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09/23

Weniger brauchen und wollen

Weniger brauchen und wollen
Foto: Adobe Stock

„Welt der Frauen“ begleitet Sie mit wertvollen Anregungen durch die Fastenzeit. Lesen Sie hier unser Interview mit Heidi Gadermayr.

Die Innviertler Fastenbegleiterin Heidi Gadermayr will mit mehr Gelassenheit und Achtsamkeit durch die Fastenzeit gehen.

Was bedeutet Ihnen Fasten?

Innehalten, Kraft schöpfen, das Leben spüren – das bedeutet Fasten für mich. Manch eine oder einer wird sich nun wundern. Schließlich steckt hinter diesen Begriffen keine Andeutung von Verzicht und Kasteien, darin ist auch nicht die Rede von einer Diät oder Ähnlichem.
Fasten bedeutet für mich Leichtigkeit, einen klaren Kopf, das Wachrütteln meiner Sinne und einen achtsameren, bewussteren Umgang.
Im Frühjahr ist es mir besonders wichtig, diese Energie der Jahreszeit auch für mich persönlich zu nutzen. Denn nicht nur die Natur beginnt zu erblühen und neues Leben hervorzubringen, auch unser Körper und Geist sehnen sich nach einem „Frühjahrsputz“.
Durch bewusste basische Ernährung beziehungsweise Vollfasten kann ich meine Selbstheilungskräfte aktivieren. Fasten in allen Dimensionen lässt mich erkennen, was im Leben wirklich wichtig ist, und ermöglicht langfristig einen Lebensstil, der mir guttut.

Foto: privat

Heidi Gadermayr, 43 Jahre alt, lebt mit ihrem Mann und drei Kindern im oberösterreichischen Taiskirchen im Innkreis und unterrichtet an der Landwirtschaftlichen Berufs- und Fachschule Andorf. 2019 absolvierte sie die Ausbildung zur Fastenbegleiterin, darüber hinaus ist sie als Trauerbegleiterin und Achtsamkeitslehrerin tätig. Mehr Infos unter fastenliebe.at.

Worauf verzichten Sie in der heurigen Fastenzeit?

Meine persönliche Fastenzeit beginne ich damit, bereits einige Zeit vor dem eigentlichen Fasten auf Zucker zu verzichten. In weiterer Folge meide ich schrittweise alle säurebildenden Lebensmittel. Dass das mit viel Genuss einhergeht, liegt an der Vielfalt an vitamin- und ballaststoffreichen Rezepten. Eine besondere Entlastung erlebe ich durch das Vollfasten nach Dr. Buchinger.
Die Ernährung ist die eine Seite des Fastens. Doch Fasten ist wesentlich mehr als die Entlastung auf körperlicher Ebene.
Worauf ich in der heurigen Fastenzeit verzichten möchte? Ganz klar beinhaltet es all das, was mich in meiner Selbstbestimmtheit einschränkt. Dazu gehört, mich von den Meinungen anderer – vor allem den Medien – nicht beeinflussen zu lassen und mich neu auszurichten.
Weniger Bildschirmzeit und mehr Schlaf stehen dabei an erster Stelle. Inwieweit mir das heuer gelingt, kann ich vorab nicht sagen. Doch meine Tipps, um die Ziele zu erreichen, liegen in erster Linie im Hineinspüren – tief durchatmen, innehalten, überlegen, entscheiden – einerseits und einem täglichen Ritual beziehungsweise guter vorabendlicher Planung sowie dem Sichtbar-Machen meiner Ziele andererseits.

Die fünf Säulen der traditionellen europäischen Medizin versuche ich auch in meinem Alltag wirksam werden zu lassen. In der Fastenzeit gewinnen diese noch zunehmend an Bedeutung. Vor allem in den verschiedenen Impulsen, welche ich auch meinen FastenteilnehmerInnen mit auf den Weg gebe:

  • Ernährung: Persönlicher Verzicht auf Genussmittel wie Zucker und Alkohol, weniger vom Tier, dafür mehr von Feld und Garten.
  • Wasser: Ausreichend trinken – mindestens 2,5 Liter täglich, ein erholsames Basen-Bad, ein Saunabesuch, Wechselduschen, tägliches Bürsten bringt vieles in Fluss.
  • Bewegung: Regelmäßige tägliche beziehungsweise wöchentliche Bewegung. Ausprobieren, was Freude macht – ein Spaziergang, Hallenbadbesuch, Yogaeinheit … Bei allem gilt: besser weniger beziehungsweise kurz als gar nicht! Denn wir haben nicht zu wenig Zeit. Meist haben wir sie nur zu wenig sinnvoll eingeteilt oder hineingespürt, was uns guttut.
  • Kräuter: Tägliches Teeritual, bei der Gewürzvielfalt in der Küche aus dem Vollen schöpfen.
  • Lebensordnung: Sich täglich Zeit für sich selbst gönnen – Meditation, Gebet, Impulstext, beim Schreiben eines Tagebuchs, achtsame Haltung entwickeln, dem Gegenüber respektvoll oder gegebenenfalls versöhnlich begegnen.

„Wie wunderbar ist es, jeden Tag neu beginnen zu dürfen!“ – Nicht damit hadern, wenn ein Fastenvorsatz nicht gelingt, sondern hineinspüren, was es ist, das Sie gerade brauchen und Ihnen guttut, und immer wieder neu ausrichten. Wie herrlich ist es, diese Chance zu ergreifen.

Was ist Ihr Ziel? Wie möchten Sie aus dieser Fastenzeit hinausgehen?

Das Ziel einer beziehungsweise meiner mehrwöchigen Fastenzeit ist in jedem Fall ein Mehr an Gelassenheit und Achtsamkeit. Weniger brauchen und wollen, sei es hinsichtlich verlockender Naschereien oder materieller Dinge, dafür mehr Sehnsucht und Zeit für die lustvollen und sinnstiftenden „Tätigkeiten“ entwickeln beziehungsweise aufwenden. Dadurch kann sich die eigene Dankbarkeit in der Begegnung mit anderen im Sinne eines guten Miteinanders entwickeln. Es ist nicht nur das Überwinden eines inneren Schweinehundes, das am Ende des Fastens so viel Freude bereitet, sondern ein neues Lebensgefühl voller Leichtigkeit und einer Ausrichtung, die das Wohl aller, von Umwelt und Umfeld, in den Blick nimmt.