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04/05/25

Spiegelungen wütender Weiblichkeit

Spiegelungen wütender Weiblichkeit
Foto: Tommy Hetzel

Burgtheater-Uraufführung: Die geniale Stefanie Reinsperger zieht als Kaiserin im Solostück „Elisabeth!“ von Schriftstellerin Mareike Fallwickl unter Regie von Fritzi Wartenberg alle Register.

Wer denkt, schon alles über Sisi – ja, Sisi und nicht Sissi, wie sie fälschlicherweise in den Kitschfilmen genannt wird – zu wissen, sollte sich dieses Theaterstück ansehen. Und wird dabei – wie das Premierenpublikum am 11. April – eine grandiose feministische Kundgebung gegen Unterdrückung und für Solidarität erleben.

Es ist ein Bühnensolo – das erste weibliche am Burgtheater überhaupt –, in dem sich eine der ganz großen, vielleicht aktuell sogar die größte Schauspielerin des Landes selbst ein beeindruckendes Denkmal setzt, voll vielschichtiger Weiblichkeit, voll berührender, dann wieder schockierender Erkenntnisse, aber auch voll köstlichster Unterhaltung: Stefanie Reinsperger als Elisabeth.

Reinsperger erzählt, schreit, schnaubt, kotzt, flüstert

Foto: Tommy Hetzel

Die nicht minder geniale österreichische Schriftstellerin Mareike Fallwickl („Die Wut, die bleibt“) hat Reinsperger den Monolog auf den Leib geschrieben. Fallwickls gut recherchierter, gescheiter Text ist ein genial formuliertes Staccato, das unaufhörlich auf das Publikum einprasselt, Wartenbergs Inszenierung ein atemloser, in den Bann ziehender Durchmarsch. Reinsperger erzählt, schreit, schnaubt, kotzt, flüstert – auf Wienerisch jeder Art, in Burgtheaterdeutsch, in Jugendsprache und mit viel Körpereinsatz – als seit 127 Jahren Tote, die nicht zur Ruhe kommt, weil sie immer noch, vor allem als touristisch verklärter Haupttreffer, ständig präsent ist. Fallwickl reichert die Geschichte Sisis mit feministischen Perspektiven an, holt sie mit aktuellen Bezügen ins Heute.

Reinsperger ist als Sisi zudem eine fesselnde Erzählerin, wenn sie von der vielfach geschändeten Gisèle Pelicot oder frühen Frauenrechtlerinnen berichtet. Gehüllt ist sie dabei in vielschichtiges Schwarz, dessen sie sich nach und nach teilweise entledigt, so wie sie es auch mit dem legendären Haar der Kaiserin tut, und es einem Plastikpferd – Sisis Alter Ego – überzieht.

Was es heißt, eine Frau zu sein

Schnell wird klar: Toxische Männlichkeit zieht sich durch die Jahrhunderte, Frauen werden immer noch isoliert, reduziert, gequält, in Zwänge und Regeln, die Männer gemacht haben, gepresst. Ja, selbst Sisis Schwiegermutter Sophie, die die – männlich dominierte – Geschichtsschreibung und Filme zum Schwiegermonster gemacht haben, bekommt hier andere Facetten. Das Stück reflektiert vielfältig, was es heißt, eine Frau zu sein, legt Klischeeschichten und Ungenauigkeiten in der allgemein gültigen historischen Darstellung frei, zeigt harte Wahrheiten, spricht das Publikum direkt an.

Stark wie die „Reinspergerin“ (wie sie sich selbst auf Instagram nennt) ist auch die Zweifrauenband aus Leni Ulrich an der E-Gitarre und Schlagzeugerin Lili Kaufmann in süßen Kleidchen und mit Schleifchen im Haar (Kostüme: Leonie Falke), die sie ordentlich fett und punkig-krawallig begleitet, sie eindringlich ergänzt. In der mehrteiligen Spiegelkulisse (Bühne: Jessica Rockstroh) finden sich viele Frauen wieder. Es könnten alle sein.

Das Publikum dankt den Akteurinnen mit frenetischem Jubel und Standing Ovations nach 100 Minuten, von denen man keine einzige missen möchte.

PS: In unserer aktuellen Ausgabe finden Sie ein ausführliches Interview mit Stefanie Reinsperger. Die Schauspielerin ist auch Gast in der 46. Podcast-Folge von „Welt der Frauen zum Hören“.

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  • Veröffentlicht: 14.04.2025
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