Wer den Beckenboden in der Menopause unterstützen will, denkt zuerst an körperliches Training. Dabei macht die richtige Pflege oft den Unterschied, sagt Sexualberaterin Martina Signer. Wie diese aussehen kann, hat sie in einem Pflegekonzept ausgearbeitet.
Vermehrter Harndrang, unkontrollierter Harnverlust und unangenehme Empfindungen wie Brennen im Genitalbereich: Frauen in und nach den Wechseljahren, aber auch Patientinnen nach einer Chemo- oder Hormontherapie kennen diese Beschwerden. Gerade in den Wechseljahren werden sie oft nicht nur durch eine Schwäche des Beckenbodens ausgelöst, sondern auch durch die Auswirkungen, die die hormonelle Umstellung mit einem niedrigen Östrogenspiegel auf den Genitalbereich hat. Eine Folge davon ist, dass die feine Schleimhaut der Scheide und des äußeren Genitalbereichs weniger durchblutet und dadurch dünner, empfindlicher und verletzlicher wird. Dadurch kommt es zum Verlust der Feinabdichtung der Harnröhre. Durch die geringere Schutzbarriere können außerdem Keime leichter in die Blase eindringen und Harnwegsinfekte auslösen. Deswegen ist Martina Signer, die im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz 30 Jahre lang als Stoma- und Kontinenzberaterin tätig war, davon überzeugt, neben körperlichen Übungen besonders auf tägliche Pflegemaßnahmen zu setzen, denn „die simple tägliche Pflege wird oft unterschätzt“.
Tipps für die tägliche Pflege
- Neutrale und hormonfreie Salben können laut der Expertin sinnvoll und hilfreich sein, um die Beschwerden zu lindern. Bei der Anwendung sei es wichtig, die Produkte mit sauberen Fingern im gesamten Bereich der äußeren und inneren Schamlippen und am Harnröhreneingang zu verteilen. Signer empfiehlt außerdem, von Tag zu Tag zwischen fetthaltigen Produkten und milchsäurehaltigen Salben zu wechseln.
- Hinweis: Von der Verwendung der oft beigelegten Applikationsstäbchen rät die Expertin ab, da diese der empfindlichen Haut kleine Verletzungen zufügen können. Zusätzlich sei eine hygienische Reinigung schwierig.
- Zur Vorbeugung oder Behandlung von Atrophie, also der Ausdünnung oder Rückbildung der Genitalhaut, empfiehlt Signer die Verwendung von hormonhaltigen Salben oder Vaginalzäpfchen. Diese müssen jedoch mit dem Gynäkologen/der Gynäkologin des Vertrauens abgeklärt und per Rezept verschrieben werden.
- Ist die Genitalhaut kurz nach der Menopause noch intakt, sollten die hormonhaltigen Präparate einmal wöchentlich zusätzlich zur täglichen Pflege mit neutraler Salbe angewendet werden.
Sorgfältiger Aufbau als Grundregel
Bei der Behandlung mahnt die Expertin: Gerade bei dünner und bereits empfindlich gewordener Genitalhaut sei es entscheidend, auf einen langsamen Aufbau zu setzen. Sonst führe die Anwendung von Milchsäureprodukten und hormonhaltigen Salben oder Vaginalzäpfchen oft zu heftigem Brennen und in der Folge zum Abbruch der Therapie. Für den Aufbau geeignet seien fetthaltige Salben, die, über einen Zeitraum von zwei bis vier Wochen angewendet, eine gute Ausgangslage für die Verwendung der hormonhaltigen Produkte schaffen. Letztere können anschließend zwei bis drei Mal pro Woche eingesetzt werden, um eine Verbesserung des Genitalepithels und eine rasche Steigerung des Wohlbefindens zu erreichen. „Damit verschwindet in vielen Fällen nach zwei bis vier Monaten auch das lästige Symptom des häufigen und starken Harndrangs“, so die Sexualtherapeutin.
Habe sich der Zustand der Genitalhaut schließlich wieder in zufriedenstellender Weise verbessert, so reiche es in der Folge aus, die hormonhaltigen Salben und Ovula einmal wöchentlich zu verwenden. Dies sollte jedoch dauerhaft beibehalten werden.
„Die Sorge vor Nebenwirkungen der Hormone ist unbegründet.“
Hilfe, Hormone!
Signer weiß, dass der Einsatz hormonhaltiger Produkte oft umstritten ist. Sie argumentiert aber, dass diese anders zu bewerten seien als eine „systemische“ Therapie in Form von Tabletten oder Pflastern. Denn sie werden nur im Genitalbereich angewendet und wirken auch nur dort. „Die Dosis ist für den Genitalbereich sehr hilfreich und dennoch so gering, dass es zu keiner Veränderung des Blutspiegels kommt. Die Sorge vor Nebenwirkungen der Hormone ist daher unbegründet.“ Lediglich bei Brustkrebs müsse der behandelnde Arzt genau abwägen, ob eine Anwendung möglich ist oder nicht.
Abschließender Tipp bei heftigem Harndrang
Tritt bei Betroffenen plötzlich starker Harndrang auf, so sei eine erste Maßnahme, stehen zu bleiben oder eine Pause einzulegen, um die Blase zu beruhigen. Dadurch sinke die Gefahr des Harnverlustes. Auch das Sitzen auf einer Bank, auf einem Stuhl oder das Übereinanderschlagen der Beine können Erleichterung bringen. Wichtig sei, die Gedanken von der Blase wegzulenken. Mit dem entspannten Gang zur Toilette sollte man laut Signer schließlich warten, bis der Harndrang nachlässt oder gänzlich verschwunden ist.