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11/12/24

Taylor-Swift-Konzerte in Wien abgesagt

Taylor-Swift-Konzerte in Wien abgesagt
Foto: EXPA/ Newspix/ Antoni Byszewski /FOTONEWS

Mit ihrer „Eras Tour“ hätte die US-amerikanische Sängerin vom 8. bis zum 10. August in Wien gastieren sollen, bis die Konzerte aufgrund eines geplanten Terroranschlags abgesagt wurden. Was diese Entwicklung für 170.000 teilnehmende „Swifties“ bedeutet.

Ab heute hätte die US-amerikanische Sängerin Taylor Swift drei ausverkaufte Konzerte im Ernst-Happel-Stadion gegeben, gestern kam es jedoch aufgrund eines geplanten Terroranschlages zu einer Absage dieser Shows. Mehrere Festnahmen erfolgten bereits. Dass Sicherheit vorgeht, steht dabei außer Frage – dennoch zeigt sich vor allem auf Social Media Bestürzung über die Absage der Shows.

„Ein scheinbar sicherer Ort, um sich zu entfalten, wäre in Wien beinahe zum Ziel von Radikalität und Misogynie geworden.“

Für fast 200.000 Fans der Musikerin – genannt „Swifties“ – wären diese Abende ein energiegeladenes Spektakel geworden. Eines, das ich bereits im Mai in Stockholm erleben durfte. Eine musikalische Reise durch das Leben der Sängerin, von ihren Anfängen in der Musikbranche als Teenagerin bis hin zu der 34-jährigen Frau, die nun zu den erfolgreichsten und einflussreichsten MusikerInnen unserer Zeit zählt. Liedtexte, Bühnenbilder, Choreographien und Outfits: von den Anwesenden im Kollektiv gefeiert – und gefühlt. Zehntausende Menschen – überwiegend junge Frauen – hätten an diesen Abenden ihre Liebe zu Swifts Musik sowie die Zelebration und Akzeptanz der „Mädchenhaftigkeit“ oder „Mädchenjahre“ (zu Englisch: „girlhood“), die Swifts Lieder in ihrer Komplexität verkörpern, gefeiert. Ein scheinbar sicherer Ort, um sich zu entfalten – in Wien beinahe zum Ziel von Radikalität und Misogynie geworden.

Eine Frau, die vor allem junge Frauen begeistert

Swift ist für Fans nicht nur Musikerin, sondern auch greifbares Vorbild: Sie wurde 1989 in Pennsylvania geboren und zeigte schon früh Interesse an Musik. 2002 sang sie beispielsweise die Nationalhymne vor einem Sportevent, kurz darauf begann sie, selbst Lieder zu schreiben – zu dieser Zeit im Country-Musikgenre. Die Familie zog in die Nähe von Nashville, um Swift engeren Kontakt zu Plattenfirmen zu ermöglichen. Bei einem Auftritt wurde sie von einer Plattenfirma entdeckt und unter Vertrag genommen. Ihr Debütalbum erschien 2006 – erst im April brachte sie ihr elftes Studioalbum heraus. Jedes davon verkörpert eine eigene „Ära“, auf denen die derzeit stattfindende Tour aufbaut.

Aktuell ist Swift außerdem dabei, ihre ersten sechs Werke neu aufzunehmen, um die Rechte an ihnen zurückzuerhalten, nachdem diese von ihrem – mittlerweile früheren – Musikproduzenten entgegen ihres Willens verkauft wurden. Diese Neuinterpretationen werden mit „Taylor’s Version“ betitelt und weisen auf musikalische und weibliche Selbstbestimmung in der von Männern dominierten Branche hin.

Swifts Erfolge und Rekorde

Dass Taylor Swift als Künstlerin über Kontinente hinweg vereint, zeigt sich ebenfalls in den erreichten Rekorden: 2023 wurde sie beispielsweise mit über 26 Milliarden abgespielten Inhalten zur meistgestreamten Künstlerin auf Spotify. Bei Erscheinen ihres letzten Albums „The Tortured Poets Department“ erzielte sie auf der Musikplattform über 300 Millionen Abrufe innerhalb von 24 Stunden, womit die Künstlerin einen weiteren Rekord setzte. Vom „Time Magazine“ wurde sie zudem zur „Person des Jahres“ gekürt – noch nie zuvor wurde jemand aufgrund einer Leistung in der Kunst für diese Auszeichnung ausgewählt.

Die „Eras Tour“ gilt mit über 150 Konzerten auf fünf Kontinenten als die kommerziell erfolgreichste Tournee – eine Tatsache, von der nicht nur Swift mit Einnahmen von mehr als zehn Millionen Dollar pro Show selbst profitiert. Die Wirtschaftsagentur Wien wäre bei Durchführung der Konzerte beispielsweise von einem Wertschöpfungspotenzial von 100 Millionen Euro ausgegangen.

Taylor Swift, eine Feministin?

2014 gab sie gegenüber „The Guardian“ an, die Bedeutung des Wortes „Feministin“ lange nicht richtig verstanden zu haben – dass es nichts mit der gesellschaftlichen Darstellung zu tun habe, Männer zu hassen, sondern sich gleiche Rechte für die Geschlechter zu erhoffen. Ein Jahr zuvor wurde die Sängerin durch einen Radiomoderator sexuell belästigt, worauf dieser entlassen wurde. Er klagte auf Schadensersatz in Millionenhöhe, worauf Swift eine Gegenklage gegen sexuelle Belästigung einreichte – für den symbolischen Betrag von einem Dollar –, die sie gewann. Wiederholt wehrt sie sich zudem gegen die Beurteilungen ihrer Beziehungen – und die Anzahl dieser – und spricht sich für die Auslebung ihrer eigenen Sexualität aus.

Etwas, das sie genau wie andere feministische Themen in ihren Songs thematisiert: Im Lied „The Man“ beschreibt sie beispielsweise die Frustration darüber, dass die Arbeit von Frauen und Männern unterschiedlich gewichtet würde, und fragt sich, ob sie ihre Ziele schneller erreichen könnte, wenn sie ein Mann wäre. Allerdings nennen KritikerInnen dies als Beispiel für Swifts „weißen Feminismus“, der die Lebensrealitäten von weiblichen People of Color sowie anderen marginalisierten Frauen ausschließe: Anstatt einen für alle gehbaren Weg zu ebnen, sei es das Ziel, es mit der Lebensrealität einer weißen Frau in diesem patriarchalen System „bis nach oben“ zu schaffen.

„Das Kollektiv, das durch ihre Musik entsteht, kann vor allem Frauen darin einen, sich verstanden zu fühlen – in ihrem Alltag, dem Liebesleben, in den Doppelstandards, die in unserer Gesellschaft für Männer und Frauen gelten.“

Ein sicherer Ort in der Kunst

Ob man Taylor Swift als Person oder Musikerin schätzt oder man die Aufregung um sie nicht nachvollziehen kann, eines muss man ihr zugestehen: Das Kollektiv, das durch ihre Musik entsteht, kann vor allem Frauen darin einen, sich verstanden zu fühlen – in ihrem Alltag, dem Liebesleben, in den Doppelstandards, die in unserer Gesellschaft für Männer und Frauen gelten. Einen Raum zu haben, in dem sie zelebrieren dürfen, was ihnen Spaß macht – wie eine offen gelebte „Mädchenhaftigkeit“, die in unserer männlich geprägten Gesellschaft häufig als schwach oder gar lächerlich angesehen wird. Dass es hier andauernder Arbeit bedarf, um dieses Gefühl der Sicherheit und Leichtigkeit für diverse Lebensrealitäten zugänglich zu machen sowie alle Weiblichkeitsfacetten widerzuspiegeln, steht außer Frage. Die Möglichkeit zur gemeinsamen Entfaltung wurde den teilnehmenden Swifties nun genommen.

Was ich hoffe? Dass dieser Raum trotz der geplanten Terroranschläge untereinander und online erhalten bleibt. Denn es tut wahnsinnig gut, unter Gleichgesinnten zu sein, gemeinsam zu singen, zu tanzen und Freude an etwas zu haben. Neben der für mich lyrisch ansprechenden Musik bin ich genau deswegen Swiftie: weil es mir einfach Spaß macht. Diese Tatsache ist nicht unerheblich in einer Gesellschaft, die Frauen für alles, was sie tun, sagen, genießen oder anhaben, beurteilt. Was immer Taylor Swift als Nächstes plant: Ich bin gespannt darauf. Und hoffe, dass uns die Begeisterung für ihre Kunst noch lange vereint.

Film- und Buch-Alternativen zu den „Eras Tour“-Konzerten in Wien

  • „Miss Americana“: Dokumentation auf Netflix
  • „Taylor Swift: The Eras Tour“: Konzertdokumentation auf Disney+
  • Look What She Made Us Do“: Buch von Anne Sauer
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  • Veröffentlicht: 08.08.2024
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