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06/25

Mental Load in Reinsberg: Ein Abend für alle

Mental Load in Reinsberg: Ein Abend für alle
Reinhard Nosofsky, Christiane Teschl-Hofmeister, Anna Rosenberger, Christiane Feigl, Gerlinde Mauerer, Elisabeth Cinatl, Erich Lehner (v. l. n. r.)
Foto: Richard Marschik

„Immer muss ich an alles denken“ hieß es am Abend des 3. Juni 2025 in Reinsberg. Die Veranstaltungsreihe zum Thema Mental Load ging dort in die nächste Runde – und zeigte vor allem, dass wir mit der Belastung nicht alleine sind.

Das war Reinsberg:

Mental Load ist ein Frauenthema, das wird direkt zu Beginn der Veranstaltung klar. Denn: Wir fühlen uns für alles verantwortlich, dafür, dass Job, Haushalt, Freizeit und Familienleben rund laufen – und auch für die Beziehungsarbeit mit unseren Mitmenschen. Dass das ganz schön schnell auch mal zu viel werden kann, weiß auch Gastgeberin Christiane Teschl-Hofmeister. Die Landesrätin für Frauen in Niederösterreich lädt in Kooperation mit „Welt der Frauen“ und der katholischen Frauenbewegung St. Pölten deshalb regelmäßig an wechselnden Orten in Niederösterreich ein, um über Mental Load zu sprechen.

„Wir haben es verdient, dass wir auch Energie für andere Sachen haben.“
Christiane Teschl-Hofmeister

In Reinsberg begrüßt sie die zahlreich erschienenen Gäste mit einer persönlichen Geschichte: „Heute ist ein perfekter Tag für diese Veranstaltung. Mein Sohn liegt mit Lungenentzündung zuhause, es ist Baustelle bei uns daheim und ich habe alles telefonisch koordiniert, was mein Mann erledigt. Bevor ich losgefahren bin, habe ich ihm aber noch Mittagessen vorgekocht.“ Sie sei sich sicher: Wir alle kennen Mental Load. Und genau deshalb lohne es sich, hinzuschauen. „Wir haben es verdient, dass wir auch Energie für andere Sachen haben.“ Zu viel mentale Belastung schlage auf Hirn, Herz und Gemüt – und das mache auf Dauer kaputt. „Deswegen müssen wir etwas ändern“, so Teschl-Hofmeister.

„Es hilft nichts, wenn man Gehilfen hat.“
Erich Lehner

Wie das gelingen kann, das wissen die ExpertInnen wohl am besten. Psychotherapeut und Männerforscher Erich Lehner plädiert für eine ehrliche Aufteilung im Haushalt. „Es hilft nichts, wenn man Gehilfen hat. Wir müssen auch die Verantwortung für Aufgabenbereiche klar aufteilen.“ Mental Load ist nicht nur ein Frauenthema, auch Männer fühlen sich davon betroffen, wie Statistiken zeigen. Auch Reinsbergs Bürgermeister, Reinhard Nosofsky, kann mit dem Begriff etwas anfangen. Er ist einer von insgesamt drei Männern, die im Publikum sitzen. Lehner richtet sich dennoch an sie: „Männer dürfen sich gerne fragen, welche Tätigkeiten sie ihren Frauen abnehmen können – und zwar komplett, sodass sie keinen einzigen Gedanken mehr daran verschwenden müssen.“

Gerlinde Mauerer, Soziologin an der Universität Wien, pflichtet ihm bei: „Auch Väter können ihr Kind zur Brust nehmen und beruhigen, sie können es wickeln oder einfach mit ihm einen Spaziergang machen.“ Ihre Forschung zeige zwar, dass viele Väter mehr Gleichberechtigung wollen, aber oft schlichtweg die Strukturen fehlten oder es sich „ungewohnt anfühlt“. Für Psychotherapeutin Elisabeth Cinatl gilt hier eine klare Richtlinie: „Augen auf bei der Partnerwahl.“ Es sei von wesentlicher Bedeutung für eine gesunde Beziehung, am Wohl des Partners/der Partnerin interessiert zu sein. „Und dafür geht man auch mal Kompromisse ein, zum Beispiel bügeln, obwohl man das gar nicht gerne macht.“

Cinatl leitet die Beratungsstelle Wendepunkt, an die sich Frauen richten, denen die mentale Belastung über den Kopf wächst. Leider oft zu spät, wie sie berichtet. „Die Warnsignale wie Müdigkeit, Erschöpfung und Interessenverlust werden leider oft hingenommen, bis gar nichts mehr geht.“ Die Frauen sitzen dann oft bei Cinatl auf der Couch und sind vor allem angefressen – vom Alltag, ihrem Partner oder sogar ihrem ganzen Leben. Was dann hilft? „Sich zu fragen, was man eigentlich selbst möchte, was einem guttut und welche Unterstützung man wirklich braucht.“ Dabei dürfe man eine Sache aber nicht verlieren: seinen Humor. „Manchmal hilft es auch, mit dem Partner um ungeliebte Aufgaben zu würfeln, Hauptsache sie werden erledigt.“ Und wenn mal etwas liegenbleibt, sei das auch kein Beinbruch.

Auch KünstlerInnen haben Alltagsstress

Mental Load ist ein Massenphänomen, das weiß auch Sängerin und Kabarettistin Caroline Athanasiadis. Als Liveact heizt sie dem Publikum ordentlich ein – mit viel Witz, Charme und Anekdoten über Ostern in Griechenland und das, was Frauen manchmal wirklich glücklich macht. Im Gespräch mit Moderatorin Kerstin Ruhri erklärt die zweifache Mutter, wie sie auf Mental Load blickt: „Die Leute denken immer, wer auf der Bühne steht, hat keine Probleme. Das stimmt absolut nicht.“ Auch sie habe normalen Alltagsstress. Und gibt anderen Betroffenen direkt einen guten Tipp: „Wir sollten weniger über Dinge nachdenken, die noch gar nicht passiert sind, sondern uns auf die Gegenwart konzentrieren.“

Auch Christiane Feigl, Gesamtverantwortliche von „Welt der Frauen“, kennt Mental Load und seine Tücken. Als Geschäftsführerin und Mutter weiß sie, wie wichtig es ist, Grenzen zu setzen. „Ich habe gelernt, mir selbst einzugestehen, wenn meine Energie sinkt und ich eine Pause brauche. Wir alle haben ein Recht auf Erleichterung, wenn wir sie brauchen.“ Die Botschafterin der Katholischen Frauenbewegung St. Pölten, Anna Rosenberger, ergänzt ihre Vorrednerin um einen weiteren wertvollen Tipp: „Wir dürfen nicht aufhören, uns selbst wahrzunehmen – mit all unseren Bedürfnissen und Werten. Das ist die Grundlage dafür, dass wir anderen helfen können.“ Was aber an diesem Abend alle miteinander betonen, ist etwas anderes: Das Wertvollste ist doch, dass wir einander haben und wissen: Wir sind nicht allein.

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  • Veröffentlicht: 04.06.2025
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