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06/25

Nasse neue Welt

Nasse neue Welt
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Auf Regen folgt Sonnenschein: Die banalsten Lehren sind die besten – und der April ihr größter Lehrmeister.

Schon einmal näher über den April nachgedacht? Er fängt mit Scherz und Slapstick an, ergeht sich dann in Übergängen, Kapriolen und Wechselfällen und macht überhaupt – wie im Sprichwort –, was er will. An dem einen Tag bietet er mit Wolkenlast, Eiseskälte und Regenschleier Weltuntergangstheater, am nächsten setzt er auf Milde, sonnendurchschienenes frisches Blatthellgrün und Vogelgezwitscher, am dritten auf unerwartet brutale Hitze und Trockenheit. Der April ist ganz klar der Monat, der lehrt, dass es weise ist, sich nicht allzu sehr auf Geplantes und Voraussagbares zu verlassen. So, wie das auch für Glücks- und Unglücksmomente gilt. Sie kommen wie ein unerwarteter Sonnenstrahl oder ein plötzlicher Regenschauer – und das gern aus einer völlig anderen Himmelsrichtung als jener, aus der man ihr Eintreffen vielleicht erwartet hätte. Wenn kurz ein Quäntchen Pathos erlaubt ist, könnte man womöglich sogar Folgendes behaupten: Von allen Monaten ist der April seinem Wesen nach am allermeisten eine Metapher fürs Leben, weil er wie dieses gewohnheitsmäßig wechselhaft und unberechenbar, aber bunt gesprenkelt mit kleinen Wundern ist.

Da war dieser Nachmittag im letzten April. Der Frühlingsregen – nach dem ich mich inzwischen oft schon richtig sehne, der mich aber dann, wenn er mit Wucht kommt, sofort in Unruhe und Katastrophenfantasien versetzt –, der Regen also fiel in dicken, durchlaufenden Schnüren aus einem fast schon pechschwarzen Himmel. Der Wind beschleunigte dermaßen heftig, dass er die Äste wie wild peitschte und die Baumwipfel sich unter ihm wie in Furcht zur Seite bogen. Schlagartig war alles ein lärmendes Meer aus Wasser und Sturm. Ich hatte vorgehabt, spazieren zu gehen. Stattdessen stand ich auf dem überdachten Balkon und starrte sorgenvoll in eine sprühende Wasserwand und auf die Rinnsale, die sich langsam, aber unaufhaltsam anschwellend ihren mäandernden Weg durch meine Hangbeete bahnten. Nicht schon wieder! Ich hatte es einige Monate zuvor mit ein paar gröberen Wasserschäden in Haus und Garten zu tun gehabt. Kalte Schauer krochen mir von Neuem über den Rücken hinauf in den Nacken.

Doch dann, nachgerade punktgenau in dem Moment, in dem ich mich innerlich widerstrebend auf Wasserkatastrophenmodus gebürstet hatte und bereit war, einer weiteren Überschwemmung ins triefend nasse Auge zu blicken, just in diesem Augenblick hörte der Regen auf. Als hätte man im Himmel oben die Wasserschnüre einfach abgeschnitten. Zack und aus! Kaum dass ich ausgeatmet hatte, rissen auch die Wolken auf. Eine fahle Sonne schob sich mit einem einzigen, beinahe störrischen Ruck hervor und tauchte schlagartig alles in den regenfeuchten Silberglanz eines blendenden Gegenlichts. Und ich? Mich überschwemmte ein kurzes, sehr heftiges Gefühl purer Freude: weniger, weil der Regen aufgehört hatte, sondern weil die Möglichkeit von Veränderung mit solcher Macht sichtbar war. Dann griff ich mir meine Jacke und ging hinaus in die nasse neue Welt.

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  • Veröffentlicht: 26.05.2025
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