ChatGPT und Co. verändern den Schulalltag: Wie sich künstliche Intelligenz aufs Lehren und Lernen auswirkt.
Welche Regeln gibt es an Ihrer Schule für die Erstellung schriftlicher Arbeiten, und wie lassen sich KI-generierte Hausübungen „entlarven“?
Verena Schuster-Schedlberger: Die Regeln für die abschließende Arbeit sind klar vom Ministerium kommuniziert: Die Selbstständigkeit der erbrachten Leistungen bleibt vorrangig. (…) Grundsätzlich gilt, dass man ehrlich ist. Ich persönlich unterrichte Mathematik in einer Abschlussklasse, 12. Schulstufe, und mit meinen SchülerInnen habe ich vereinbart: Ob KI verwendet wird oder nicht, die Aufgaben müssen verstanden werden. Hausübungen gelten als gemacht oder nicht gemacht, und ob der Schüler oder die Schülerin dann ehrlich zu sich selbst ist oder nicht, sei dahingestellt. Letztendlich zählen die Ergebnisse bei den Überprüfungen beziehungsweise den Schularbeiten und der Reifeprüfung. Ab einem gewissen Alter darf man diese Eigenverantwortung verlangen.
Welche Regeln gelten bei Ihnen im Unterricht, Herr Landl?
Gerald Landl: Da ich Informatik unterrichte, schauen wir uns viele Anwendungen an. Beim Programmieren empfehle ich, die KI zu verwenden. Zuvor braucht es aber ein Grundverständnis. Bei der abschließenden Arbeit rege ich dazu an, zum Schluss noch einmal die KI zu verwenden, um den Text sprachlich auszufeilen. Es handelt sich schließlich nicht um eine Literaturarbeit, sondern um ein technisches Thema. Früher hat oft jemand Korrektur gelesen, das kann jetzt die KI erledigen. Wichtig ist auch mir die Kennzeichnung: Das wurde mit diesem Tool korrigiert.
Wie gehen Sie sicher, dass nicht geschummelt wird?
Gerald Landl: Ich bin im Entstehungsprozess dabei und sehe, ob etwas Eigenes entsteht. Der Entstehungsprozess muss auch mit einer Art Forschungstagebuch dokumentiert werden. Wichtig ist, dass man die KI reflektiert benutzt.
Agnes Riegler: LehrerInnen könnten durch gezielte Empfehlungen und klare Begleitung sicherstellen, dass KI-Tools wie etwa Photomath sinnvoll in den Lernprozess eingebunden werden. Wichtig ist, dass wir SchülerInnen verstehen, wie wir diese Werkzeuge reflektiert einsetzen können, um unser Wissen zu vertiefen, anstatt sie lediglich als Abkürzung zu nutzen.
„Mit meinen SchülerInnen habe ich vereinbart: Ob KI verwendet wird oder nicht, die Aufgaben müssen verstanden werden.“
Welche Chancen kann KI im Schul- und Lernalltag bieten?
Verena Schuster-Schedlberger: Ich glaube, dass dadurch eine gewisse Individualisierung möglich ist, verschiedene Lernniveaus anzusprechen, und das eigene Lerntempo kann leichter angepasst werden. Für LehrerInnen können KI-Anwendungen für die Unterrichtsvorbereitung oder das Korrigieren ebenfalls eine Arbeitserleichterung sein. SchülerInnen können wiederum schnell Feedback zu ihren Texten bekommen. KI-Sprachtrainings sind ebenfalls eine Chance. Es gibt Anwendungen, mithilfe derer sich Fehler erkennen lassen und die es ermöglichen, gezielt daran zu arbeiten. KI kann hier gleichzeitig als Motivation dienen und Abwechslung in den Lernalltag bringen. KI-Anwendungen bieten auch Chancen zur Prüfungsvorbereitung.
Gerald Landl: Meiner Meinung nach liegt eine Chance auch darin, dass man sich Inhalte, die man im Schulalltag nicht ganz verstanden hat, noch einmal erklären lassen kann.
Agnes Riegler: Ich sehe ebenfalls im individualisierten Lernen den größten Vorteil. Wenn ich etwas nicht verstanden habe, mir etwas zu schnell gegangen ist oder ich nicht mitschreiben konnte, kann ich die KI fragen und bekomme es vielleicht aus einem anderen Blickwinkel erklärt und zusammengefasst. Außerdem kann KI bei kreativen Ideen unterstützend wirken – ich überlege gerade wegen Themen für meine abschließende Arbeit und habe mir von ChatGPT Vorschläge liefern lassen.
„Ich kann mir von keiner KI sagen lassen, wen ich wählen soll.“
Wie vermitteln Sie SchülerInnen einen kritischen Umgang mit KI?
Verena Schuster-Schedlberger: Zum einen durch Bewusstseinsbildung: Wenn ich mich immer auf die KI verlasse, werde ich von ihr abhängig. Zum anderen vermitteln wir den SchülerInnen auch, dass es wichtig ist, die Quellen zu hinterfragen und die Inhalte zu reflektieren.
Gerald Landl: Im Rahmen der digitalen Grundbildung kann man diese Themen behandeln. Wichtig ist mir, aufzuzeigen, dass die KI auch falschliegen kann und man daher auch selbst recherchieren muss.
Verena Schuster-Schedlberger: Die KI ist bei gewissen Themen sehr voreingenommen, das sollte man beachten. Ein Anliegen ist mir auch, ein Bewusstsein dafür zu schärfen, dass das persönliche Interagieren und Gespräche wichtig sind. KI kann das nicht ersetzen.
Agnes Riegler: Im Deutschunterricht diskutieren wir viel, und ich finde es wichtig, dass Meinungsbildung im Unterricht aktiv gefördert wird. Ich kann mir von keiner KI sagen lassen, wen ich wählen soll.

Foto: Schedlberger
Verena Schuster-Schedlberger
ist Schulleiterin des Europagymnasiums Baumgartenberg

Foto: privat
Agnes Riegler
ist Schulsprecherin und Schülerin der 7. Klasse

Foto: Gerald Landl
Gerald Landl
ist Lehrer für Informatik am Europagymnasium Baumgartenberg
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