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04-05/24

Darf’s ein bisschen weniger sein?

Darf’s ein bisschen weniger sein?

Einkaufen, auspacken, Verpackungen entsorgen. Der tägliche Müllberg wächst und wächst. Parallel dazu steigt auch der Unmut der Konsumenten. Aber es gibt Alternativen: von verpackungsfreien Supermärkten bis hin zu individuellem, persönlichem Engagement.
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Franz Seher ist Initiator von „holis“ in Linz, dem zurzeit größten verpackungsfreien Supermarkt in Europa. © holis

In Folie eingeschweißte Äpfel, Milchpackungen, Tierfutterdosen, Kekskartons, Putzmittelflaschen. Von unseren Einkäufen landet ein guter Teil nach kurzer Zeit im Müll, und zwar nicht nur, weil Lebensmittel nicht aufgebraucht und weggeschmissen werden, sondern auch, weil ein beträchtlicher Teil des Einkaufs aus Verpackungsmüll besteht.

Sogar in Biomärkten gibt es Tee in Sackerln zu kaufen, die wiederum in einem Karton gestapelt und rundherum mit Plastikfolie umwickelt sind. In herkömmlichen Supermärkten wiederum werden ausgerechnet Bio-Obst und -Gemüse häufig extra verpackt. Denn eine EU-Verordnung besagt, dass Bioware von Nichtbioware deutlich zu unterscheiden sein muss. Und das kann man eben durch gekennzeichnete Verpackungen erfüllen. Auch „bio“ schützt also nicht vor Verpackungsmüll.

Dazu kommen jede Menge unnötige Riesenverpackungen mit unverhältnismäßig wenig Inhalt, auch Mogelpackungen genannt. „Das bringt viele Konsumenten auf die Palme. Mogelpackungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie viel Inhalt versprechen, aber diesen nicht bieten“, so der Verein für Konsumenteninformation. „Während bei unserem deutschen Nachbarn eine Leitlinie festhält, dass in Verpackungen ein Luftvolumen von maximal 30 Prozent des Gesamtvolumens tolerierbar ist, gibt es in Österreich dazu keine gesetzliche Regelung.“ 

Insbesondere unnötig große und viele Einzelverpackungen – Letztere bedingt durch die Zunahme kleiner Haushalte – ebenso wie viele Einwegverpackungen sorgen für 149 Kilo Verpackungsmüll, die hierzulande pro Person in einem Jahr anfallen. Der boomende Versandhandel mag ein weiterer Grund für wachsende Verpackungsmüllberge sein, denn an deren oberster Stelle stehen Papier und Pappe. Als weitere Gründe gelten kürzere Produktzyklen bei langlebigen Konsumgütern und eine Zunahme von Take-away-Ernährung.

Eigenes Engagement gefragt

Wer sich dem Verpackungsdiktat der Hersteller und Vertreiber nicht anschließen will, muss eine große Portion Engagement aufbringen auf der Suche nach Alternativen. Loses Obst und Gemüse auf Märkten kaufen ist fast immer möglich, ebenso sich Gemüsekisten zustellen lassen. VerpackungsvermeiderInnen können sich auch zu Einkaufskooperativen zusammenschließen, die verpackungsschonend selbst ihre Lebensmittel und Putzmittel bei regionalen LieferantInnen besorgen.

Wer darüber hinaus eigenverantwortlich aktiv sein möchte, stößt schnell an Grenzen, wie die Montessori-Pädagogin Anna Harsch es immer wieder erlebt: „Wenn ich beim Bäcker oder Supermarkt eine Torte kaufe und mit einem eigenen Behälter dafür komme, weil ich die Plastikbox von dort nicht möchte, werde ich meistens perplex angeschaut.“ So manche umweltverbundene Unternehmen versuchen mittlerweile zwar, ihre Verpackungen durch Pfandsysteme oder alternative Materialien ökologisch vertretbarer zu gestalten, man muss sie allerdings erst aufstöbern. So hat Anna Harsch kürzlich durch Zufall eine Alternative zu Katzenfutterdosen gefunden.

Die Glasvariante des deutschen Unternehmens „Wuff und Mau“ bezieht sie über das Internet und verwendet sie nach Gebrauch wieder. „Man kann aus ihnen wunderbar ein Xylofon bauen, wenn man sie unterschiedlich mit Wasser füllt. Sie sind außerdem sehr schön und bestens geeignet als Aufbewahrung für allerlei Krimskrams“, erklärt die Pädagogin, die in Wien ein Kinderhaus betreibt.

Versandshop mit Herz für die Umwelt

© privat

© privat

Anja Haider-Wallner betreibt seit 2013 den Internetladen „Akasha“ mit Wohlfühlprodukten für Körper, Geist und Seele. Als Gemeinwohlunternehmerin – statt maximalen Gewinns steht hier das Gemeinwohl an oberster Stelle – ist es ihr ein Anliegen, auch beim Versand zu punkten. Um Verpackungsmaterial zu reduzieren, verwendet sie grundsätzlich jenes ihrer LieferantInnen weiter. „Füllmaterial habe ich noch nie bestellt, und ich habe wohl Reserven für ein paar Jahre.“ Kartons und Versandkuverts bezieht sie als Recyclingvariante. Versandtaschen, die auf die Kartons geklebt werden und die Rechnung enthalten, sowie Klebebänder sind aus Papier statt wie sonst üblich aus Plastik. Anja Haider-Wallners Eigenproduktionen wie Gewürz- oder Teemischungen werden in Papier oder, wenn längere Haltbarkeit garantiert sein muss wie etwa bei Rohkakao, in eine Verbundverpackung aus Papier und Kunststoff pflanzlicher Herkunft verpackt.

Manchmal gibt es aber Hindernisse beim ökologischen Versandengagement. „Bei Retoursendungen sehe ich manchmal, dass ein Paket nicht mehr so schön aussieht, wenn es offensichtlich nicht sehr sorgsam behandelt wurde oder wenn es in einen Regenguss gekommen ist. Das nehme ich aber in Kauf. Solange die Funktionalität erhalten ist, darf die Ästhetik ein wenig leiden. Kunden haben sich auch noch nie beschwert“, erzählt Haider-Wallner. Ein weiterer Wermutstropfen: Die Ayurveda-Kochbücher, die Haider-Wallner versendet, sind in Kunststofffolie geschweißt, weil sich das auch auf Nachfrage beim liefernden Verlag nicht ändern ließ.

www.akasha.co.at 

„Bio ist nicht die Lösung für alles“

Biokunststoffe erscheinen als gute Alternative zur Plastikverpackung. Ganz so einfach geht die Rechnung aber nicht auf. Elmar Schwarzlmüller erklärt, woran das liegt.

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© M.Kupka/DieUmweltberatung

Keine Frage, Plastik hat seine negativen Seiten. Warum aber ist das Thema „Plastikverpackungen“ emotional so sehr aufgeladen?
Elmar Schwarzlmüller: Das liegt an den Bildern, die damit verbunden sind: Plastikabfälle im Meer, an Plastikstücken verendende Tiere und mit Plastik übersäte Landschaften. Auch dass sich Stoffe aus der Plastikverpackung herauslösen und in den Körper gelangen könnten, bewegt die Menschen. 

Wie leicht können Plastikpartikel in den Körper gelangen?
Viele Kunststoffe gelten als unbedenklich, manche können potenziell gesundheitsschädliche Stoffe abgeben und sind daher auch nicht für alle Produkte erlaubt. Kunststoffe für Lebensmittelverpackungen müssen strengere Auflagen erfüllen. Bei Glas gibt es aber sicher weniger Wechselwirkung zwischen Inhalt und Verpackung. 

Sind Ihrer Meinung nach Biokunststoffe als Alternative ein Schritt in die richtige Richtung?
Sie können eine brauchbare Alternative zu konventionellem Plastik sein, da sie meist biologisch abbaubar und aus nachwachsenden Rohstoffen sind. 

Das ist nicht bei allen der Fall?
Nein, leider ist der Begriff „Biokunststoff“ sehr dehnbar. Es gibt auch Mischungen mit herkömmlichem Kunststoff. Die biologisch abbaubaren Biokunststoff-Verpackungen sind speziell gekennzeichnet. 

Und wie sieht deren Auswirkung auf die Umwelt aus?
Die Ökobilanz von Biokunststoffen, also die Auswirkung auf die Umwelt von der Rohstoffherstellung bis zur Entsorgung, ist sehr verschieden. Am besten sind Biokunststoffe aus regional und umweltfreundlich angebauten Rohstoffen, idealerweise aus landwirtschaftlichen Nebenprodukten. Wenn die Rohstoffe aus Monokultur mit hohem Pestizid- und Düngemitteleinsatz stammen und weit transportiert wurden, ist kein ökologischer Vorteil mehr gegeben. 

Wie bedeutsam sind Biokunststoffe im Verpackungsbereich?
Sie haben hier durchaus Potenzial. Obst, Gemüse und Brot etwa können in Biokunststoffverpackungen länger haltbar sein. Aber sie sind nicht die Lösung für alles. In manchen Fällen ist weniger Verpackung oder sind wiederverwendbare Verpackungen die bessere Lösung.

Elmar Schwarzlmüller ist Fachberater zur Ressourcenschonung und Abfallvermeidung bei „die umweltberatung“. 

www.umweltberatung.at

Linktipps:
Einkaufen ohne Verpackung

www.mass-greisslerei.at: Lebensmittel, Wien
www.liebeundlose.at: Lebensmittel, Wien
www.holis-market.at: Lebensmittel, Linz
www.füllbar.at: Waschen und Putzen, Wien

Wein in Pfandflaschen gibt es zum Beispiel beim Bioweingut Leo Wöber,
Tel. 02942 8209, E-Mail: [email protected]

Eine Liste aller BiokistenanbieterInnen findet man auf
www.umweltberatung.at/biokistl-anbieterinnen-aus-oesterreich

Infos und Ideen rund um nachhaltige Lebensmittelkooperativen:
www.foodcoops.at

Erschienen in „Welt der Frau“ 02/16

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  • Veröffentlicht: 04.02.2016
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