Eltern sein und gleichzeitig Paar bleiben ist schwer, das weiß auch Bettina Schwung. Im Interview verrät die Expertin, wie man wieder zueinanderfinden kann.
Sie sind als Paar- und Sexualberaterin tätig. Mit welchen Anliegen wenden sich Betroffene häufig an Sie?
Weil sie das Gefühl haben, im Beziehungs- und Sexualleben den Faden verloren zu haben. Sei es, weil die Kommunikation nicht mehr fließt, die Leidenschaft auf der Strecke geblieben ist oder einfach die Zeit zu zweit nicht mehr lebendig gestaltet wird. Besonders bei Themen rund um Sexualität höre ich häufig: „Wir wissen nicht mehr, wie wir mit unseren unterschiedlichen Bedürfnissen wieder zueinanderfinden sollen.“ Das Thema verminderte oder verlorene Lust ist ein Dauergast in meiner Praxis.
Gerade Eltern fehlt es oft an der Zeit zu zweit. Weshalb ist es so schwer, beide Rollen zu vereinbaren?
Hier spielen Zeit und Raum für sich selbst und für das Paar eine große Rolle, oder besser gesagt: der Mangel daran. Elternschaft bringt eine enorme Umstellung mit sich: Schlafmangel, Verantwortung, der Wunsch, alles perfekt zu machen. Da bleibt die Zeit für sich selbst und für entspannte Zweisamkeit oft auf der Strecke. Zudem ist es eine Herausforderung, die Balance zwischen Fürsorge für das Kind, für sich und die Partnerschaft zu finden. Es ist völlig normal, sich da überfordert zu fühlen. Der Wechsel zwischen den Rollen von „liebevoll kümmernden Eltern“ hin zum „erotischen Paar“ ist für viele schwierig.
Was raten Sie Paaren? Gibt es eine Universallösung für alle?
Ehrlich gesagt gibt es keine Patentlösung, die für alle passt. Jede Beziehung ist einzigartig. Wichtig ist, offen miteinander zu sprechen und die eigenen Bedürfnisse mitzuteilen. Ich finde es auch hilfreich, sich immer wieder folgende Fragen zu stellen: Wie geht es mir? Wie geht es dir? Wie geht es uns als Paar? Und auch einmal Nein sagen zu dürfen. Humor und Leichtigkeit helfen oft, die Dinge nicht zu schwer zu nehmen. Sowie die Möglichkeit, entspannte Zeit auch mal allein zu verbringen. Um die Verbindung aufrechtzuerhalten, reicht oft ein gemeinsamer Spaziergang, entspanntes Kuscheln oder ein kleines Ritual. Es muss nicht immer Sex sein, um den anderen zu spüren und die Beziehung als sicher zu erleben.
Gibt es Wege, wie sich Paare, die ein Kind erwarten, vorbereiten können, um nicht nur als Eltern, sondern auch als Sexualpartner:innen weiter zu bestehen? Absolut! Es ist gut, sich frühzeitig Gedanken darüber zu machen. Paare können gemeinsam über ihre Wünsche, Ängste und Erwartungen sprechen. Das schafft Verständnis und Nähe, auch wenn nach der Geburt gefühlt erst einmal alles kopfsteht. Auch kleine Rituale vor und nach der Geburt wie ein gemeinsames Frühstück oder bewusste Paarzeit, die nicht an Sex gebunden ist, können helfen, die Verbindung zu stärken. Geduld, Humor und gegenseitige Unterstützung sind die besten Begleiter auf diesem Weg. Denn wer sagt, dass Elternschaft und Leidenschaft einander ausschließen? Nein, das müssen sie nicht! Aber in Wahrheit sind die meisten in der ersten Zeit zu dritt oft einfach zu müde, überfordert und überreizt. Am besten begegnen sie sich in den ersten zwei Jahren mit mehr Verständnis und Rücksichtnahme als sonst. Damit sich alles wieder einspielen kann.
5 Tipps der Expertin:
- Wie immer ist Kommunikation der Schlüssel – auch wenn’s schwerfällt:
Nehmen Sie sich regelmäßig Zeit, um ehrlich und offen über Ihre Bedürfnisse, Wünsche und Ängste zu sprechen. Dabei ist ein wesentlicher Aspekt auch das Zuhören. Das schafft Nähe und verhindert Missverständnisse. Und keine Sorge, es muss nicht immer ein großes Gespräch sein – manchmal reicht ein kurzer Austausch, um wieder auf Kurs zu kommen. - Kleine Rituale und Aufmerksamkeiten können große Wirkung haben:
Ob ein liebevoll zubereitetes Frühstück ans Bett, eine kleine Nachricht mit einem Kompliment im Alltag, gemeinsam Yoga am Morgen oder ein spontaner Tanz im Wohnzimmer zu Ihrem Lieblingssong – diese Gesten sind wie kleine Anker im Alltag. Solche Momente bringen Freude, Nähe und stärken Ihre Verbindung auf eine besondere Weise. - Humor bewahren:
Das Leben ist manchmal chaotisch, und Elternschaft kann ganz schön fordernd sein. Lachen Sie miteinander, auch über die kleinen Pannen. Eine gesunde Fehlerkultur hilft, um nicht alles perfekt machen zu müssen. Humor entspannt die Stimmung und macht es leichter, gemeinsam durch schwierige Zeiten zu gehen. - Zeit für sich selbst und den*die Partner*in einplanen:
Auch wenn es manchmal nur 10 Minuten sind, gönnen Sie sich bewusst Auszeiten. Das kann ein kurzer Moment der Ruhe oder eine kleine oder größere Auszeit vom Alltag sein. Das stärkt Ihre Selbstfürsorge, Ihr Nervensystem kann sich dadurch wieder beruhigen, und Ihre Beziehung profitiert enorm davon. Holen Sie sich hierbei Unterstützung von Menschen, die Sie gerne einmal „freispielen“, wie Großeltern, Babysitter und Co. - Geduld, Verständnis und gegenseitige Unterstützung – vor allem in der Elternzeit:
Die ersten Jahre mit Kind sind oft geprägt von Müdigkeit und Überforderung. Seien Sie nachsichtig miteinander, zeigen Sie Verständnis und geben Sie sich Raum. Das ist keine Dauerlösung, sondern eine Phase, die vorbeigeht. Mit gegenseitiger Rücksichtnahme und einem Fokus auf Entspannung kann das Liebesleben auch in diesen Zeiten erblühen.
Die Vorarlbergerin Bettina Schwung begleitet Einzelpersonen und Paare in ihrer Praxis Liebes·Leben. Weitere Infos: bettina-schwung.com.
