Rauchen an öffentlichen Orten (65 Prozent). Immerhin 52 Prozent fühlen sich vom übermäßigen Essen und Dickwerden der anderen gestört. Am wenigsten akzeptabel fanden die Befragten Autofahren unter Alkoholeinfluss (96 Prozent), Unpünktlichkeit (88 Prozent) und Faulheit (81 Prozent). Aber nur beim Autofahren in alkoholisiertem Zustand ist eine große Mehrheit für ein ausdrückliches Verbot (89 Prozent).

Übertriebener Gruppendruck

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Susanne Niedermayr, 50, meint, dass der Druck sich Vorschriften zu beugen, gewachsen ist.

Als meine ältere Tochter ein Baby war, habe ich sie ohne schlechtes Gewissen mit dem Oberteil des Kinderwagens auf den Autorücksitz gestellt. Sie hat so bestens geschlafen, sicher besser als in einen Kindersitz geschnallt, in den ich sie zuerst hätte umbetten müssen. Später habe ich einfach mein Halstuch genommen und es zwischen die Vordersitze gebunden, damit die Kinder beim Bremsen nicht nach vorne fliegen. Ich hatte den Eindruck, dass ich sie so gut abgesichert habe. Ich sage nicht, dass das besser war als heute, wo es für jede Lebenslage einen Sicherheitsgurt, Kindersitz oder Sturzhelm gibt. Vor 30 Jahren hätte mich mit Sturzhelm jeder auf der Piste ausgelacht, heute bin ich die Einzige ohne und gelte als unverantwortlich. Da entsteht ein übertriebener Gruppendruck. Für manches kann man durchaus selbst die Verantwortung übernehmen.

 

Keine Erreichbarkeitspflicht

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Anna Schauberger, 29, schaltet ihr Handy immer öfter aus.

Eine für mich sehr unangenehme Entwicklung der letzten 15 Jahre ist einerseits die von allen Seiten vorausgesetzte ständige Erreichbarkeit; andererseits die invasive Kontrolle des Privatraumes, die sich dazu parallel entwickelt. Seit circa fünf Jahren habe ich in wiederkehrenden Phasen das dringende Bedürfnis, mein Handy ein für alle Mal an die Wand zu schleudern. Meine E-Mails lese ich nur in unregelmäßigen, für viele unvorstellbar langen Abständen. Warum? Ich arbeite mit vielen verschiedenen Leuten zusammen. Manchmal muss ich mich aktiv abschirmen – sonst käme ich nie dazu, mich auf meine Arbeit, Musik, einzulassen. Ich produziere oft in der Nacht, weil ich nur dann zehn Stunden durchgehend und konzentriert arbeiten kann. Die Erreichbarkeitspflicht macht mich zu einer Person mit wachsendem Rückzugsbedürfnis.

 

Unüberblickbarer Schilderwald

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Julia Bayer, 45, stört das Übermaß an Informationen im Stadtverkehr.

Als Mutter und Begleitperson einer L-17-Fahrerin stehe ich derzeit vor einer großen Herausforderung im täglichen Stadtverkehr: nämlich dem schier unüberblickbaren Verkehrsschilderwald. Es wimmelt in kürzesten Abständen von Ver- und Geboten für die Autofahrer. Man könnte meinen, dass den Fahrzeuglenkern jeglicher Hausverstand und Überblick abgesprochen wird. Für eine Fahranfängerin wie meine Tochter ist das gleichzeitige Erfassen so vieler Schilder alles andere als einfach. Für selbstverständliche Situationen, denke ich, sollten wirklich auch Eigeninitiative und selbstständige Entscheidungen gefragt sein und nicht eine andauernde Belehrung über das Verhalten
im Verkehr. Verkehrsschilder sind wichtig und sinnvoll, aber das gilt bei Weitem nicht für alle, die unsere Straßen flankieren.

 

Lesen Sie weiter!

Die Interviews mit der Wiener Pastoraltheologin Regina Polak und mit dem Philosophen Robert Pfaller finden Sie in der „Welt der Frau“-Ausgabe 04/14!

 

Erschienen in „Welt der Frau“ 04/14 – von Julia Kospach

 

 

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  • Veröffentlicht: 26.03.2014
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